Die singende Lehrerin hat wieder zugeschlagen und fragt uns diesmal nach 10 unbekannten oder unbeliebten Filmen. Das heißt Filme, die in der Grauzone verschwinden. Nicht für das Mainstream-Publikum geeignet, aber von Kritikern auch nicht sonderlich geliebt oder von Filmfans unbeachtet geblieben. Das ist ziemlich schwierig dieses Mittelding zu finden. Der unbeachtete, gute Film. Ich habe mich mal rangetraut. Und dafür meine IMDB-Liste an bisher bewerteten Filmen durchgeblättert. Und das ging gar nicht mal so schnell. Mitmachen könnt ihr noch bis zum 11. Juni – schaut mal in den Originalartikeln, da stehen noch ein paar Hinweise um welche Filme es geht, und um welche nicht (beispielsweise keine Guilty Pleasures).
Die Reihenfolge ist nicht wertend.
Lunchbox
Der Film spielt in Indien und handelt von zwei von der Liebe enttäuschten Menschen, die auf unkonventionellem Weg zusammen geführt werden. Undzwar über Lunchboxen. Die werden in Indien von Dabbawala zuhause abgeholt und in die entsprechenden Firmen gebracht. Klang für mich anfangs unvorstellbar, dass das gut funktioniert, aber es ist in der Realität ein hochgelobtes System. Wie auch immer: im Film wird die Lunchbox falsch ausgeliefert. Der zurückgezogene Saajan (Irrfan Khan) bekommt die Lunchbox eines Kollegen, dessen Frau Ila (Nimrat Kaur), sie jeden Tag für ihn zubereitet. Obwohl sie sich extrem viel Mühe gibt, beachtet ihr Mann aber weder das Essen, noch die Frau und als die Lunchbox falsch zugestellt wird, merkt er es nicht mal. Saajan und Ila beginnen sich aber über die leeren Lunchboxen Briefe zukommen zu lassen. So entsteht eine unverkitschte, von der Realität eingeholte Liebesgeschichte, die von verpassten Chancen im Leben erzählt und die Sinne des Zuschauers anspricht. Man meint den Dampf in Ilas Küche zu spüren und die Gewürze zu schmecken. Ein großartiger Liebesfilm der anderen Art, den mehr Leute kennen sollten. Ist auch weitaus weniger kitschig als das Poster vermuten lässt. Mehr über Lunchbox.
Red Lights
Red Lights ist im Mainstream-Kino quasi total untergegangen, wurde auch von Kritikern nicht übermäßig geliebt, ist aber für mich einer der besten Mystery-Filme, den das Kino in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Die Wissenschaftlerin Prof. Margaret Matheson (Sigourney Weaver) und ihr Assistent Tom Buckley (Cillian Murphy) entlarven paranormale Vorfälle, Möchtegern-Wahrsager und Séancen. Dabei sind sie heimlich auf der Suche doch noch ein Wundern zu erleben. Ihren Endgegner finden sie im Medium Simon Silver (Robert De Niro), der scheinbar nicht zu enttarnen ist. Hat er wirklich Fähigkeiten? Plötzlich geschehen seltsame und bedrohliche Dinge im Umfeld der Wissenschaftler. Kritiker meinten, dass der Film wenig Neues hervorbringt und man doch die ganze Zeit ahnt, worauf es hinausläuft. Aber ich empfinde den Film mit seinen multiplen Twists gar nicht als so enorm vorhersehbar. Das spannendste ist doch immer noch das Entdecken, Beweise sammeln, Vermutungen anstellen. Und sich mal kurz gewaltig schocken lassen. Auch die Charakterentwicklung kommt nicht zu kurz, zumindest bei unseren Wissenschaftlern. Für mich ein richtig gutes Gesamtpaket. Mehr über Red Lights.
Millennium Actress
Seufz. Warum etablieren sich gute Anime nicht mehr im Mainstream-Kino? Es ist so, als würden sich die Vorurteile nicht abbauen, obwohl Filmfans schon längst entdeckt haben wie breit gefächert das japanische Animationskino ist. (Oder meinetwegen das Animationskino allgemein.) Geht es um Filme des großartigen, leider zu früh verstorbenen Satoshi Kon, denke die meisten an Perfect Blue oder Paprika. Millennium Actress aber erzählt die Geschichte einiger Reporter, die die berühmte Schauspielerin Chiyoko Fujiwara interviewen wollen. Als sie beginnt aus ihrem Leben zu erzählen, deckt sie ihre lebenslange Suche nach diesem einen Mann auf, in den sie sich als junges Mädchen verliebte und aus den Augen verlor. Dabei verwischen die Zeitgrenzen und man folgt ihr durch ihr Leben, als auch durch die Rollen, die sie im Laufe ihres Lebens spielte und lernt dabei verschiedenste Etappen der japanischen Geschichten kennen. Das ist soviel, so kunstvoll und technisch so smart verbunden – und dann auch noch rührend, also ich weiß nicht, was man mehr will. 🙂 Für mich vielleicht einer der perfektesten Filme, die je gemacht wurden. Mehr zu Millennium Actress.
Another Earth
Ein Low-Budget-Film, dem man das schmale Budget erstens nicht ansieht und bei dem es zweitens auch um soviel spannendere Dinge geht als um Budget. Die Prämisse des Indie-Films: es gibt einen zweiten Planeten Erde. Der scheint ein perfektes Duplikat der Erde zu sein, d.h. es gibt uns möglicherweise auch dort ein zweites Mal. Stundenlang sieht Rhoda (Brit Marling) zu dem Planeten hinauf und fragt sich, ob Rhoda auf der anderen Erde ihr Leben besser bewältigt hat. Rhoda ist betrunken gefahren und hat eine Familie ausgelöscht. Nur der Familienvater hat überlebt. Als sie beschließt ihn aufzusuchen und geplant wird, jemanden zu bestimmen der zur Erde 2 fliegen darf, wird eine Kette an Ereignissen losgetreten, die unser Moralgefühl ganz schön in Mitleidenschaft zieht. Mike Cahill wurde mit Another Earth zum Rockstar des Indie-Films und das zu recht. Another Earth ist ein Sci-Fi-angehauchtes Drama, das eine Tragödie auf dunkle, aber auch einfühlsame Art erzählt. Man muss nur die langsame Erzählform abkönnen. Aber es ist so ein Film bei dem was bleibt, nachdem man ihn gesehen hat. Fragen, Gedanken, Spekulationen – beschäftigt nachhaltig. Mehr zu Another Earth.
Die Königin und der Leibarzt
Ein Kostümfilm! Und ein Liebesfilm! Man kann sagen, dass Die Königin und der Leibarzt eine ziemlich konventionelle Mischung zu sein scheint. Aber die Geschichte vom Deutschen Johann Friedrich Struensee (Mads Mikkelsen), der Berater des dänisch-norwegischen König Christian VII (Mikkel Boe Følsgaard) wird und eine Affäre mit der Königin Caroline Mathilde (Alicia Vikander) beginnt, kann mehr. Sie erzählt von den Bestrebungen Struensees das politische Geschehen aus dem Hintergrund zu lenken. Außerdem erzählt sie wunderbar langsam und angenehm die verzweifelte Affäre zwischen der Königin und dem Leibarzt, die wie im goldenen Käfig zu leben scheinen. Von Kritikern wurde der Film mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Die einen lobten ihn über den Klee, die anderen hielten das Kostümdrama für zu einfach und vorhersehbar. Obwohl es auf wahren Begebenheiten basiert. Fakt ist, dass der Film dem breiten Publikum bisher verschlossen blieb und auch für einen 20:15-Uhr-Primetime-Spielfilm noch zu indie ist. Mehr zum Film.
Third Star
In Deutschland war dem einfühlsamen Drama kein Kinostart vergönnt, sondern eine Direct-to-DVD-Veröffentlichung, leider! Eine Gruppe von Freunden plant einen Roadtrip zur britischen Küste für James (Benedict Cumberbatch), der im Begriff ist den Kampf mit dem Krebs zu verlieren. Auf dem Roadtrip klopfen sie mächtig Sprüche, tragen alte Streitigkeiten aus, haben unendlich viel Spaß – das alles kommt so echt und ehrlich beim Zuschauer rüber, dass ich den Film nur wärmstens empfehlen kann. Und für Cumberbabes ist der Film sowieso Pflicht.
I, Origins
Mike Cahill, mein Held, da ist er wieder. Diesmal mit einer Regiearbeit, die sich schwer in Worte fassen lässt ohne dabei irgendwas zu verraten. Sagen wir mal so: es geht um einen Wissenschaftler, der den Ursprung des Sehsinns erforscht und dabei revolutionäre Entdeckungen macht. Es sind auch die Augen auf einer Werbetafel, die ihn zur der Liebe seines Lebens führen, die er auf tragische Art und Weise verlieren wird. Und viele Jahre später sind es wieder die Augen, die alles auf den Kopf stellen, woran er geglaubt hat. I, Origins erfordert ein bisschen Geduld, hat aber wie Mike Cahills vorhergehende Regiearbeit ein spannendes Konzept und wirft Fragen auf, die noch lange nach dem Film beschäftigen und Fragen über die Wissenschaft, den Glauben und die Seele zu Tage fördern. Eine Indie-Perle. Mehr zu I, Origins.
Der Geschmack von Rost und Knochen
Ali (Matthias Schoenaerts) und Stéphanie (Marion Cotillard) könnten kaum unterschiedlicher sein. Sie hat durch einen grausigen Unfall ihre Unterschenkel verloren und hat sich schon aufgegeben. Er ist Türsteher, Freizeitboxer und schert sich zwar genug um seinen Sohn, um ihn von seiner verlotterten Mutter wegzuholen, aber nicht genug um ihn, um seinen Lebensstil zu ändern. Wie ausgerechnet die Beiden zueinander finden und das Leben des jeweils anderen verändern ist abseits von jeglichem Kitsch. In manchen Szenen würde man sich wünschen, dass es etwas kitschig werden würde. Vielleicht ein bisschen Ziemlich beste Freunde mit Liebe und so, aber der Film bleibt hart und unemotional wie Ali. Oder wie das Leben, je nachdem. Und das macht den von Kritikern gemochten, aber von der Masse eher unbeachteten Film zu einem genreübergreifenden Mittelding, das zu überraschen weiß und einem bewusst macht, wieviel Menschen aushalten können, wenn sie müssen und wenn sie wirklich wollen. Mehr zum Film.
Like Father, Like Son
Asiatische Filme verzichten oftmals auf viel Pomp und bleiben sehr auf dem Boden der Tatsachen. (Oder sie sind knallbunte Effektgewitter, aber lassen wir das … .) Dieser Realismus ist wahrscheinlich für westliche Zuschauer oft etwas zu nüchtern und unglamourös und knallt nicht so laut, aber die Geschichten können viel. Hirokazu Koreedas Film erzählt eine Geschichte, die man schon tausend Mal im Vorabendprogramm in schlechten Billigproduktionen gesehen hat. Zwei Familien stellen fest, dass ihre Kinder bei der Geburt vertauscht wurden. Statt den kleinen Rangeleien des Vorabendprogramms versuchen die Familien das tatsächlich zu bewältigen und das wirkt so ehrlich, realistisch und berührend, dass alle lauwarmen Versuche die Geschichte in der Vergangenheit zu erzählen vergessen sind.
Solaris (2002)
Ein Wissenschaftler wird auf eine Raumstation nahe dem Planeten Solaris geschickt, auf der seltsame Dinge vor sich gehen. Er bemerkt, dass die Crew scheinbar in den Wahnsinn getrieben wird. Als seine verstorbene Freundin plötzlich quicklebendig an Bord der Station vor ihm steht und wie aus dem Nichts auftaucht, versteht er auch warum. Steven Soderbergh hat sich des Stoffs von Stanisław Lem angenommen und einen Film geschaffen, der an den Kassen floppte und nicht mal vom Author gemocht wurde. (Warum, wieso, weshalb kann man hier nachlesen.) Dabei empfinde ich Solaris als einen einfühlsamen Film mit einem richtig coolen Look, der uns wieder moralisch etwas auf die Probe stellt, spannende Fragen stellt und die Chronik einer gescheiterten Beziehung erzählt, die jeder nachempfinden kann, der schon Mal geliebt hat. Warum ist der Film nur so gefloppt?
Honourable Mentions
Es gibt da noch so ein paar Kandidaten, die ich hier gern untergebracht hätte, aber die irgendwie doch nicht passten. The Double beispielsweise. Eins nehme ich gleich vorweg: The Double ist auch für mich ein unbeliebter Film. Der ist so deprimierend und pessimistisch, dass ich ihn wahrscheinlich nicht ein zweites Mal gucken werde. Aber er ist tatsächlich so irre gut gemacht, dass ich ihn hier irgendwie nicht ignorieren kann. Aber so richtig empfehlen möchte ich ihn auch nicht. Was für ein Dilemma. Falls ihr mehr darüber wissen wollt, bitte hier entlang. So richtig witzig sind die Filme ja nicht, die ich hier vorgeschlagen habe. Aber Komödien gehen immer gut. Es gibt nicht viele, die untergehen oder die niemand mag oder ganz unbemerkt bleiben. Zuerst wollte ich noch Die Ferien des Monsieur Hulot nennen. Hulot ist scheinbar ein Vorfahre von Mr Bean, nur nicht ganz so peinlich. Aber seine Slapstick-Abenteuer sind nur heute unbeachtet, früher waren die Hulot-Filme wohl extrem bekannt. Es gibt so einige tolle Filme, die mal gut gingen, aber irgendwie von der Zeit geschluckt wurden. So auch Der Mann ohne Gesicht. Die Geschichte eines Jungen, der sich als Außenseiter fühlt und Nachhilfe bei einem als Außenseiter gebrandmarkten Lehrer nimmt. Tolle, herzerwärmende Geschichte. Ach ich könnte noch ewig so weitermachen …
Welcher Film, der unbeachtet oder unbeliebt ist, kommt euch sofort in den Sinn? Für welchen Film plädiert ihr, obwohl ihm andere nicht soviel abgewinnen können? Und welcher Film abseits des Mainstreams hat eurer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit verdient? Jetzt mal unter uns: seid ihr auch manchmal missionarisch unterwegs und versucht eure Freunde oder Familie von Indie-Perlen zu überzeugen? Und wie ist eure Erfolgsquote? Schaut doch mal bei den Beiträgen der Bloggerkollegen vorbei, die mit Sicherheit im Ursprungsartikel der singenden Lehrerin verlinkt sind. Ein bisschen Zeit um teilzunehmen habt ihr ja noch.
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