Ist das schon wieder drei Jahre her, dass ich die dritte Staffel gesehen habe? Für „Babylon Berlin“ brauchte man seit jeher Geduld. Aber auf die Serie warte ich gern. Glücklicherweise wird es ja auch trotz des Ausstiegs von Sky aus der Produktion (erstmal) weitergehen. Ich gestehe: bis das bekannt wurde, hielt mein Serienfan-Herz den Atem an. Die Besprechung ist spoilerfrei.
Die vierte Staffel von Babylon Berlin beginnt mit den Festlichkeiten zum Jahreswechsel 1930-1931. Während Leute wie Alfred Nyssen (Lars Eidinger) flirrende Feste feiern, lebt der Rest in Armut und gibt sich mit weitaus weniger zufrieden. Noch verabreden sich Komissar Gereon Rath (Volker Bruch) und Kriminalassistentin Charlotte „Lotte“ Ritter (Liv Lisa Fries), deren Will-they-won’t-they zuletzt an Fahrt aufgenommen hatte. Dann aber verläuft der Silvesterabend ganz anders als geplant. Gereon ist Undercover teil der SA, die an Silvester marodierend umherläuft. Sie zerstören die Geschäfte jüdischer Personen und verprügeln brutal, wer ihnen in den Weg kommt. Gereon muss mitmachen, damit sein Plan nicht auffliegt. Charlotte hingegen wird zu einem Einsatz gerufen und begegnet dem marodierenden Gereon. Es kommt zum Bruch. Das wird nicht die einzige Prüfung für Charlotte bleiben, denn der Tatort an den sie gerufen wird, ist einer von dem nur kurz zuvor ihre Schwester Antonia „Toni“ Ritter (Irene Böhm) fliehen musste.
Was Toni zum Verhängnis wurde ist eigentlich nur, dass sie und ihr Freund aus dem KaDeWe klauen wollten. Es endete aber damit, dass ein Polizist sie trotz der Bagatelle bis aufs Blut verfolgt und letzten Endes ihren Freund kurzerhand vom Dach des KaDeWe stieß. Aber wie beweisen? Wie gegen die Polizei selbst vorgehen? Die vierte Staffel beginnt düster. Neben dem Bruch Charlottes mit Gereon und ihrem Versuch Toni zu beschützen, gesellen sich weitere parallele Handlungsstränge, in denen es nicht um weniger geht. So zum Beispiel das opferreiche Kräftemessen der Berliner Unterwelt, Samuel Katelbachs (Karl Markovics) Ringen um einen Unschuldsbeweis und Esther Kasabians (Meret Becker) Versuch das Moka Efti durch die Weltwirtschaftskrise hindurch zu halten. Abraham „Abe“ Goldstein (Mark Ivanir) hingegen kommt als neuer Spieler auf das Feld. Er versucht den Nyssens den Edelstein abzunehmen, den sie einst seiner Familie entwendeten.
Ganz schön viel, oder? In der Tat. Es bleibt aber nicht so düster wie der Anfang der Staffel vermuten lässt. Die Köpfe hinter der Literaturadaption von Volker Kutschers Romanreihe schaffen ein gutes Gegengewicht aus den ernsten Themen und denen, die einem das Herz leichter machen. Untermalt wird das ganze mit der Musik von MEUTE wie auch von Max Raabe, der auch einen Auftritt als Sänger Emil Engel hat. Der Song der Staffel: Ein Tag wie Gold. 🎵 Das geht ins Ohr. Dazu tanzen sie alle – arm wie reich, alt wie jung. Dabei ist gerade Armut und die Weltwirtschaftskrise ein Motor, der sich selbst befeuert, dabei die Weimarer Republik in die Abwärtsspirale schickte. Die Schere zwischen arm und reich war noch nie so groß. Insbesondere Eliten, die das Geschehen im Staate lenken wollen, werden in der Staffel ein weiteres, großes Thema (Stichwort weiße Hand). Unzufriedenheit und Frustration gab dem faschistischen Konglomerat rund um NSDAP, SA und SS Macht. Es ist in der Tat eine Serie für unsere Zeit, in der Parteien wie die AfD an Zustimmung gewinnen. Das sollte nachdenklich machen. Oder wie drückt Gereon es aus:
„Willst du in einem Land leben, das von solchen Leuten geführt wird?“
(Babylon Berlin, Season 4, Gereon Rath)
An der Verbindung der Goldsteins und Nyssens und des allgemeinen Umschlagens der Stimmung gegenüber jüdischen Personen zeigt sich, worauf wir unweigerlich hinsteuern und es tut weh. Immerhin schenkt es uns auch Einblicke in jüdisches Leben, die nicht nur mit Antisemitismus verbunden sind. Und mit all den Umwälzungen müssen auch unsere Charaktere über sich hinauswachsen. Gereon geht endlich ein paar überfällige Schritte. Charlotte hat berserker-starke Momente. Wem das nicht reicht, bekommt Überraschungen, Zeppeline und mutige Stylingentscheidungen. Die einzige Kritik kann nur lauten: allzu viele totgesagte müssen nicht wiederkommen. Das Fazit so oder so: wahnsinnig gute Serie. Am Horizont sehen wir aber auch, was sich da zusammenbraut. Oder wie heißt es im oben erwähnten Song: Leben, ist es nur ein Traum?/ Schön wär’s, ich glaube kaum / Dass es wahr ist / Pass auf, weil man sehr leicht vergisst / Nichts bleibt, wie es ist … (9/10)
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Es ist schon krass, dass sich Sky aus der Produktion zurückzog. Als Gründe gab man gegenüber FAZ beispielsweise die Kosten angesichts der wachsenden Konkurrenz zu anderen Streaminganbietern an. Nahm ich doch „Babylon Berlin“ als ein Aushängeschild unter deutschen Serienproduktionen wahr, wundert mich der Schritt. Zudem noch da es international Aufmerksamkeit auf sich zog. Aber es ist nicht an mir Skys strategische Ausrichtung zu hinterfragen. Wie hat euch die vierte Staffel gefallen? Man kann derzeit alle Staffeln in der ARD Mediathek streamen.
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