Neulich im Kino … Review zu „Mr May und das Flüstern der Ewigkeit“

Bereits am 4.9. startete dieser Streifen – etwas später habe ich ihn in einem Indie-Kino gesehen. Das war zauberhaft, traurig … und anders als erwartet.

Worum gehts?

Mr. May (Eddie Marsan) ist Sachbearbeiter beim Bestattungsamt (ja das gibt es wohl wirklich). Seine Aufgabe ist es zu ermitteln, ob kürzlich Verstorbene Menschen Angehörige haben und diese über den Tod in Kenntnis zu setzen. V.A. aber auch sich um die Bestattung derer zu kümmern, die niemanden haben. Dabei ist Mr. May weitaus engagierter als er müsste – wenn es nach seinem Chef geht. Er sucht nämlich wochenlang nach Angehörigen, betreibt manchmal sogar etwas Detektivarbeit, führt Akten über die Fälle und versucht der Bestattung eine besonders würdevolle Note zu geben, indem er für die Verstorbenen passende Musik raussucht, eine Rede schreibt, etc. Dann plötzlich wird er aber gefeuert. Trotz allem läßt er es sich nicht nehmen seinen letzten Fall zu bearbeiten: den von Billy Stoke, einem Mann der genauso allein wie Mr May selbst lebte, sogar direkt gegenüber.

Hintergrund

Tatsächlich musste ich diesen Film nicht nur wegen des bewegenden Trailers schauen, sondern wegen Eddie Marsen. Vielleicht klingt das jetzt im ersten Moment nicht so toll, aber er ist vielleicht sowas wie der ewige Nebendarsteller. Das ist nicht abwertend gemeint – es ist einfach so. Hancock, Sherlock Holmes, Drecksau, The Worlds End, wir alle haben ihn schon in der einen oder anderen Rolle gesehen und erahnt, dass der viel kann. Mir ist er besonders als grantiger Fahrlehrer in Happy-Go-Lucky und aus seiner Rolle in Drecksau in Erinnerung geblieben. Und ich habe mir schon früher immer gedacht: „Wann hat er mal die Hauptrolle?“ Jetzt. Und deswegen musste ich diesen Film sehen. Ja gut, der wunderschöne Trailer hat natürlich auch einen großen Anteil daran. Und vielleicht auch Joanne Froggatt, die hier in einer Nebenrolle zu sehen ist und in Downton Abbey einen meiner Lieblingscharaktere (Anna) verkörpert. Wissenswert, aber für mich kein Kriterium: der Regiesseur Uberto Pasolini hat u.a. Ganz oder gar nicht und Bel Ami verbrochen.

Fazit

Der Trailer täuscht. Der Originaltitel nicht. Schaut man den Trailer, könnte man vermuten schon das Ende des Films zu kennen. Tatsächlich gibt es aber noch viel mehr zu entdecken und die Handlung entwickelt sich anders als hier suggeriert wird. Das ist eigentlich ein Plus, oder? Nicht so vorhersehbar. Tatsächlich ist es so, dass der Film sehr viel stiller, langsamer, melancholischer – ja auch regelrecht traurig ist. Deswegen sagte ich, dass der Originaltitel gut passt (Still Life). Schnell wird nämlich klar, dass Mr. May selber eine sehr einsame Person ist, der es regelrecht verlebt hat zu leben. Seine Entwicklung und was die Kündigung in ihm auslöst ist ein sehr langsamer – aber kein langweiliger – Prozess. Mr. Mays Leben wird oft in dialogarmen Szenen gezeigt, die perfekt einen Eindruck dessen vermitteln wie Mr. May ist. Das fühlt sich teilweise ziemlich nach Arthouse an, ist aber okay. Auch wenn die Handlung dann etwas mehr Tempo durchaus hätte vertragen können. Marsan und Froggatt sieht man gerne zu. Ihre unaufgeregten Leistungen kommen von innen und berühren sehr. Im ersten Moment wirkt die szenische Umsetzung vielleicht etwas gewöhnlich – eigentlich ist es aber die zweite große Stärke des Films. Die manchmal fast banal wirkenden Kameraeinstellungen (viele Totalen) fangen die ab und zu kuriosen Szenen doch gut ein, die Requisiten und Ausstaffierung der Wohnungen bspw. liefern ein passgenaues Bild ab wie die Leute so ticken. Und bei der visuellen Umsetzung war man noch viel genauer: wer aufpasst wird belohnt. Wo einen Splatterfilme und Liebesschnulzen kalt lassen, trifft es mitten ins Herz wie Mr. May beginnt aus sich herauszugehen und man die verschwendeten Jahre erkennt, in denen er ein tristes Leben geführt hat. Der sehr leise Humor tut sein übriges. Mit den Nebendarstellern bin ich aber nur so mäßig zufrieden. Gegen Marsan und Froggatt fallen ihre Leistungen stark ab. Was mich aber am meisten erschüttert hat ist wie traurig der Film ist. Am besten nicht an einem schlechten Tag schauen. Oder dann gerade? Schwer zu sagen.

(7/10)

Sternchen-7

Na – aus welchem Film kennt ihr Eddie Marsan? 🙂 Ist euch „Mr May“ an den Kinokassen oder in der Filmvorschau aufgefallen oder eher untergegangen? Habt ihr ihn vielleicht sogar gesehen und wenn ja wie hat er euch gefallen?

6 Antworten

  1. Ich habe ihn zuletzt in der Serie „Ray Donovan“ gesehen. Hammer! Unbedingt schauen.
    Danke für die Empfehlung, werde mir den Film auf jeden Fall ansehen!

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt mir die Serie demnächst anzuschauen – krass, ich wusste gar nicht, dass er dort auch mitwirkt! 😀 Danke für deinen Kommentar

  2. Ich habe Mr. May gesehen! Und obwohl ich einen weniger melancholischen Film erwartet hatte (ich hatte mich extra möglichst wenig informiert), war ich begeistert. Auch ich fand die Hauptdarsteller super (ich wusste vorher gar nicht, dass Joanne Froggatt mitspielt), ich mochte aber auch die Balance aus Humor und Tragik, mit der das Thema Einsamkeit behandelt wird. Überhaupt die Idee, mal einen Blick auf diese Menschen zu werfen, die wirklich niemanden haben (ich frage mich nach wie vor, wie sowas zustande kommt, das konnte mir der Film nicht so richtig beantworten, obwohl er sich ja schon Mühe gegeben hat). Und die Schlussszene hat mich richtig berührt.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Yay, noch jemand der den Film gesehen hat 😀 Ging mir aber genauso … ich habe nur den Trailer gesehen und hatte den Eindruck, dass der Film eher noch ein bisschen optimistischer und lustiger werden würde. Das mit der Einsamkeit hat mich regelrecht etwas mitgenommen und ich habe angefangen mich zu fragen, was überhaupt hierzulande mit Menschen passiert, die niemanden haben.
      So ungewöhnlich finde ich das gar nicht, dass es Menschen gibt, die nur für sich sind. Dass Mr May praktisch zu ihnen gehört … das hat mich dann doch erstaunt. Haben sie denn so gar kein Bedürfnis mit anderen Menschen zu interagieren, sich auszutauschen, aus der Einsamkeit auszubrechen?
      Das Ende hat mich auch sehr berührt. :'(

      1. Ich wollte gerade sagen: ich kenne niemanden von der Sorte – aber da hat jemand nicht nachgedacht… Ja, was passiert hierzulande eigentlich, wenn jemand ganz alleine stirbt? Gibt es da wirklich eine Stelle, die nach Angehörigen sucht – oder wird man einfach ohne viel Federlesen in irgendeiner Behörde ins Regal gestellt? Ich fürchte ja fast Letzteres.

        1. Avatar von Miss Booleana
          Miss Booleana

          Keine Ahnung … der Film hat in mir so eine Urangst geschürt, dass irgendwann, wenn ich mal alt bin, keine Familie und keine Freund mehr da sind … das Aufrütteln der etwas anderen Art.

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