Serien-Besprechung: One Piece (2023)

Als angekündigt wurde, dass Netflix sich trotz vergangener Fails an eine weitere Live Action Adaption eines Animes traut, war ich nicht direkt begeistert. Gerade „One Piece“!? Das ist einfach mal die meistverkaufte Mangareihe weltweit und auch der Anime ist unglaublich populär. Zudem hätte ich das tatsächlich für nahezu unverfilmbar gehalten. Viele labelten das Unterfangen daher als zum Scheitern verurteilt. Dann aber wiederum ist es zu groß, um zu scheitern. Oder? Die Besprechung ist spoilerfrei.

„Ich werde der König der Piraten!!!!“

Das ist wohl der meist gesagte Satz Monkey D. Ruffys (Iñaki Godoy, Synchro: Daniel Schlauch), des Jungen mit dem Strohhut. Dabei hat er weder Crew, noch Schiff. Ruffy wächst in einer Welt auf, in der die Meere von Piraten unsicher gemacht werden. Hohe Kopfgelder animieren Piratenjäger wie Lorenor Zorro (Mackenyu, Synchro: Uwe Thomsen) sie zu stoppen. Natürlich ist die Marine ihnen auch auf den Fersen. Piraten sind normalerweise keine Idole, für Ruffy aber schon. Und er ist wild entschlossen das sagenumwobene One Piece zu finden und sich damit den Titel des Piratenkönigs zu verdienen. Als er den oben erwähnten Lorenor Zorro und die Diebin Nami (Emily Rudd, Synchro: Stephanie Kellner) trifft, kommt er zumindest seinem Traum einer Crew näher. Nur wissen die Beiden noch nichts davon.

Crew wider Willen

Irgendwie hat dieser von seinem Traum besessene und unerschütterlich optimistische Ruffy etwas an sich, dass mehr und mehr Leute überzeugt sich seiner Crew anzuschließen oder wenigstens mit dem Gedanken zu spielen. Dass Ruffy erklärt, dass Piraten nicht grausam sein müssen und egal wo er hinkommt den Bösen den Kampf ansagt, spielt dabei eine große Rolle. Ruffy verändert Leben, wo er hinkommt. Die des von der Marine begeisterten Corby (Morgan Davies, Synchro: Tim Schwarzmaier), des notorischen Lügners Lysop (Jacob Romero Gibson, Synchro: Dirk Meyer), der reichen und kränklichen Kaya (Celeste Loots, Synchro: Anke Kortemeier) oder auch des Kochs Sanji (Taz Skylar, Synchro: Hubertus von Lerchenfeld). Und erfährt im Gegenzug dafür ihre Geschichten und ihren Dank.

Wer den Anime oder Manga wirklich nicht kennt, denjenigen will ich nicht zuviel vorweg nehmen. Soviel sollte aber bekannt sein: One Piece ist wild und herrlich schräg. Es spielt in einer Welt wo störrische Möwen Briefpost austragen. Wo „bölölölölö“ der Klingelton von „Telefonschnecken“ ist. Ruffy hat mal von einer Teufelsfrucht gegessen und ist dadurch ein Gummimensch geworden, der seine Extremitäten wie Geschosse gegen seine Gegner einsetzen kann und dabei „GUM GUM PISTOLEEEE“ ruft. Der Nachteil der Fähigkeiten: Wasser ist sein Kryptonit. Nicht so coole Aussichten, um König der Piraten zu werden? In Summe: Die Marine ist hemmungslos korrupt und manche Piraten sind eben einfach gut. One Piece ist verrückt, absurd, witzig und wird euch trotzdem auch mal ein Tränchen abringen, weil die Geschichten der einzelnen Charaktere so rührend und tragisch sind. Und das verblüffendste an all dem ist: das funktioniert doch glatt als live action.

Too big to fail

Gewissermaßen kann man sagen, dass Netflix und das Produktionsteam um Matt Owens und Steven Maeda ihre Risikoanalyse gemacht hat. One Piece Live Action ist in der Tat too big to fail. Sie haben es sich einiges kosten lassen, haben mit dem One Piece Mangazeichner Eiichirō Oda penibel Details besprochen und sind selbst auf Wünsche für Nachdrehs eingegangen. Sie haben richtig Geld in die Hand genommen und riesengroße Kulissen z.B. der Schiffe hochgezogen. Der Cast besteht dafür im Gegenzug aus größtenteils eher weniger bekannten Gesichtern, die dafür ihre Rollen offenkundig lieben und leben. Und das spürt man in der Tat! Aber ist das jetzt deswegen alles schick?

Das leider nicht. Gerade die ersten Folgen sind etwas sperrig. Die Kostüme sehen stellenweise etwas billig aus und fast jeder da draußen sagt schon besseres Cosplay gesehen zu haben. Auch vermisst man die Abenteuer-Aura. Klar, irgendwo gibt es Schiffe und das Meer. Aber die Episoden fühlen sich stark an wie im Studio gedrehte Szenen, die das Flair des offenen Ozeans und von Flora und Fauna versteckter Inseln vermissen lassen. Das Gute ist: wer ein paar Episoden aushält, wird mit einer würdigen One Piece Live Action Adaption belohnt. Denn die zweite Hälfte ist einfach so gut.

Ein Punkt in dem ich einem schlichten Bias unterliege, wird diese Review nicht auflösen. Für deutsche Zuschauende channelt der Einsatz der aus dem Anime bekannten, deutschsprachigen Synchronsprecher:innen einen starken Nostalgiefaktor. Wenn Daniel Schlauch „GUM GUM PISTOLEEEE“ ruft, dann antwortet meine Kindheit. Nichtsdestotrotz haben auch die Darsteller:innen ganze Arbeit geleistet und ich möchte behaupten, dass sie zusammen mit dem Drehbuch und den Kulissen die Serie tragen. Iñaki Godoy versprüht genau den Deadpan-Optimism Ruffys und Taz Skylar legt beachtliche Kicks als Sanji hin. Emily Rudd hat genau den rauen Charme Namis – ich könnte so weitermachen. Spätere Kämpfe sind wirklich gut und es ist eine kluge Entscheidung die ca. hundert ersten Kapitel des Manga so zusammenzudampfen. Die größeren Story Arcs werden je in zwei Episoden gepresst und widmen sich dem East-Blue-Arc von Manga und Anime. Netflix‘ One Piece ist nicht perfekt, aber es ist eine gute Live Action Adaption und ein würdiger Hype. Denn es ist in der Tat too big to fail und Anime-Realverfilmungen haben bisher eine vernichtende Quote. Wann kommt Season 2 – ich kann’s kaum erwarten. 😁 (7/10)

Sternchen-7

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Das lässt sich vielleicht sogar schon beantworten. Derzeit zwitschern die Spatzen von den Dächern, dass Season 2 schon geschrieben ist und in ein- bis eineinhalb Jahren schon laufen könnte. Man könnte noch mehr sezieren, warum Netflix‘ „One Piece“ funktionert, ja sogar Rekorde gebrochen hat. Neben oben genannten ambitionierten Darsteller:innen und den Kulissen ist es wohl eine kluge Entscheidung auf solche erzählerischen Neuinterpretationen wie in „Cowboy Bebop“ zu verzichten und einfach mal näher am Skript zu bleiben. Dass Corby, Helmeppo (Aidan Scott, Synchro: Martin Bonvicini) und Garp (Vincent Regan, Synchro: Dieter Memel) dabei eine größere Rolle spielen zeugt von der Kenntnis über all das, was noch kommt. Aber bevor ich weiter texte … wie hat’s euch gefallen?

3 Antworten

  1. Ich bin gerade noch dran und ich habe es zero mitbekommen – bis ich dann die ersten Leute auf Social Media gesehen habe x)
    Vor allem ist die Live Action Adaption eine Einführung für meinen Freund in die Welt des One Piece. Und auch wenn natürlich einiges verloren geht, weil doch verkürzt wurde, so haben die Macher:innen mMn eines schon mal sehr richtig gemacht: Die Charaktere gezeichnet, so wie ich sie aus Anime und Manga kenne. Und die sind für mich das Herzstück dieser Serie, in jeder Fassung.

  2. […] und Bücher kamen eher kurz. Geschaut habe ich One Piece (Live Action) und fand’s klasse. Auch The Walking Dead Seasons 4-5 haben mir sehr gut […]

  3. Ich bin hin und her gerissen. Einerseits: Die Schauspieler machen ihre Sache wirklich gut, die Effekte reichen von gut bis richtig gut und insgesamt hat man viele gute Entscheidungen getroffen. Sogar meiner Herzensdame – die sonst mit Animes und Mangas überhaupt nichts am Hut hat – hat die Serie gefallen.

    Natürlich fehlen viele Charaktere und Abschnitte, aber anders hätte man die Serie wohl nicht umsetzen können.

    Andererseits frage ich mich an manchen Stellen, wo das viele Geld geblieben ist. Die Kameraeinstellungen sind stellenweise eine Zumutung und die Kostüme erinnern mich zu stark an Cosplay. Da hätte man sich ruhig ein Stück weit von der Vorlage lösen können.

    Ich bin auf jeden Fall gespannt, ob die Serie den Geist des Mangas/der Serie aufrechterhalten kann, wenn die Welt noch größer und verrückter wird. Immerhin halte ich das nicht mehr für völlig ausgeschlossen.

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