Nach dem sehr manga-lastigen Freitag auf der Buchmesse, ging mein Aufenthalt in die Verlängerung. Am Samstag standen weniger in Stein gemeißelte Programmpunkte auf dem Plan, sondern mehr … machen worauf ich gerade Lust habe. 🙂
Haiku-Workshop
Und ich hatte Lust auf einen Haiku-Workshop. Als Japanfan begegnet einem der Begriff nicht selten und ich wollte mich schon immer mal damit beschäftigen. Was sind Haiku? Wie funktionieren die? Aber sobald ich angefangen habe irgendeine schlaue Internetseite zu lesen, war ich sofort gelangweilt. Umso schöner, dass der Haiku-Workshop um einiges spannender war. Klaus-Dieter Wirth, einer der Vorstände der Deutschen Haiku-Gesellschaft hat ohne viel Schischi innerhalb einer halben Stunde die Form und den Geist der japanischen Gedichtform erklärt. Damit ihr einen Eindruck bekommt: es ist ein idR dreizeiliges Gedicht, dass sich nicht zwingend reimt. Es folgt dem Muster 5-7-5, heißt: die erste Zeile besteht aus etwa 5 Silben, die zweite aus 7, usw. Der Inhalt ist etwa zweigeteilt und der vollkommene Sinn erschließt sich meistens in einem Wortspiel oder Kniff erst zum Ende des kurzen Gedichts. Wir haben das an vielen Beispielen demonstriert bekommen und das hat ziemlich viel Spaß gemacht. Beispiel gefällig?
Hast du so sehr geweint?
Nach zwanzig Jahren Abschied
Regnet es noch.
(Franz Blei, Ivan Goll)
Jetzt traue ich mich auch mal selber welche zu schreiben oder es zumindest zu versuchen. 🙂 Haiku wirkten auf mich schon immer sehr poetisch und geerdet – nicht zuletzt wegen des Bezugs zur Natur. Davon abgesehen habe ich auch die mir bis dahin unbekannten Haiga kennengelernt: ein Haiku, das aufwendig illustriert wurde. Wer sich jetzt ‚warmgelesen‘ hat und gerne mehr kennenlernen möchte, kann ja mal einen Blick auf die Haiku der NY Times schauen. Die treffen zwar nicht meinen persönlichen Geschmack, aber sind auch interessant, weil sie Bezug zum aktuellen Zeitgeschehen nehmen.
Kai Meyer liest aus „Seiten der Welt“
Kai Meyer kam plötzlich irgendwoher und schrieb wahnsinnig viele Bücher. Die Besprechungen seiner Seiten der Welt besiedelten die Buch-Blogosphäre und irgendwann habe ich mich gefragt, ob ich eigentlich die letzte bin, die noch nichts von ihm gelesen hat? Die Neugier trieb mich zur Lesung in allerbester ‚Den gucke ich mir mal an‘-Manier und um zu entschieden, ob ich doch mal was von ihm lese. Außerdem gab es leider wenige Lesungen oder Termine mit Autoren, die ich verfolge (von Sarah Kuttner mal abgesehen). Bisher sprachen mich die Inhaltsangaben wenig an. Als er dann aus dem letzten Band seiner Seiten-der-Welt-Trilogie gelesen hat, fand ich den Typ ganz sympathisch. Er hat gut die Begriffe seiner erdachten Welt erklärt, sodass man als Zuhörer auch mitkam, wenn man die Vorgänger nicht kennt. Allerdings ist es mir doch einen Hauch zu einfach von Feuerbällen und Energiewellen zu hören. Ein bisschen zu Fantasy, ein bisschen zu Young Adult für meinen Geschmack. Zu guter letzt hat er dann noch die Bombe platzen lassen, dass ihm die Welt die er für diese Büche geschaffen hat, zu schade ist, um sie schon aufzugeben. Er sagte, dass er es aber für unwahrscheinlich hält, dass die Trilogie fortgesetzt wird. Wahrscheinlicher ist eine neue Trilogie. Das kam mir, Fans jetzt bitte weghören, sehr konventionell vor und hat auf seltsame Weise meine Freude an der Lesung geschmälert. Auf der einen Seite kann ich mir vorstellen wie ungern man eine Welt loslassen will, die man bis in die hintersten Gassen mit Leben und Ideen gefüllt hat. Auf der anderen Seiten ist gerade das Format der Trilogie, der immer wiederkehrenden Prequels und Sequels und parallelen Storys etwas ausgelutscht. Aber für die Fans der Reihe war das sicherlich eine tolle Nachricht. Er verkündete außerdem, dass am 27. Januar sein neues Buch Die Krone der Sterne erscheint, das eine Science-Fiction Geschichte wird.
Und sonst so?
Einer meiner ersten Anlaufpunkte am Samstag war das Projekt Europa 21, bei dem man sich inmitten der sonst eher lauten Messe mit Kopfhörern abschotten konnte. Dabei hörte man die Geschichte einiger Asylsuchenden. Die Leipziger Buchmesse nimmt meistens Bezug zum aktuellen Zeitgeschehen. Auch mit Projekten, die nicht zwingend mit Literatur zutun haben, aber zum Beispiel mit Leipzig. Denn die Asylsuchenden, die gesprochen haben, kamen in Leipzig unter. Leider hat sich nicht jeder Besucher des Sitz-Rondells die Zeit genommen die Kopfhörer aufzusetzen, aber wenn dann hätte ihnen die Erkenntnis was u.a. Syriern in ihrer Heimat widerfahren ist vielleicht die Tränen in die Augen getrieben so wie mir. Wie glücklich wir sein können, dass wir über eine Buchmesse laufen und uns fragen können, welches Buch wir heute kaufen wollen und zu welcher Lesung wir gehen anstatt zu befürchten, dass unser Haus weg ist, wenn wir wiederkommen. Ich stelle mir gern vor, dass solche Aktionen einem den Lebensstandard den man genießen darf etwas bewusster machen und ging mit einem anderen Gefühl über die Messe als ich ursprünglich gekommen bin. Wer sich übrigens fragt wie die Messe so am Samstag ist – ungefähr so sieht das aus:
Kleiner Scherz 😉 In der Fantasy-Ecke ist es tatsächlich etwas zu eng, aber man kann auf der Messe am Samstag schon noch treten. Nur eben langsam. Sehr langsam. Zwischendurch habe ich noch einmal die liebe Kathrin getroffen. Neben einer entspannten Mittagspause mit guten Gesprächen, habe ich mich in das Getümmel geworfen und ein bisschen geshoppt. Die Ausbeute sieht nicht groß aus. Für mich ist es die Graphic Novel Love geworden und mutig wie ich bin habe ich mit Band 2 angefangen. Wegen dem Fuchs. Natürlich. Außerdem durfte David Mitchells Die Knochenuhren mit, wobei ich am liebsten 20 Bücher gekauft hätte. Die Wunschliste und To-Read-Liste ist jetzt prall gefüllt. Außerdem konnte ich mich nicht beherrschen und habe in Halle 1 eben doch noch zugeschlagen bei Plüschis und Sailor Moon Figuren. Ein Blanko-Buch durfte auch mit, für die gibts immer einen sinnvollen Zweck 😉 Ansonsten bekommt man natürlich zig Leseproben und Poster und und und zugesteckt, die ich euch aber hier erspare.
Große Messe, kleine Veränderungen
Never touch a running system. Die Leipziger Buchmesse ist eine Instanz und dementsprechend geht sie vorsichtig mit Veränderungen um. Aber Trägheit muss man ihr nicht vorwerfen, es tut sich was. Dieses Jahr war es nicht viel, aber spürbar. Zum Einen bekam die Messebuchhandlung ein Design-Update und besteht jetzt aus einem freieren, größeren Areal mit einer großen Leseinsel in der Mitte. Man ist nicht mehr zwischen vielen Regalen eingepfercht und es wirkt offener und weniger klaustrophobisch. Das mag ich sehr. Eine Sicherheitsmaßnahme des letzten Jahres erlebte auch ein Comeback. Undzwar der Umstand, dass viele Zugänge bei hohem Besucheraufkommen nur in oder aus den Hallen führen statt in beide Richtungen. Ich bezweifle, dass das Konzept bei einer echten Massenpanik noch funktionieren würde. Soll es das überhaupt? Ich weiß es nicht. Die meisten sind davon eher genervt, denke ich. Diesmal gab es aber auch Wege die direkt ins Freie und zu den anderen Hallen führten. Dabei musste man über ein Gerüst und eine Treppe nach außen, dass wackeliger aussah als es tatsächlich war. Fühlte sich aber stark nach Provisorium an. Spätestens seit letztem Jahr ist bei Veranstaltungen bei denen viele Menschen zugegen sind auch etwas Angst dabei. Tatsächlich habe ich Polizisten am Samstag über die Messe laufen sehen und am Einlass wurden einige Taschenkontrollen gemacht. Es war alles insgesamt nicht so präsent, dass es unangenehm gewesen wäre und letztendlich bin ich froh, dass sich scheinbar jemand Gedanken darüber macht. Sehe ich aber die Menschenmassen die insbesondere am Samstag da sind, dann gruselts mir vor einer echten Massenpanik.
Das LBM-Feeling
Menschenmassen, Subkulturen und Kaufrausch hin oder her, was bleibt sind die glücklichen Gesichter. Schön, dass sich soviele Menschen an einem Ort treffen und so etwas geerdetes wie Literatur feiern. Schön, die glücklichen Gesichter der Cosplayer zu sehen, die die Welt um sich herum vergessen, während sie irgendwie rumturnen oder rumliegen und für Fotos posen oder freudestrahlend mit ihrer Mutter durch die Gänge huschen „Meine Mutti macht heute auch Cosplay“. Die Leipziger Buchmesse hat ein irgendwie familiäres Feeling. Vielleicht weil ich so gut wie jedes Jahr da bin? Ich kann nicht mal schätzen wie oft ich schon da war. Aber ich schätze die Andersartigkeit und Selbstverständlichkeit mit der Leipzig zulässt, dass sich die Generationen und Geschmäcker treffen. Der eine guckt Literarisches Quartett, die andere liebt ihre Manga und möchte uuuunbeediiiingt die Zeichnerin treffen. Warum nicht? Leipzig ist ziemlich locker, das habe ich dieses Jahr so sehr gemerkt wie in keinem anderen.
Wart ihr auf der Buchmesse? Und wenn ja wie hat sie euch gefallen? Meidet ihr den überlaufenen Samstag oder sagt ihr euch ‚jetzt gerade‘? Was habe ich großartiges auf der Messe verpasst?
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