Das gehörte Wort … Hörbuch-Besprechung zu „Mickey 7 – Der letzte Klon“ von Edward Ashton

Schon allein als ich gelesen habe, dass Bong Joon-ho als nächstes Edward Ashtons Sci-Fi Roman verfilmen will, war ich neugierig. Zum Einen waren Science-Fiction und Weltraum-Epen bisher nicht die Genres und Schauplätze, die ich mit der südkoreanischen Filmlandschaft verbinde. Obwohl ich eine sehr hohe Meinung des südkoreanischen Films habe. Dann wurde relativ bald die Besetzung angekündigt und nun könnte ich kaum gespannter sein. Hype sei Dank? Inzwischen ist der Roman in Deutschland erschienen. Dankbarerweise parallel auch schon das von Richard Barenberg gesprochene Hörbuch, das ich mir dann direkt mal zu Gemüte führte. Die Besprechung ist spoilerfrei.

Wieder mal gestorben… . Na wenigstens ging es schnell, denkt Mickey. Aber halt!? Er hat sich nur den Arm verletzt. Glück gehabt. Denn Mickey ist ein sogenannter Expendable, ein „Wegwerf-Klon“, der tödliche Drecksarbeiten auf einer Kolonie im Weltraum ausübt. Immer, wenn man sich nicht sicher ist wie die Sache ausgeht, wird Mickey gerufen. Sind in der Atmosphäre tödliche Mikrobakterien? Holt Mickey. Ist der Impfstoff schon reif? Mickey muss ran. Ging die Sache nicht gut aus, kommt aus dem Protein-Tank ein neuer Mickey mit den Erinnerungs-Uploads des vorherigen. Weil er schon die siebte Inkarnation seines selbst ist, wird er Mickey7 genannt. Dieses Mal ist aber etwas anders. Zum Einen haben seine Kolleg:innen ihn dieses Mal voreilig für tot erklärt. Mickey8 kam schon aus dem Tank. Es beginnt ein Verwirrspiel um Expendables, den Wert eines Menschenlebens und die verzwickte Geschichte der Weltraumkolonialisierung.


Einerseits ist das (ungekürzte) Hörbuch mit 9 Stunden tatsächlich kurzweilig, andererseits ist Edward Ashtons Geschichte auch ebenso erzählt. Wir werden direkt in die Handlung geworfen und lernen alles weitere um das Leben auf dem Eisplaneten Niflheim nebenbei und in Rückblicken. Dankbarerweise erklärt Ashton nicht das Science-Fiction 1×1 um Gravitation auf Raumschiffen aus dem Urschleim heraus und bindet es geschmeidig in die Episoden aus Mickey7s Leben in der Kolonie ein. In Rückblicken erfahren wir außerdem wie Mickey sich überhaupt dazu entschied ein Expendable zu werden und wie seine früheren Inkarnationen das Zeitliche segneten. Richard Barenberg spricht Mickey und die gesamte Handlung mit einer angenehmen Lakonie, nicht zu müde, aber unterschwellig satirisch. So ergibt sich der Eindruck eines Mickeys, der sich in seine Rolle relativ, aber nicht völlig, ergeben hat. Der aber auch mit einer gewissen Müdigkeit registriert hat wie bequem es für andere Menschen ist ihn in den Schredder zu schicken.

Dabei kommen auch philosophische und moralische Fragen auf, die leider eher angerissen werden, dafür aber interessanterweise beantwortet. Während manche den Job des Expendables mit dem Feature der Unsterblichkeit bewerben, ist das eben nicht die ganze Wahrheit. Es fällt der Begriff Schiff des Theseus: ähnlich dem Schiff, wird Mickey mit seinen Erinnerungen und einem neuen Körper ausgestattet, ist er dann wirklich noch derselbe Mickey? Ist die Summe der Teile dasselbe wie das Original? Hier hätte Ashton gern noch etwas tiefer ins Detail gehen können. Auch das Ende ist etwas einfach geraten. Was sicherlich im Film besser rüberkommen wird ist das Verwechselspiel mit mehreren Klonen – schon hier hat es Spaß gemacht zuzuhören. Was wohl aber am meisten unterhält ist Mickeys ganz eigenes Forschungsprojekt: die Geschichte der Kolonialisierung des Weltraums. In Auszügen erfahren wir vom Trial and Error, den vielen schief gelaufenen Versuchen. Und die sind auf eine schwarzhumorige Art sehr unterhaltsam.

An und für sich hat Ashton das Science-Fiction-Genre mit dem Roman nicht neu erfunden und nicht allzu viele neue Impulse geliefert. Die große Stärke des Romans liegt wohl in seinem cleveren, lakonischen Hauptcharakter. Zum Zeitpunkt des Hörens wusste ich bereits mit wem Mickey im Film besetzt werden würde und das scheint wirklich 1a Casting zu sein. Tatsächlich ist das, so könnte man meinen, klassischer Bong Joon-ho Stoff. Es geht viel um den Wert eines Menschenlebens, nicht nur, aber vor Allem, den des namensgebenden Mickey bzw Mickey7. Bong Joon-hos bisherige Stoffe nahmen sich Klassenunterschiede in zeitgenössischen, realweltlichen Settings vor.

Mickey7 versetzt das Motiv wirkungsvoll in eine andere Zeit mit anderen, aber immerhin ähnlichen, unsichtbaren Regeln. Plus: der Willkür und Selbstverständlichkeit mit der Menschen ihre Taten für ein angebliches Gemeinwohl rechtfertigen. Ist es Mord, wenn sie Mickey in den sicheren Tod schicken? Klonen hin oder her? Schon alleine der Begriff des „Entbehrlichen“ ist ein Schlag ins Gesicht. Oder ist es das weniger, weil Mickey den entsprechenden Vertrag unterschrieben hat? Vielleicht ist Mickey dann aber letzten Endes der am wenigsten Entbehrliche, weil er als einziger über den Tellerrand schaut. Oder anders: sich unentbehrlich macht!?

Zusammengefasst ist Mickey7 als Buch keine wahnsinnig große Überraschung was Science-Fiction betrifft, aber angenehm schwarzhumorig und mal immerhin kein 1000-Seiten-Brecher. Ich bin jetzt sehr gespannt auf die Verfilmung.

Eine Antwort

  1. Da wir gerade bei Sci-Fi und Hörbüchern sind: Würde dir „Project Hail Mary“ von Andy Weir empfehlen. Das ist nicht nur eine geniale Story, sondern auch hörbuchtechnisch interessant umgesetzt. Also das englische, was sie im deutschen Hörbuch damit machen, weiß ich nicht.

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