Inhalt
Im Manga Opus steht der Hauptcharakter und Mangazeichner Chikara Nagai kurz davor seine Geschichte zu beenden und das Schicksal einiger seiner Charaktere zu besiegeln. Kaum, dass er die Seite mit dem Schlüsselpunkt der Handlung gezeichnet hat und den Charakter Rin im Manga in den sicheren Tod schickt, taucht dieser in seiner Zeichnerwerkstatt auf, klaut die Seite und verschwindet im Manga. Nagai wird mit in die Welt hineingezogen und sieht sich mit den Charakteren konfrontiert, die er zuvor durch die Hölle geschickt hat und die das Gelinde gesagt furchtbar finden. Und er begegnet einem Bösewicht, dem er übermenschliche Kräfte gegeben hat. Und die sind gar nicht mehr so fiktiv, wenn man ihm erstmal gegenübersteht.
Hintergrund
Satoshi Kon ist der Regiesseur, kreative Kopf und Drehbuchautor von Anime-Meisterwerken wie Perfect Blue, Millennium Actress und Paprika. Dass er das character design wesentlich geprägt hat und auch Manga gezeichnet hat, wusste ich zwar, habe aber bisher keinen von ihm gelesen. Für mich als bekennenden, glühenden Fan seiner Animefilme war es daher eine große Sache, als hier ein Werk von ihm erschien: OPUS.
Der Manga erschien von 1995 bis 1996 in einem japanischen Manga-Magazin, das allerdings eingestellt wurde. Daher erlebte auch der Manga ein frühzeitiges Ende und konnte nicht fertiggestellt werden. Als einen vorgezogenen Abschluss hat Kon aber ein letzte Kapitel hinzugefügt, dass der Geschichte ein unerwartetes aber sehr smartes Ende beschert. Ich war damit sehr zufrieden und kann jedem nur raten sich von der Meldung nicht abschrecken zu lassen. Nun erschien Opus auch in Deutschland, abgeschlossen in 2 Bänden. Der Umstand, dass der Manga aber vorzeitig beendet bzw. abgebrochen werden musste, hat auch einen bitteren Beigeschmack. Zum Einen weil der Hauptcharakter Chikara Nagai ja offensichtlich auch so seine Probleme hat seinen Manga abzuschließen – interessante Parallele. Eigentlich geht der Spruch anders, aber man muss schon sagen: das Leben schreibt seltsame Geschichten. Der nächste bittere Umstand ist der, dass Satoshi Kon 2010 an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb. Er hat die Nachricht über seine Erkrankung nur ein halbes Jahr zuvor erhalten und die Krankheit geheim gehalten und sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, weswegen die Meldung für viele sehr überraschend kam. Daher wurde sein letztes Werk, der Anime Yume Miru Kikai (in etwa: Traummaschine) nie beendet.
Meinung
Opus ist schon ein kleiner Schatz. Zwar ist die Idee nicht neu einen Manga über Mangazeichner zu schreiben und auch nicht der Umstand, dass ein Kreativer seinen geschaffenen Helden begegnet, aber Opus erzählt das alles so rasant, charmant und kreativ, als ob es einem so vorkommt, als ob er all diese Idee geboren und zur Vollendung geführt hätte. Wie? Was? Gab es jemals ein anderes Medium in dem ein Autor seinen Figuren begegnet? Habe ich vergessen. Soviele Motive werden aufgegriffen, beispielsweise Figuren die nach dem Vorbild realer Personen geschaffen werden. Oder auch die unbeschriebenen Kapitel: gehen Charaktere von den bekannten Wegen in Nebenstraßen, die der Autor bis dahin nicht gezeichnet hat, sind sie nur schlecht ausstaffiert und grob skizziert. Er hat sie eben noch nicht erfunden. Das leere Blatt bekommt eine besondere Rolle. Und dann gibt es die Momente in denen der Zeichner realisiert, was für eine Macht er bestimmten Charakteren gegeben hat, wie übel er anderen mitgespielt hat. Oder auch, dass er von seiner schöpferischen Macht Gebrauch macht. Mangazeichner werden in Japan Mangaka genannt, das steht für manga no kamisama. Manga-Gott. Der Hauptcharakter wird nicht umsonst als solcher bezeichnet: immerhin wandelt er durch eine Welt, die er erschaffen hat.
Satoshi Kons Zeichenstil wirkt sehr realistisch. Wie aus seinen Anime bekannt macht er keinen Gebrauch von riesengroßen Kulleraugen, sondern bleibt bei sehr realistischen Proportionen. Das und der nicht allzu große Umfang des Manga machen ihn zu einem Tipp für Manga-Einstieger. Satoshi Kon ist für mich ein Virtuose auf seinem Gebiet, der Stil erinnert an gute alte Mangazeiten (und das ist positiv gemeint). Er hat traditionell (nicht digital) gearbeitet. Sehr detailliert, routiniert, dynamisch – aber ohne viel Firlefanz. Er beschränkt sich bei seinen Panels (Bildausschnitten) auf das wichtigste. Wenn Hintergründe da sind, sie sie virtuos und detailverliebt. Er verzichtet auch zuviel Pomp, verwendet nur wenige Rasterfolien. Und doch ist die doppelt ausgearbeitete Welt zum Greifen nah. Die Geschichte ist sehr rasant und in manga-üblichen kurzen aneinandergereihten Kapiteln erzählt und sprüht nur so vor kreativen Ideen, die einen von einer Überraschung in die nächste stürzen. Großer Tipp.
Fazit:
Ein wunderbares Andenken an Satoshi Kon, ein Liebeslied an Kreative, ein schöner Einstieg für Manga-Neulinge und ein kleiner Schatz für Mangaliebhaber.
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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