Seitdem die Serie angekündigt wurde, entwickelte ich eine innige Aversion … . Elementary – die US-Interpretation des Stoffs moderner Sherlock Holmes kann seit vergangenem Donnerstag, den 10.01. auf Sat.1 bewundert werden. War meine Abneigung gerechtfertigt? Eine kleine Analyse des Gesehenen.
Worum gehts?
In Elementary wird das Genie des fiktiven Detektivs Sherlock Holmes von London Ende 1800 in das heutige New York verlegt. Holmes wird verkörpert durch Jonny Lee Miller (bekannt aus u.a. Eli Stone). Wo Holmes ist, darf auch Watson nicht fehlen. Der Twist: Joan Watson wird verkörpert durch Lucy Liu (u.a. 3 Engel für Charlie, Kill Bill). Wir haben es also tatsächlich mit einer weiblichen Inkarnation von John Watson als Holmes Freund, Mitbewohner und Berater zutun.
Also wie sieht das Leben von Holmes und Watson im heutigen New York aus?
Sherlock war Berater von Scotland Yard, litt an Heroinsucht und lebte daher zuletzt in einer Entzugsklinik. Nun, da sein Aufenthalt dort beendet ist, wird ihm zur Unterstützung eine Sucht-Beraterin zur Seite gestellt: Joan Watson. Sie zieht bei ihm ein und beide hegen erstmal Argwohn gegen den anderen. So wird Watson mit Holmes Fähigkeiten zur Beobachtung und Schlussfolgerung konfrontiert und muss das erstmal verdauen. Wohingegen Holmes denkt, dass er keine Sucht-Patin braucht. Als Holmes bei Kriminalfällen zu Rate gezogen wird und Joan zwangsläufig überall mit hin muss, raufen sich beide zugunsten des Falls zusammen.
Der Titel ist Sherlocks Standardspruch „Elementar“ entliehen. Er äußert das Wörtchen Elementary immer dann, wenn ihm etwas besonders einleuchtend erscheint.
Woher kommt meine Aversion?
1. Übersättigung. Es gibt aktuell bereits einige andere Umsetzungen des Stoffs auf dem Markt.
Da wären beispielsweise Dr. House, auch wenn die Serie vor kurzem abgeschlossen wurde. Guy Ritchies Sherlock-Filme mit Robert Downey Jr. konnten wir in den letzten Jahren auch im Kino und TV begutachten. Bleibt noch BBCs Sherlock-TV-Serie mit Benedict Cumberbatch und Martin Freeman zu nennen. Musste es denn wirklich noch eine Variante geben?
2. Déjà-vu? Nein. Es gibt aktuell bereits eine Serie die einen modernen Sherlock Holmes zeigt.
In BBCs Serie Sherlock beobachten wir seit 2010 wie Benedict Cumberbatch als Sherlock Holmes und Martin Freeman als Watson London (un)sicher machen. Sherlock ist consulting detective und seine Methoden sind auch im hier-und-jetzt angekommen. Er googelt fleißig, tippt kryptische SMS und hängt am Laptop – dank moderner Technik und des WWW recherchiert er in Rekordzeit. Seine Fälle bespricht er nicht selten in seinem Blog und abhängig ist er von … Zigaretten! Watson hingegen war Militärarzt im Afghanistan-Krieg und hat zum einen ein Trauma zu bewältigen, zum anderen schlichtweg Langeweile. Beide treffen sich, werden Mitbewohner und für beide beginnt eine bessere Zeit. Watsons Trauma verabschiedet sich wie von selbst und Sherlock findet das erste Mal in seinem Leben (?) Freunde.
Bestechende Merkmale der Serie sind Sherlocks nicht vorhandene emotionale Kompetenz. Obwohl man eher sagen muss, dass er gerne ignoriert, dass er Menschen verletzen könnte und oftmals sehr harrsche Methoden wählt. Sein Hirn braucht außerdem dringend Arbeit – er wird sehr ungemütlich (und lustig für Zuschauer), wenn ihm langweilig ist. John Watson ist sein Gegen- und Ruhepol. Er übersetzt zwischen Sherlock und den Mitmenschen und glättet nicht nur einmal die Wogen. Schnelle Schnitte reißen den Zuschauer mit, Details erscheinen im Zoom und Schlüsselwörter werden eingeblendet. Holmes Gedankenwelt wird stets visualisiert, sodass man als Zuschauer immer auf dem Laufenden ist und die vom viktorianischen ins moderne Zeitalter portierten Geschichten lassen einen nicht los!
Die britische Serie erfreut sich großer Beliebtheit und wurde mit Preisen geradezu überhäuft. Tausende Fans warten gerade auf die 3. Staffel. Und ich zähle dazu – warum brauchen wir einen modernen Sherlock in New York? Das BBC-Gespann ist GENIAL!
Warum gibt es denn dann Elementary?
Das weiß der Fuchs.
Vermutlich ist es ein weiterer Versuch auf den Zug aufzuspringen, solange Sherlock Holmes gerade für die breite Masse in ist. Außerdem ist es ja eine amerikanische Abart schlichtweg ein Remake einer sehr erfolgreichen Serie oder eines Films zu machen. Ich denke da nur an Remakes von Oldboy oder Willkommen bei den Sch’tis. Auch sehr zeitnahe Remakes sind keine Neuheit, siehe Spiderman.
Tatsächlich ist CBS an BBC herangetreten und hat das Remake angekündigt, wie man u.a. bei ScreeRant nachlesen kann:
‚Sherlock‘ producer warns CBS: we will protect our series (legally)
Wie ist Elementary? Kurzreview.
Kurz gesagt: ich würde Elementary mit Sicherheit mögen, wenn es BBCs Sherlock nicht gäbe. Elementary ist eine gute Serie aber nicht überdurchschnittlich gut – Sherlock hingegen meines Erachtens nach schon.
Sowohl Jonny Lee Miller, als auch Lucy Liu und alle anderen Darsteller sind keine Abziehbilder oder Kopien, sondern Originale. Insbesondere Johnny Lee Miller zeigt einen intelligenten und exzentrischen Sherlock. Lucy Liu betreibt nicht gerade Overacting – sie macht meiner Meinung nach zu wenig. Holmes Verhalten nur mit einem ausdruckslosen Blick zu strafen hat ein, zwei Mal Situationskomik aber insgesamt ist es irgendwie zu wenig.
Die Fälle beinhalten weit weniger Handlung und knifflige Twists als in der Vorlage. Da ich alle Folgen von Sherlock fast auswendig kenne, kann ich wahrscheinlich nie komplett objektiv an die Sache rangehen. So erscheinen mir doch hin und wieder Bestandteile kopiert: der schräge Einrichtungsstil, sogar die Art und Weise wie der Elementary-Sherlock seinen Schal trägt.
Zwei Aspekte, die ich schätze und interessant finde: Durch die weibliche Watson wird es evtl. auf andere Art und Weise mal interessant zwischen Holmes und Watson: Liebe oder Liaison? Und zum anderen mag ich es, dass Joan Watson bereits ab der ersten Folge immer einen entscheidenden Hinweis zur Lösung des Falls lieferte, was bei Sherlock manchmal untergeht. Dennoch kommt die Serie nicht an die Genialität von Sherlock ran, aber es ist keine schlechte Serie und man sollte der Sache eine Chance geben.
In der Rubrik Serienlandschaft betrachte ich in unregelmäßigen Abständen die verschiedenen Kuriositäten die uns in der Flimmerkiste begegnen.
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