Wenn ich zur ersten und zweiten Staffel sowas schrieb wie „die beste Serie, die ich dieses Jahr gesehen habe“, dann ist klar, dass die Erwartungen an eine dritte hoch waren. Zu hoch, als dass die Serie denen gerecht werden könnte? Die Besprechung ist spoilerfrei.
It ripped.
Während der zumindest emotional desaströsen Eröffnung des The Bear hat Carmen „Carmy“ Berzatto (Jeremy Allen White) ohne es zu wollen mit Claire (Molly Gordon) Schluss gemacht, Sydney (Ayo Edebiri) an dem so wichtigen Abend anders als versprochen allein gelassen und wird in der dritten Staffel sehr bald seine Beziehung zu Richie (Ebon Moss-Bachrach) dank heftiger Streits wieder auf den dysfunktionalen Status Quo zurücksetzen. Vielleicht erdet es die Gruppe dann von dem Tod von Marcus (Lionel Boyce) Mutter zu hören – es gibt gerade gewichtigere, schlimmere Dinge. Wer weiß wie es ansonsten für sie alle ausgegangen wäre? Nach dem Beben versucht Carmy weiterzumachen, indem er sich in die Arbeit stürzt. Er will das The Bear in Höchstgeschwindigkeit zum Sternerestaurant machen und vergisst dabei, dass Sydney doch eigentlich seine Partnerin in all dem sein sollte und er auf dem besten Weg ist ein ganzes Team abzuhängen, das eigentlich schon mal hinter ihm stand. Let it rip, der Slogan der Berzatto Geschwister, hatte noch nie einen so bitteren Beigeschmack.
Zwei Geburten und Beerdigungen?
Und das ist wortwörtlich zu nehmen. Nach der schwierigen Geburt des Restaurants, schaut man besonders nervös auf Sugar (Abby Elliott) und darauf, ob sie zwischen all dem Stress ihr Baby gesund auf die Welt bringt. Andererseits fragt man sich auch, wer auf die Idee kommt eine Hochschwangere … naja. No spoilers. Doch die Staffel stellt auch Geburt und Tod gegeneinander. Eine Beerdigung erklärt sich im Ableben von Marcus bis dahin pflegebedürftiger Mutter und stellt die Frage wie er weitermacht. Über die zweite Beerdigung soll hier geschwiegen werden, denn … no Spoilers. (Fies?) Nachdem also dankbarerweise einige Charaktere wie Sugar und Tina (Liza Colón-Zayas) zentriert werden, erdet sich The Bear auch wieder und erinnert an die in der fabelhaften zweiten Staffel begonnene Tradition ihnen gar für je eine Episode komplett die Bühne zu überlassen.
Tinas Geschichte erinnert daran, was es bedeutet nach Rückschlägen Chancen angeboten zu bekommen und die Härte des Arbeitsmarktes. Nach wie vor kommen mir darin Ebra (Edwin Lee Gibson) und Corey Hendrix als Gary „Sweeps“ Woods etwas zu kurz. Immerhin bekommt letzterer ein paar bedeutungsvolle Minuten. Was die Staffel auch fortsetzt sind die Traditionen namhafte Gaststars mühelos nebenbei auftreten zu lassen wie auch echte Chefs. Was ich super spannend finde ist wie viele von denen sogar mit Chicago, dem Schauplatz der Serie, verbunden sind. Die Sache ist nur die – das ist ja alles ganz schön, aber es mangelt am Ende doch am Wachstum der Charaktere und Fortschritt der Story.
Nachdem man sich zwei (jetzt drei) Staffeln lang das Geschrei und Gezanke angehört hat, fragt man sich unweigerlich: haben sie aber nichts daraus gelernt? Wenn zwei Geburten und Beerdigungen dabei nicht helfen, dann weiß ich auch nicht. Es mag eine Stärke der Serie sein, dass sie nicht versucht unter den Teppich zu kehren, dass es Konflikte gibt und Konflikte, die man nicht aus der Welt schaffen kann. Aber wir gucken die Serie nicht dafür, oder? Sondern um zu sehen, dass es gelingen kann. Wenn man sich entschuldigt. Wenn man den Mut aufbringt sich zu erklären. Wenn man versucht es richtig zu machen.
„It’s All About Nurturing.“
Komme ich zurück zur eingangs gestellten Frage, ob meine Erwartungen zu hoch waren, dann steht noch die Antwort aus. Nein, ich denke nicht. Nun bin ich ja ein erwachsener Mensch und weiß meine Erwartungen zu managen. Meistens jedenfalls. Manchmal auch erst im Nachhinein. Was das Team hinter The Bear macht ist Anlauf nehmen für die vierte und finale Staffel. Da wird hier natürlich erstmal alles schlimmer. Und dass sie diesen Ansatz wählen, kommt nicht von ungefähr. Sondern von hervorragenden Bewertungen einer ersten und zweiten Staffel, in der diese emotionalen Berg- und Talfahrten sehr viele Zuschauende mitgerissen haben. Never touch a running system, das ist eigentlich vorhersehbar. Das ist auch bedauernswert, da The Bear doch eigentlich eine mutige Serie ist.
Beim dritten Mal hilft halt auch nicht mehr die Ablenkung mit coolen Gaststars und Comic Relief durch die Familie Fak, um gänzlich darüber hinwegzutäuschen. Nagut, ein bisschen hilft es schon. Immerhin die sind ziemlich wholesome und versuchen alles zu kitten. Aber ich muss nicht so tun als ob: hätte ich die Staffel direkt nach dem Schauen bewertet, dann wäre ich nicht so gnädig gewesen. Da überwog die Enttäuschung. Vor Allem angesichts dessen, dass sie (wieder) mit einem mega Cliffhanger endet. Nun vier Monate später schaue ich auf die Staffel und finde die Talfahrt „kalkulierbar“. Immerhin bekommt Carmy am Ende der dritten Staffel die Gelegenheit mit einem Trauma abzuschließen und es bleibt diese Kelle an Realismus, die uns eben nicht so bereitwillig alle unsere Wünsche erfüllt. Weil so läuft das nicht, oder? Dafür muss erstmal viel getan werden. Ich finde aber wir sind jetzt soweit. Wir sehen uns wieder in der vierten Staffel. (8/10)
Übersicht der Reviews zu „The Bear“: Season 1 | Season 2 | Season 3 | Season 4 (air date unknown)
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Es sagt schon echt viel darüber aus, wenn Online-Magazine titeln „The Bear Season 4 Ending Update Makes Me Relieved …“ oder The Bear Is Not a Good Show. Nach zwei Staffeln guter Kritiken sind jetzt wenigstens alle gleich böse! Faszinierend. Ich bin allerdings auch erleichtert, dass die vierte Staffel die letzte sein wird. Ich glaube, wenn wir uns noch zehn Staffeln dieses Auf und Abs angeschaut hätte, dann wären meine Nerven entweder stählern oder nicht mehr existent. 😂Wie hat euch die dritte Staffel gefallen? Dieser Beitrag ist übrigens Teil des Booleantskalenders 2024. Unter dem Link findet ihr alle weiteren Posts der Vorweihnachtszeit.
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