Um vorbereitet zu sein, gab es im April bereits den Muttertagsfilm mit Her Love Boils Bathwater. Heute lege ich mit dem Vatertagsfilm nach – mit etwas Verspätung. 😉 Den sah ich auch deutlich später als ich wollte, denn er hätte im Dezember in die deutschen Kinos kommen sollen, war aber in meiner Stadt schwer anzutreffen. Nun nach dem Disc-Release kam ich in den Genuss des Wrestling-Dramas, das lose auf wahren Begebenheiten beruht.
Jack Barton Adkisson Sr., im Ring bekannt unter dem Pseudonym „Fritz Von Erich“ (Holt McCallany), hat nach langer Durststrecke ein Imperium aufgebaut. Er vermarktet selber Wrestler und Matches, stets um Relevanz und bekannte Kontrahenten bemüht. Alle seine Söhne sollen in seine Fußstapfen treten. Kevin (Zac Efron) ist dabei lange Zeit sowas wie der „Lead“ bis David (Harris Dickinson) mehr an Bekanntheit im Ring gewinnt. Kerry (Jeremy Allen White) folgt, nachdem seine olympische Karriere stagniert. Mike (Stanley Simons) will eigentlich lieber Musik machen, gibt aber irgendwann nach. Das Markenzeichen der Familie ist neben ihrem Ringnamen die Iron Claw. Doch mit dem Erfolg kommen auch die Tragödien und Kevin beginnt zu glauben, dass ihr Ringname „von Erich“ verflucht ist.
Der Fluch und Namen spielen eine große Rolle. Die nicht benannte Tragödie des Films ist aber wie die Brüder stets um die Aufmerksamkeit, Anerkennung und Liebe ihres Vaters buhlen. Der von Holt McCallany verkörperte Jack aka „Fritz“ bekommt nicht den Vater-des-Jahres-Award. Wer zur Hölle listet seinen Kindern auf, wer gerade auf Platz 1 seiner Favoriten ist und motiviert sie, indem er ihnen sagt, dass sich die Rangfolge jederzeit ändern kann? Desto schwieriger und zu gehorsam getrimmter die Beziehung zum Vater, desto mehr versuchen sich die Brüder gegenseitig Halt zu geben. Doch am Ende werden sie alle mehr oder weniger Opfer des Fluchs, des Versuches den Anforderungen gerecht zu werden. Die Iron Claw ist nicht nur ihr Markenzeichen, sondern hat sie in einem wortwörtlich eisernen Griff aus familiärer Legendenbildung und emotionalem Missbrauch. Es ist tragisch zu sehen wie schwer sich der von Zac Efron gespielte Kevin darin tut die Mechanismen des angeblichen Familienimperiums zu durchschauen und zu hinterfragen, dabei wenig Unterstützung erhält und aufbegehrt als er dann selber Vater wird. Dann muss der Film wohl wegen ihm der „Vatertagsfilm“ sein.
Die Idee eines Familienfluchs kommt nicht von ungefähr. Es ist einfach nur furchtbar wie einer der „von Erichs“ nach dem Anderen das Zeitliche segnet. Und nur das echte Leben und die wahren Begebenheiten sind furchtbarer (siehe Vulture, „Everything The Iron Claw Leaves Out About the Von Erich ‘Curse’“, Repost vom 10. Mai 2024). Sicherlich hätte die Metapher des Fluchs noch umso stärker sein können, wenn mehr auf die Nazi-Vergangenheit des Namens eingegangen wäre und dass „Fritz von Erich“ als „Heel“ angelegt war, d.h. als Persona im Wrestling, die am ehesten als Bösewicht beschrieben werden kann.
Ebenso erscheint Maura Tierney als Doris, die Ehefrau von Jack und Mutter der Brüder, etwas verschenkt. Sie bekommt wenig zutun und ihre Trauer scheint in Abstumpfen übergegangen zu sein. Wenige Momente geben ihr Raum das auszubauen. Lily James spielt die Frau von Kevin/Zac Efron. Alle Darsteller der Brüder haben sich zu Maschinen hochtrainiert – Zac Efron hat eine Statur, die man nicht schnell bekommt und nicht schnell wieder loswird. Alleine seine Physis, der plötzlich quadratisch wirkende Kopf und brachiale Kiefer, machen, dass man nicht wegschauen kann. Davon abgesehen mutieren die Brüder auf der Bühne zu Personas, die eine ganz eigene Aura ausströmen. Genial sind die Wrestling-Szenen, denen man nie so nahe kommen wird wie hier dank der Kameraarbeit Mátyás Erdélys. Der Film lässt die Schwingungen des Rings, die Gewalt der Körper und die schiere, verzweifelte Kraft nachfühlbar werden. Genauso wie das ungeschliffene, verzweifelte Aneinanderklammern einer Familie, die vergessen hat wie man einander liebt. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung aus Härte als Teil einer Familien-DNA ist fast wie eine Horrorgeschichte der emotionalen Natur. Warum hat der Film keine einzige Oscarnominierung bekommen?
The Iron Claw, USA/UK, 2023, Sean Durkin, 130 min
Header image uses a Photo by Kilyan Sockalingum on Unsplash
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch.
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