Filmbesprechung „Qualia“ (Nippon Connection 2024)

Ein Film über Menschen und Hühner. Wie könnte ich da widerstehen? Ich bin auf dem Land aufgewachsen und Hühner sind das einzige Nutztier, das meine Eltern bis heute behalten haben. Hat mir „Qualia“ was Neues beigebracht? Vielleicht! 🐔 Die Besprechung ist spoilerfrei.

Yuko (Kokone Sasaki) arbeitet auf der Hühnerfarm ihres Mannes. Die gab es gratis dazu als sie in die Familie einheiratete. Besonders leicht hat sie es nicht. Ihr Mann Ryosuke (Kenta Kiguchi) ist ziemlich kühl zu ihr und ihre Schwägerin (Maya Kudamatsu) behandelt sie wie eine Leibeigene. Passenderweise hat Yuko ein Wesen, das man als zu freundlich und zu naiv bezeichnen könnte und lässt sich das alles gefallen. Ihr Mitgefühl gilt dem Huhn im Stall, auf dem die anderen rumtrampeln. Spätestens hier sollte einem aufgehen, dass alle Charaktere Eigenschaften von Hühnern haben und einer Hackordnung innerhalb der Gruppe folgen. Die wird ordentlich durcheinandergewirbelt als Ryosukes Geliebte (Ruka Ishikawa) auf der Türschwelle steht und einziehen will. Schließlich ist sie mit seinem Kind schwanger.

Qualia『クオリア』Official Film Trailer | Nippon Connection, NipponConnectionTV, Youtube

Der Film schafft es wie wenige andere Komik und Tragik zu vereinen, sodass sich beide Aspekte nicht gegenseitig etwas rauben. Qualia ist aber auch kein Film, bei dem man durchweg Gags erwartet und der zum Brüllen komisch ist. Es ist mehr eine Art ironischer und satirischer Humor wie sich Ryosukes Geliebte hin- und herwindet, damit ihre Lügen nicht auffliegen und versucht einen Platz in dem geordneten Hof zu ergattern. Oder wie man gespannt wartet, ob und wann jetzt Mal Yukos Geduldsfaden reißt. (Es gibt eine denkwürdige Szene recht früh im Film. 😉) Spätestens, wenn man die Hühner-Metapher entdeckt hat, fragt man sich, welchem der Hähne wohl der Hals rumgedreht wird? Denn das soziale Gefüge auf dem Hof wird immer dichter und brenzliger, desto mehr man über die Personen erfährt. Kann das nur in der Katastrophe enden? Ohne zu viel zu verraten: auf die eine oder andere Weise schon.

Trotz der schlauen Metaphern macht Qualia es einem nicht leicht und erklärt bei Weitem nicht, was in den Köpfen der Charaktere vorgeht. Warum spielt Yuko das Spielchen mit der einziehenden Geliebten mit? Liebt Ryosuke Yuko überhaupt? Warum plaudern die Klimaanlagen-Techniker so gern Familiengeheimnisse aus? Auf manches bekommen wir eine Antwort, manches irritiert sogar mehr nach dem einen oder anderen Twist. Für Leute, die honest talk mögen, ist es schwer zu ertragen wie sehr alle mit ihren echten Absichten und Gefühlen zum Wohle der Gemeinschaft hinter dem Berg halten. Denn es wäre vielen geholfen, wenn sie doch mal die Karten auf den Tisch packen würden. Nur wäre das natürlich nicht so unterhaltsam. 😉 Es ist also schon der 1000. japanische Film in dem Kommunikation geholfen hätte.

Überraschenderweise war für mich die grantig wirkende, im Rollstuhl sitzende Schwägerin der nachvollziehbarste Charakter und ich finde im Q&A nach dem Film wurde ihr etwas Unrecht getan. Sei’s drum. Am Ende gibt es ein bisschen magischen Realismus – und ja, auch der wird von den Hühnern auf die menschlichen Charaktere gespiegelt und führt zu einem Ende, das nicht so niederschmetternd ist wie ich es zwischenzeitlich erwartet hätte. Die Stimmung des Films und der emotionale Tumult der Personen ist ziemlich Rock’n’Roll.

Qualia (OT: クオリア), Japan, 2023, Ryo Ushimaru, 96 min, (7/10)

Sternchen-7

Übrigens ich bin auch gerade vorbeigelaufen, als Thomas von SchönerDenken und GetYourGenki ihre Meinung nach dem Film aufgenommen haben und durfte in die Aufnahme springen. Man merkt, dass ich das noch üben muss. Ich habe vollkommen vergessen zu sagen, was ich an dem Film nicht so sehr mochte und weswegen ich „nur“ 7/10 vergebe … naja, nächstes Mal wird’s runder. 😅 Es war sehr cool, dass ich mitmachen durfte. Kennt ihr den Film zufällig? Und was ist eure besondere Beziehung zu Hühnern? 😉

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