Filmbesprechung „Best Wishes To All“ (Nippon Connection 2024)

Der dritte Festivaltag bestand zu Dreiviertel aus Horrorfilmen und ich freute mich schon drauf. 😁 Am selben Morgen hörte ich aber beim Blogger:/Podcaster:innen-Treff mit SchönerDenken schon sehr geteilte Meinungen zu dem Film unter den Anwesenden. Die Review ist spoilerfrei.

Kotone Furukawa, die auch während der Nippon Connection 2024 mit dem Nippon Rising Star Award ausgezeichnet wurde, spielt hier eine junge Frau zu Besuch bei ihren Großeltern. So ganz glücklich ist sie darüber nicht, da sie als Kind etwas gruseliges im Haus der Großeltern gesehen hat und nicht vergessen kann. Oder war alles nur ein Traum? Als sich ihre Großeltern dann aber beginnen seltsam zu verhalten und sie komische Geräusche aus der oberen Etage hört, ist sie mehr als beunruhigt. Ist noch jemand im Haus?

Best Wishes To All『みなに幸あれ』Official Film Trailer | Nippon Connection, NipponConnectionTV, Youtube

Best Wishes To All ist in der ersten Hälfte einer ausgezeichneter Horrorfilm, der durch unscharfe Konturen begeistert. Die junge Frau macht gerade eine Ausbildung zur Krankenpflegerin und es drängt sich ihr auf, dass ihre Großeltern vielleicht dement sind und sich deswegen so anders verhalten. Das erklärt aber noch nicht alles weitere, was in dem Haus vor sich geht. Zur Mitte des Films gibt es schon die hammerharte Aufklärung, die dem Film plötzlich eine surreale, tragische, abgründige Note gibt und daher hier nicht verraten werden soll – aber unten in der Spoiler-Sektion*. 😉 Die ist so anders, so unerwartet und bringt so viele Implikationen mit sich, das man darüber gut nach dem Kinobesuch diskutieren kann.

Nach dem was sie über ihre Familie erfährt, kann unsere Protagonistin kaum wie bisher weitermachen und wird in einen emotionalen Abgrund gestürzt. Sie sucht einen Ausweg, der weder ihrer Familie noch anderen schadet und irrt desillusioniert umher. Zu dumm nur, dass alles weitere in dem Film jetzt immer surrealer und damit am Ende absolut abstrus wird. Das hätte es nicht gebraucht und tut bei Weitem nicht mehr so viel für den Film wie die ersten zwei Drittel.

Bis dahin war Best Wishes To All ein grandioser Horrorfilm, dessen einziges Problem die etwas eingeschränkte sepia-angehauchte Farbpalette war und die starke Dominanz unheilsschwangerer Musik in, naja, unheilsschwangeren Momenten. Dem Film ging ein gleichnamiger Kurzfilm von Yuta Shimotsu voran, der sich inhaltlich auch eher auf die „Auflösung“ des Horrors konzentriert und der daher meines Empfindens nach besser funktioniert.

Best Wishes To All (OT: みなに幸あれ), Japan, 2023, Yuta Shimotsu, 89 min, (6/10)

Sternchen-6
*Die Spoiler-Sektion!

Echt stark und abgründig ist sie ja schon die Botschaft, dass Glück begrenzt ist und um selber glücklich zu sein, man das Glück einer anderen Person ausbeuten muss. Dieser Aberglaube führt dazu, dass die Großeltern einen Mann in ihrer oberen Etage gefangen halten und jeglicher Menschenrechte berauben. Wuah, gruselig. Eine Weile lang funktioniert das noch gut als Horrorfilm oder als der Film, der Best Wishes To All eben ist. Die Protagonistin muss das erstmal verarbeiten. Cleverer wäre es gewesen daran vielleicht noch länger Zweifel zu lassen. Ist das vielleicht nur eine Psychose ihre Großeltern? Dann aber zeigt sich, dass die ganze Familie und das ganze Dorf so tickt. Wie viele Haushalte beuten jemanden so aus? Machen sich strafbar? Ruinieren Leben? Das ist unerwartet kraftvoll und hat einige unerwartet morbide Szenen. Beispielsweise wenn die Protagonistin ein paar Leute in ihrem Alter trifft, die sie auslachen, weil sie „es“ nicht wusste. Aber wofür hat man die Eskalation mit der Tante und die plötzlich schwangere Oma gebraucht? Das wurde dann einfach zu beliebig und schräg für mein Empfinden. Trotzdem eine starke Botschaft. Seien es kleine Kinderhände in Entwicklungsländern, die T-Shirts zusammennähen oder Umweltkatastrophen, die Staaten treffen, die selber wenig CO2-Ausstoß verursachen – unsere Privilegien werden meistens auf dem Rücken anderer ausgetragen.

Leider konnte ich dem anschließenden Q&A von dem Film nicht mehr beiwohnen, weil ich zum nächsten Treffen oder Film eilte. Aber zumal der Regisseur Yuta Shimotsu und Hauptdarstellerin Kotone Furukawa anwesend waren, hätte ich einige Fragen gehabt. Kennt ihr den Film? Wie hat er euch gefallen?

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