Serien-Besprechung: „Lost“ Season 6 (Rewatch)

Mein Mann und ich schauen „Lost“ – für ihn ist es das erste Mal, für mich das zweite. Inzwischen ist er so ungeduldig mit „Lost“ wie ich mit unserer anderen Serie, die wir gemeinsam schauen (Star Trek DS9). 😅 Eine Freundin schaut inzwischen auch mit und ist weitaus versöhnlicher als er. Nun sind wir am Ende angekommen und ich war gespannt, ob ich das Serienfinale immer noch so gut finde, obwohl es „da draußen“ nicht viel Liebe bekam. Die Besprechung enthält Spoiler für Staffeln eins bis fünf.

Das Ende der fünften Staffel hätte kaum dramatischer sein können. Während der Mann in Schwarz in der Gestalt Lockes (Terry O’Quinn) Ben (Michael Emerson) dazu angestiftet hat Jacob zu töten, ist unklar, was das für Folgen haben wird. Klar ist nur, dass damit die „Kandidaten“ für die Nachfolge Jacobs ins Augenmerk aller Eingeweihten rücken. Dazu zählen u.a. Jack (Matthew Fox), Sawyer (Josh Holloway) und Hurley (Jorge Garcia). Letzterer hat zumindest den Vorteil, dass er eh tote Menschen sehen kann. Und so auch noch die eine oder andere Botschaft Jacobs erhält. Während all dem scheint aber der Einsatz der Wasserstoffbombe vielleicht doch Auswirkungen auf die Zeitlinie zu haben? Wir hatten schon Flashbacks, Flash Forwards und offenbar nun Flash Sideways in etwas, das wie eine alternative Dimension wirkt, in der Oceanic Flug 815 nicht abgestürzt ist und tatsächlich einige Dinge anders laufen.

LOST – NEW SEASON 6 PROMO, Chris Smith, Youtube

Ob das nun wirklich so ist, erfahren wir im Laufe der Staffel. Zudem ist es denke ich nicht ganz verkehrt zu sagen, dass sich die Staffel in zwei Hälften spaltet. In der ersten sind alle in der Findungsphase. Ihr persönliches Drama und Finale ihrer Charakterreisen wird vorbereitet (und mehr auch nicht). Kate (Evangeline Lilly) versucht beispielsweise immer noch Claire zu finden, Sayid (Naveen Andrews) wird schwer verwundet und muss um sein Überleben kämpfen, Sun (Yunjin Kim) versucht Jin (Daniel Dae Kim) zu finden, usw. Zudem ist mit der Gruppe um Ilana (Zuleikha Robinson) auch noch eine Interessengemeinschaft hinzugekommen, deren Intention anfangs nicht klar ist. Die Serie nimmt sich leider in dieser Phase sehr viel Zeit vorzubereiten und alles erstmal komplizierter zu machen als es sein müsste. Viele unserer Protagonisten kommen in dem mysteriösen Tempel unter, in dem offenbar Dogen (Hiroyuki Sanada) das Sagen hat. Aber wie in alter Lost-Manier wird viel angedeutet und wenig gesagt. Deepen the mystery oder Zeit schinden, um bis zum Staffelfinale alles möglichst dramatisch werden zu lassen? Ich befürchte hier war beides gewollt, letzteres erreicht.

Was ich den Serienschöpfer:innen hier übel nehme ist, dass sie gerade aus Sayids Rolle machen, was sie machen. Seine Storyline fing in der ersten Staffel damit an, dass er viel auf seine Hautfarbe oder Herkunft beschränkt wird. Alleine deswegen gibt es Terrorismus-Stereotype und allerlei Rassismus, die alle wunderbar durch Sayids wirkliche Geschichte und wirkliches Verhalten weitaus grauschattierter dargestellt werden. In dieser Staffel nun bekommt er gesagt, dass seine Rettung ihn auch seines Selbst beraubt und angedeutet er sei jetzt einer von den bad guys. Das mag eine augenscheinliche Parallele auf seine Anfänge haben, in denen ihm auch oft die Bösewichtrolle aufgedrängt wurde. Fraglich ist nun, ob Sayid nachgibt und noch weiter nachgeben kann? Das Geschmäckle dessen ist fragwürdig. Ebenso fragwürdig wie nebulös alles um Dogen und den Tempel ist. Niemand spricht Tacheles und Hiroyuki Sanadas Talent wird verschwendet.

Nun habe ich ja schon mehrmals angedeutet, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen das Staffelfinale mag – also irgendwas muss daran ja gut gewesen sein? Ja. Wenn man Flash-Sideways grundsätzlich noch nicht satt hat, dann sind die hier schon ein ordentlicher Tränenzieher. Sie erzählen davon wie Jack mit der Vaterrolle hadert, wie Sawyer als Cop wäre und andere Storylines, bei denen ich mir oft gedacht habe: mit dieser alternativen Realität könnte ich gut leben. Vor Allem weil es mich gerührt hat wie oft sie in dieser Version mit ihrem jeweiligen, persönlichen Trauma gelernt haben umzugehen und ihr Leben zu leben. Das heißt nicht, dass sie alle nur glücklich sind und alles schick ist. Natürlich klopft die Vergangenheit manchmal an wie auch Zweifel. Aber es hat mich schon sehr gerührt diese Version zu sehen. Fast zu schön um wahr zu sein? 😉 Und dann gibt es auch noch einige Cameos und Auftritte bekannter Gesichter früherer Staffeln. Hach.

Davon abgesehen ist meines Erachtens nach die Storyline um Jacobs Nachfolge spannend. Die letzte Staffel von Lost räumt mit der Frage auf, was seine Rolle und die des Mannes in Schwarz ist. Durch den länglichen Aufbau all dessen mag das nicht für alle Zuschauenden die emotionale Wucht oder schicksalhafte Größenordnung einnehmen, aber es hat die Chance dazu, wenn sich endlich alle Handlungsfäden und Hinweise verdichten. Denn am Ende scheint es in Lost um überraschend viel zu gehen und die sechs Staffeln lange Reise in ein neues Licht zu rücken, wenn man bereit ist sich darauf einzulassen. (7/10)

Sternchen-7

Übersicht der Reviews zum „Lost“-Rewatch: Season 1 | Season 2 | Season 3 | Season 4 | Season 5 | Season 6

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So, das war es nun mit dem Rewatch! Alle Drei hier (mein Mann, eine Freundin, ich) haben das Finale mit Spannung erwartet, aber mit sehr unterschiedlicher Einstellung und Gefühlen. 😅 Ich bin noch die Antwort schuldig geblieben, ob mir Lost nach all den Jahren immer noch so gefallen hat wie früher. Wer das noch nicht aus den Reviews rausgelesen hat, diejenigen vertröste ich noch ein paar Tage bis ich ein Fazit zum Rewatch poste. Dieser Post ist Teil des Booleantskalenders 2024. Unter dem Link findet ihr alle Türchen, d.h. alle Beiträge aus der Vorweihnachtszeit. 🎄

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