Vor kurzem habe ich noch gelesen, dass Penny Dreadful um mindestens eine weitere Staffel verlängert wird und sogar grünes Licht für eine fünfte bekommt. Und dann flimmerte in Übersee das Finale der dritten Staffel über die Bildschirme und wir bekommen was ganz anderes zu hören: Penny Dreadful endet nach der dritten Staffel. Was? Warum? So plötzlich? Und tatsächlich: als ich neulich Netflix einen Besuch abstatte und das Staffelfinale suchtete, stand dort: The End. Damit geht eine weitere Lieblingsserie, nachdem letztes Jahr Hannibal verabschiedet werden musste und auch Downton Abbey. Traurig! Wie das Staffelfinale, dass sich als Serienfinale entpuppte war, möchte ich heute – natürlich spoilerfrei kundtun, hoffe aber ihr diskutiert das gesehene etwas mit mir. So many feels. Übrigens: nicht spoilerfrei für Staffel eins und zwei. As usual.
„Penny Dreadful Season 3 (2016) | Official Trailer | Eva Green & Josh Hartnett SHOWTIME Series“, via Penny Dreadful (Official Youtube Channel)
https://www.youtube.com/watch?v=gCFABhWtqVc
Am Ende der zweiten Staffel hat Vanessa (endlich) von ihrer Fähigkeit Gebrauch gemacht und Madame Kali (Helen McCrory) aus dem Weg geräumt. Der Showdown forderte aber Opfer und hatte viele bittere Folgen. Am Ende der Staffel trennten sich die Wege von Vanessa (Eva Green), Ethan Chandler (Josh Hartnett) und Sir Malcolm Murray (Timothy Dalton). Vanessa blieb zurück in London, während sich die anderen beiden den Geistern ihrer Vergangenheit stellten. Das hat nur mäßig gut funktioniert. Sir Malcolm erkennt seinen Fehler bald und auch Ethan Chandler kommt von einer Zwangslage in die andere als er von Police Inspector Bartholomew Rusk (Douglas Hodge) vors Gericht gestellt werden soll. Vanessa selber bleibt als gebrochene Gestalt zurück, vegetiert vor sich hin, von der Welt verlassen. Ferdinand Lyle (Simon Russell Beale) findet sie eines Tages in einem desolaten Zustand vor und rät ihr zu einer Psychologin zu gehen. Dr. Seward (Patti LuPone) entpuppt sich als das perfekte Ebenbild von Joan Clayton. Und hier wiederholt sich die Geschichte für Vanessa auf schmerzliche Weise. Kaum, dass sie guten Willen zeigt und ihre Mauern verlässt um sich einer Therapie bei Dr. Seward zu unterziehen, spürt sie, dass ihr etwas gefährliches bedrohlich nahe kommt.
Und das hat es in sich – ich behaupte mal, dass der Zuschauer seit Staffel eins auf den Auftritt dieses Gegenspielers wartet. Aber auch die anderen Nebenhandlungen die quasi mit einer Reise angefangen haben, nehmen einen anderen Ausgang als zuerst erwartet. Calibans (Rory Kinnear) Neustart außerhalb von London bricht er ab, als er plötzlich Erinnerungen an sein früheres Leben hat. Er fährt zurück, sucht seine Familie und hofft Frieden zu finden. Währenddessen tritt ein alter Bekannter in Victors (Harry Treadaway) Leben: sein Kollege Dr. Jekyll (Shazad Latif). Der hat eine Entdeckung gemacht, die Victors Interesse weckt: ein Serum, dass zorniges und manisches Verhalten unterdrückt. Victor versucht immer noch einen Weg zu finden, ’seine Lily‘ (Billie Piper) zurückzugewinnen, die zusammen mit Dorian Grey (Reeve Carney) Rache an der Menschheit ausüben will und versucht für ihren blutigen Pfad andere Prostituierte zu rekrutieren.
Die Reise auf die sich fast alle Charaktere außer Vanessa begeben haben, ist für fast alle voller leerer Versprechungen gewesen oder ist schneller verpufft als man ‚piep‘ sagen kann. Vanessa selber ist von der Welt verlassen zurückgeblieben – ein schwieriger Start für eine Staffel. Nach der zweiten Staffel hatte man doch erwartet, dass Vanessa sich ihrer Kräfte bewusst geworden ist und diese akzeptiert und versucht zu kontrollieren. Stattdessen verfällt sie in eine üble Lethargie und verkommt regelrecht in ihren vier Wänden. Wieder einmal lehrt uns Penny Dreadful, dass unsere inneren Dämonen verdammt stark sind. Ihr Ausflug in psychiatrische Behandlung beschwert uns aber immerhin ein Wiedersehen mit Patti LuPone, die wieder einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Da Dr. Seward Vanessas Zustand und ihre ‚Wahnvorstellungen‘ vom Teufel und der sich nähernden dunklen Bedrohung als sehr stark erachtet, rät sie zu einer Hypnose. Dank dieser Sitzungen gehen wir zurück in die Zeit in der Vanessa in der geschlossenen Anstalt Patientin war. Eine explosive Mischung: Dr. Seward glaubt nicht an Vanessas Fähigkeit, die Besessenheit und den Teufel, der nach ihrer Seele trachtet. Aber was Seward mit Vanessa erlebt, rüttelt an ihrem Wissen über die Welt und was sie im innersten zusammenhält. Und Vanessa? Durchlebt wieder die Hölle. Das Leben scheint lebensfeindlich für Vanessa zu sein. Ein Paradox. Aber was die Sitzungen zu Tage fördern, ist herb. Und erleuchtet den Zuschauer. Denn dort begegnen wir einem alten Bekannten. Ein erzählerisch sehr wertvoller Moment, der zeigt wo das starke Band zweier Charaktere herkommt. Dr. Sewards Ratschläge wie Vanessa ins Leben zurückfindet führen sie ins Museum, wo sie den charismatischen Dr. Sweet (Christian Camargo) kennenlernt und langsam wieder aufblüht. Vanessas ewiger Kampf: das Leben auf der einen Seite, die Bedrohung in den Schatten lauernd.
Während Vanessas Geschichte am Anfang funktioniert und später für Stirnrunzeln sorgt, ist es bei allen anderen Charakteren andersrum. Anfangs wirken die einzelnen Erzählstränge und die Reisen der Charaktere sinnlos. Ethan Chandlers Vergangenheit wird auf sehr zerfaserte Weise näher beleuchtet. Sein leiblicher und sein Ziehvater und die Konflikte die er mit beiden hat. Zwischendurch zieht es ihn sogar fast zur dunklen Seite dank des überflüssigsten Charakters aller Zeiten – Hecate (Sarah Greene). Das alles wirkt wie eine unnötige Verzögerung, eine zu hastig erzählte Geschichte, die eigentlich viel länger hätte sein müssen, um Sinn zu machen. Die Frage ist: besinnt er sich um und kehrt zusammen mit den anderen rechtzeitig zu Vanessa zurück, bevor das Böse sie erreicht? Viele Geschichten der Charaktere sind letztendlich ein Dead End – Ethans ist nur ein Beispiel. Aus der Figur des Dr. Jekyll und der Catriona Hartdegan (Perdita Weeks) wird herzlich wenig gemacht und Ferdinand Lyle tritt viel zu wenig auf. Auch Victors Geschichte ist zwar tragisch, aber hat wenig Ergebnisse. Die einzige Nebenhandlung die überzeugt und rührt ist die von Caliban in der Rory Kinnear brilliert. Warum also gebe ich der Serie fast die Höchstpunkt wenn all das so schlecht geschrieben wirkt?
Weil es nicht per se schlecht geschrieben ist. Es ist ein bisschen wie das echte Leben – du fährst los ein neues Portemonnaie zu kaufen und verlierst dein altes. Das ist schon blöd genug, bis dir auffällt, dass du das neue jetzt auch nicht bezahlen kannst. Der Vergleich hinkt, ja. Aber er illustriert worauf ich hinaus will. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Letzten Endes haben sich tatsächlich alle Charaktere weiterentwickelt und eine Reise in ihre Vergangenheit gemacht. Nur Vanessa bleibt dabei auf der Strecke, die so verletzlich ist wie nie. Das Drama der Charaktere ist enorm vereinnahmend. So erfahren wir beispielsweise Kapitel aus Brona/Lilys Vergangenheit, die erschüttern. Als Victor ihr später gegenübertritt und sie mit Jekylls Serum zu einer ‚proper woman‘ machen will, gefriert selbst den härtesten Zuschauern das Blut in den Adern. Denn jeder hat begriffen, dass eine proper woman nicht der Definition irgendeines Mannes folgt und schon gar nicht Lily, die sich auf einem Rachefeldzug gegen Männer befindet, die sie ihr ganzes Leben lang wie Dreck behandelt haben. Die starken Charaktere, darunter v.A. einige starke Frauen, verblüffen. Das ganze wird mit großartigen, überbordenden Kostümen, Kulissen und Ideen gewürzt, sodass mein Ärger über dieses und jenes verfliegt. Den apokalyptischen Showdown im pestilenzartigen Nebel durchzogen von China Towns roten Lampions werde ich so schnell nicht vergessen. Auch bei historischen Bezügen, ist die Serie vorn mit dabei. Tennyson, Suffragetten, Sansibar. Und poetische Zeilen. Die Serie zeigt uns soviele verwundete Kreaturen, soviele zornige und verzweifelte Biester mit soviel Menschlichkeit, dass ich gerne vergesse wie wenig sinnvoll mancher Ausflug für die Handlung war und was dieses Western-Intermezzo sollte. Penny Dreadful Season 3 hatte keine gute Prämisse, macht aber was richtig gutes daraus. Es wird bitter und traurig und gruselig und apokalyptisch. Sie zeigen uns die Biester in all ihrer Menschlichkeit. Warum sich aber Vanessa letztendlich für die Seite entscheidet, die sie wählt, geht nur sehr schwer in meinen Kopf. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Das Ende ist düster. Trotz all der Mitstreiter, trotz all der Bemühungen und des langen Kampfes, gibt es manchmal doch kein Happy-End.
(9/10)
„It is not now as it hath been of yore;—
Turn wheresoe’er I may,
By night or day,
The things which I have seen I now can see no more.“
(Auszug aus „Ode on Intimations of Immortality from Recollections of Early Childhood“, William Wordsworth)
Wann wart ihr zuletzt so hin- und hergerissen zwischen dem was ihr euch für eine Serie gewünscht habt und was letztendlich auf der Mattscheibe zu sehen war? Übrigens habe ich die ganze Zeit überlegt, woher mir Christian Camargo als Dr. Sweet so bekannt vorkommt, nur um dann erst beim Schreiben des Artikels zu merken, dass er Rudy aus Dexter ist. 😉 Wie hat euch die Staffel gefallen und findet ihr ein frühes Ende besser als eine in die Länge gezogene Serie? Auch wenn die Serie noch viel Stoff zu bieten gehabt hätte?
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