Netzgeflüster: Game-Besprechung „Pokémon Schwert“ + Erweiterungspässe (Switch)

Eigentlich war es die Ankündigung von „Pokémon-Legenden: Arceus“, die mich daran erinnert hat, dass ich vielleicht mal wieder eine Pokémon-Edition spielen will. In der Zwischenzeit hatte ich einige Neuerscheinungen übersprungen, woran v.A. die Piefigkeit des Fangsystems in Pokémon: Let’s Go Pikachu schuld war. Ein bisschen Recherche und die Empfehlung eines Kollegen überzeugte mich dann aber Pokémon wieder eine Chance zu geben. Weitergehen sollte es erstmal mit „Pokémon Schwert“.

Willkommen in Galar!

Unsere Reise beginnt in der mit Pokémon Schwert und Schild erstmals eingeführten Region Galar und dort genauer gesagt im beschaulichen Furlongham, wo wir auch erneut einen Rivalen zur Seite gestellt bekommen. Hop ist ehrgeizig und will sich unbedingt mit seinem Bruder messen, denn der ist niemand geringeres als der amtierende Champ der Galar-Region. Die ist übrigens an Großbritannien angelehnt, was man sowohl den Feldern und Wäldern Galars ansieht wie auch der Gestaltung der Pokémon-Arenen. Die sehen aus wie Fußball-Stadien und man fühlt sich entsprechend angefeuert, wenn man auf den Platz läuft. Außerdem spiegelt sich Großbritannien in Galar anhand einiger Orte und Merkmale wider: Kurorte, rote Telefonzellen, an Stonehenge angelehnte Steinfragmente, Legenden im Stile der Artus-Sage und Punks und Hooligans!? ^^‘ London erkennt man in Score City, v.A. der dortigen Interpretation von London Eye und Big Ben (Elizabeth Tower). Ich als UK-Fan und begeisterte London-Touristin habe das mit Freude zur Kenntnis genommen. 😉 Auch das feen- und koboldhaft angehauchte Fairbelly und der Wirrschein-Wald haben mir optisch sehr gefallen.

Glumanda in Action

Ein besonderes Feature der Galar-Region ist die Dynamaximierung mit der Pokémon über ihre normale Größe hochhaushoch wachsen können. Wegen der bombastischen Ausmaße können die Kämpfe nur an dafür vorgesehenen Orten stattfinden wie Pokémon-Arenen und der Naturzone. Die Naturzone ist ein großes Areal im Zentrum Galars, das von mehreren Orten aus besucht werden kann und verschiedene Biotope (u.a. Wald, Wiese, Seen, Wüste) vereint. Der Grundgedanke dieser Regionen innerhalb der Naturzone ist auf den zweiten Blick sehr spannend. In Kombination mit den wechselnden Wetterlagen gibt es hier massiv viele unterschiedliche Pokémon zu fangen, Items zu sammeln und eben an Dyna-Raids teilzunehmen. Bei denen tauchen zufällige, dynamaximierte Pokémon in sogenannten Nestern auf. Hat man richtig viel Glück (oder bedient sich Hacks aus dem Internet, was vielleicht nicht unproblematisch ist), kann man hier sehr früh sehr selten Pokémon wie Glumanda treffen. Die Betonung liegt auf selten. Mir ist es nicht gelungen, ich habe aber auch keine Stunden darauf verschwendet und keine Hacks verwendet. Man wird Glumanda übrigens nach der Hauptstory einfacher finden.

Gigadynamaximierung von Glurak

Größer, runder, freier!?

Anfangs fand ich es eher grotesk und unfreiwillig komisch wie die Pokémon hier auf Gojira-Dimensionen wachsen. Man stelle sich ein Pikachu vor, dass plötzlich wie ein Blob aussieht und mit der Größe entsprechend tieferer Stimme ruft „Piiiikaaaachuuuuuu“. Irgendwann war es dann aber ziemlich cool. Insbesondere unter dem Anfeuern der NPC-Massen im Stadion während der Arenakämpfe mit dem Upbeat Score kommt dann doch Stimmung auf.

Nutzt man die Web-Funktionen des Spiels, kann man zudem mit anderen Mitstreiter:innen aus dem real life an den Raids teilnehmen. Wenn nicht, werden einem NPCs zur Seite gestellt. Apropos Internet: mit seinen Freunden kann man, klar, Pokémon tauschen, kämpfen, usw. Außerdem gibt es natürlich die per Geheimgeschehen freischaltbaren Events, die ich flächendeckend verpasst habe. Ich bin eben nicht gerade zeitig dran. Pokémon Schwert und Schild erschien 2019. Was aber immer noch läuft und das auch hoffentlich noch eine Weile tut: man kann „Neuigkeiten aus der Naturzone“ über die Funktion abrufen und in den Nestern der Naturzone in Raids entsprechend der aktuellen Kampagne seltene Pokémon finden – monatlich andere. Um den 1. April diesen Jahres rum waren es flächendeckend Mogelbaum … Schelme, die von Nintendo.

Auch bemüht man sich darum die Handlung in dem Spiel runder zu machen. Beispielsweise dadurch, dass sich das Thema Energie immer wieder findet. In der Dynamiximierung, in dem Reichtum der Galar-Region und auch unseren Gegenspielern. Natürlich gibt es rund um das Energie-Thema auch Personen, die Dreck am Stecken haben und Mensch wie Pokémon bedrohen – aber no spoilers.

Seit vielen Editionen versucht man bereits die Pokémon-Arenen wieder cool zu machen. Die Minispiele mögen nicht neu sein, die Stadien schon. Das Jubeln und das große Spielfeld schafft tatsächlich ein viel cooleres Feeling und vermittelt den Eindruck, dass Trainer:innen, Arenaleiter:innen und der Champ wirklich wie Stars gefeiert werden. Das Spiel spendiert Arena-„Challengern“ sogar mal vor der Herausforderung der Arenaleiter:innen eine digitale Hotelübernachtung. Wie rücksichtsvoll. ^^ Das tut nicht viel für das Spiel, aber ist irgendwie nett für eine runde Handlung. Trotz dieser Unterfütterung mit ein bisschen Handlung hier und da ist das Spielprinzip (wie immer) dasselbe. Aber die Andersartigkeit der Etappen wirkt seit vielen Edition mal wieder frisch. Wieder zurückgekehrt ist das Fangsystem mit Strategie statt sinnlosem Pokéball-Werfen. Etwas hakelig und unangenehm: man kann Pokémon mit einem höheren Level erst fangen, wenn man einige Arena-Orden erhalten hat. Auch bemüht man sich um eine frei schwenkbare Kamera und einen Hauch Open World – aber nur in der Naturzone! Duh. Und den Erweiterungspässen.

Die Erweiterungspässe

Meines Wissens erstmalig in der Geschichte der Pokémon-Spiele kann man zwei DLCs bzw. Erweiterungspässe zukaufen. Die Insel der Rüstung hat eine witzige Side-Story rund um ein Dojo. Nur hier kann man Lahmus in seine Galar-Form entwickeln oder Pokémon die Fähigkeit zur Gigadynamaximierung geben. Richtig, das hat noch eine Steigerungsform. Hier werden die Attacken nochmal verändert und auch die Form des Pokémon wird martialischer. Der zweite Erweiterungspass heißt Die Schneelande der Krone und ich muss gestehen, dass ich hier noch mitten in der Hauptstory drin bin. U.a. kann man hier aber einige legendäre Pokémon und die sogenannten Ultrabestien fangen. Und das teilweise einfacher als es wohl ansonsten möglich wäre. Hui. Da kann man schon etwas nervös werden, wenn man die DLCs auslässt.

Eigentlich bin ich immer zu geizig für DLCs und das nochmalige und nochmalige Draufzahlen zu Spielen. Dass hier noch mit legendären Pokémon und nur dort auslösbaren Funktionen lockt ist natürlich marketingtechnisch geschickt und deprimierend gleichzeitig. Aber ich muss gestehen: die Handlungen der DLCs sind teilweise witziger, herziger und lustiger als die der Hauptstory. Zumindest für mein Empfinden. Ich meine bitte … auf der Insel der Rüstung muss man rasend schnelle Flegmons einfangen. :‘) Außerdem ist hier auch das Pokémon an erster Stelle des Teams „frei“ und läuft mit uns durch die Welt. Das ist aber noch längst nicht alles. Tim erklärt viel besser wieviel mehr interessante Möglichkeiten man durch die DLCs hat. Denn soviel sei gesagt: nach dem Ende der Hauptstory ist Pokémon Schwert und Schild ohne DLCs etwas öde. Das ist wie immer gleichzeitig Fluch und Segen, kritisch zu sehen wie zu bewundern.


10 Dinge, die man NACH dem Schneelande der Krone DLC in Pokémon Schwert/Schild tun kann!, FanmadeTim, Youtube

Wie ich den Pokérus und ein Zufalls-Shiny bekam …

… und ein paar andere bemerkenswerte Dinge. Wenn ich mich rückblickend frage womit ich meine Zeit in Pokémon Schwert verbracht habe, dann wohl mit dem Pokémon fangen und speziell dem Rumlungern in der Naturzone auf der Suche nach seltenen Pokémon. Pokémon Schwert und Schild waren (bis vor zwei Jahren oder auch noch heute) offenbar das Spiel mit den meisten nativ fangbaren Pokémon, d.h. ohne Tausch. Laut nintendo-connect.de kommen die Editionen hier auf über 600 Pokémon. Und das merkt man. Andererseits ist das auch zu erwarten für das Hauptspiele-Paar einer Pokémon-Generation, die aufpassen muss, dass ihr Spielprinzip nicht (zu) alt wird und mit der zunehmenden „Masse an Masse“ (d.h. an Open World Spielen) mithalten muss.

Sehr schön hierbei ist wie groß die Karte ist, dass wir uns längst nicht mehr auf einem Grid bewegen. Die Kameraführung sorgt aber für Stirnrunzeln. Wenn man wie ich gerade aus einem Spiel mit derart viel Freiheiten kommt wie Assassin’s Creed: Origins, dann ist Pokémon Schwert erstmal eine Zumutung. Die Handlung wird wie immer zu Beginn stark eingeschränkt, man muss erst mit hundert Leuten quatschen, bevor man irgendwas tun darf und die Kamera ist fixiert und läuft (außerhalb von Naturzone und DLCs) in fixen Bahnen. Da fühlt man sich plötzlich nicht mehr als mündiger Spieler. Wobei es für jüngere Spieler einleuchtet, dass es so gestaltet wurde. Ich wünsche mir Spieler-Modi bzw. konfigurierbare Schwierigkeitslevel, durch die sowas gemanaged wird.

Ansonsten bekommt man reichlich Annehmlichkeiten mit auf den Weg. So ist man beispielsweise nicht mehr auf die PCs in den Pokémoncentern angewiesen und kann von überall her auf die Box zugreifen. Man kann mit seinen Pokémon campen und sie dabei heilen ohne zusätzliche Pokédollar in die Hand zu nehmen oder beim Spielen die Zuneigung steigern. Außerdem ist es sehr witzig mit ihnen zu interagieren. In der Modellierung der Pokémon und der Interaktion steckt viel Liebe zum Detail. So habe ich ganz nebenbei endlich erfahren wie sich manche von denen fortbewegen. 🙂 Starmie dann doch anders als ich dachte. Es schweibt horizontal auf einen und dreht sich dabei um seinen:ihren Kern.

Zu den krasseren Dinge die ich während des Spielens erlebt habe, zählt wohl, dass ich das erste Mal in meiner Laufbahn als Pokémon-Zockerin (ohne Zutun von Cheatmodulen) den Pokérus bekommen habe. Und das in Zeiten von Corona! Eine seltsame Ironie. Während das ja im Gegensatz zu Corona sogar noch positive Seiteneffekte mit sich bringt, habe ich auch ohne es explizit zu forcieren ein Shiny Pokémon getroffen. Allerdings wäre Flunschlik jetzt auch offen gestanden das letzte Pokémon gewesen, dass ich gern als Shiny gefangen hätte. Sorry Flunschlik.

Unter dem Strich

Trotz Namenskontroverse und der anfänglichen Behäbigkeit der Story entwickelt sich Pokémon Schwert und Schild zu einem würdigen Hauptspiel der 8. Generation. Es wäre nur noch besser, wenn es in punkto Innovationen in die Vollen gehen würde. Beispielsweise wären anpassbare Schwierigkeitslevel dankenswert oder auch, dass die Kamera auch außerhalb der Naturzone frei schwenkbar ist. Obwohl zarte Versuche in Richtung Open World unternommen wurden, könnte sich das Gameplay durch die genannten Mechaniken noch deutlich freier und weniger geführt anfühlen. Die Masse an fangbaren Pokémon, die liebevolle Gestaltung der Karte und Umgebung (zumindest im Hauptspiel, in den DLCs ist noch Luft nach oben) und der voll-animierten Pokémon macht Laune. Auch dass es endlich gelungen ist den Arenakämpfen eine andere, spannendere Atmosphäre zu verleihen. Dynamaximierung fühlt sich anfangs nur wie eine weitere Form der Mega-Entwicklung an, ist aber letzten Endes optisch schon ein Hingucker, v.A. in Verbindung mit den Dyna-Raids oder dem coolen Soundtrack während der Arenakämpfe.

Feste feiern, in die (In-Game-)Zukunft blicken

Zusätzliche Mechanismen wie das Character Customizing (Auswahl von Klamotten, Frisur, etc.) kommen erwartungsgemäß gut an, wobei ich gespannt bin, wann sich Pokémon zu Nicht-Binärität veranlagt sieht. Die Lebensqualität Spielender steigt außerdem bspw. durch die Anzeige der effektiven Attacken und andere kleine und unaufdringliche Annehmlichkeiten. Dadurch, dass auf der Karte steht, was man eigentlich als nächstes tun sollte oder auch das Wegfallen der seit Generationen lästigen VMs. Und damit meine ich nicht Pokémon-Generationen, sondern Menschheitsgenerationen. 😉 Auch mit der Vermittlung einer positiv-kontruktiven Rivalenschaft punktet das Spiel. Man hat gleich mehrere rivalisierende Trainer:innen (Mary, Hop, Betys) und alle schaffen es das Gefühl zu vermitteln, dass Rival:innen zu sein bedeutet, dass man aneinander wächst. Rivalen sind schon lange nicht mehr böse, sondern Sparringspartner:innen. Ein cooles Pokémon-Spiel.

„Pokémon Strahlender Diamant“ und/oder „Leuchtende Perle“ werde ich übrigens skippen, weil ich eher keinen Bock auf den Chibi-Look habe. Hat man sich hier am Switch-Remake von „Links Awakening“ orientiert!? Vielleicht kennt ihr aber Argumente für die Spiele, die ich noch nicht sehe? Aktuell denke ich noch, dass es stattdessen für mich dann mit „Pokémon-Legenden: Arceus“ weitergeht. Aber das auch nur nach einer kleinen Pokémon-Pause. Wie hat euch Schwert und Schild gefallen?

Eine Antwort

  1. Hach, da krieg ich ja direkt wieder Lust aufs Spielen. Das Höher und Mehr des Poké-Universums ist zwar schon seit Jahren nicht mehr meins aber das britisch inspirierte Setting und die Darstellung der Pokémon hat schon was Reizvolles.

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