Wie schon in meiner Rezension der ersten Staffel angekündigt, muss ich über die Serie reden. Ohne diesen Rededrang, gäbe es wohl auch meinen Blog nicht. Es gibt so viele Aspekte dieser Serie, über die ich sprechen muss und ich wette es gibt da draußen noch einige, denen es genauso geht 😉 Dafür habe ich mir dieses Plätzchen hier ausgesucht, v.A. um die Review der Serie spoilerfrei zu halten. In dem Sinne … wer die Serie noch nicht gesehen hat, sollte sich den Spaß nicht verderben.
„The OA Main Theme – Rostam Batmanglij“, via Bence Simon (Youtube-Channel)
Die Serie traut sich ganz schön was …
Als erstes muss ich mal meine Bewunderung ausdrücken (falls man es in meiner Review nicht schon gemerkt hat). Ich finde es großartig wie andersartig die Serie ist und sich in unserer zynischen Welt Motiven wie Glaube, Wundern, dem Jenseits und so vielen kontroversen Themen widmet. Wer an irgendetwas glaubt, wird oft mit Religion oder Esoterik verbunden und das wiederum wird von vielen mit Altertümlichkeit, Spinnerei und Gutgläubigkeit assoziiert. Leider geht es noch weiter. Religion wird wegen Fundamentalisten und Extremisten und nicht zuletzt auch durch die Geschichte mit Gewalt und Terror verbunden. Es ist nicht einfach das Thema anzuschneiden, es macht schnell Leute wütend. Ein anderes kontroverses Thema ist Amoklauf. Etwas, dass in den USA ein sehr sensibles Thema ist und flächendeckend gemieden wird. Oder kennt ihr viele Filme, die sich des Stoffs widmen oder sogar versuchen zu erklären wie es bei Einzeltätern dazu kam? Wo sich doch normalerweise auf jedes brisante Thema gestürzt wird? Ein verstecktes Motiv der Serie ist wie Leute wie Steve missverstanden werden und man ihnen das Gefühl gibt, dass sie Abschaum sind. Letzten Endes ist es aber Steve, auf den man sich konzentriert hat, während offensichtlich ein anderer noch viel mehr vom System fallen gelassen wurde. Wie Jugendliche aufwachsen und behandelt werden ist ein sehr unterschwelliges Thema und zumindest ich deute die ganze Serie so, dass wir ein bisschen Glaube in unserem Leben brauchen. Damit meine ich nicht zwingend eine Religion. Sei es der Glaube an Werte, an eine Form der Spiritualität, an das Schicksal oder meinetwegen an Wahrheit und Aufrichtigkeit. Irgendwas brauchen wir. Und das ist die Botschaft, die ich The OA entnehme, die mich auch sehr berührt hat. Betrachtet man das, ist es vielleicht auch gar nicht so wichtig wie man das Ende deutet. Einer der Gründe, warum ich für die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten offen bin.
Die letzte Folge
Jaaaaa – kommen wir zu dem Knackpunkt. Während die Serie die ganze Zeit über Prairies Geschichte sehr down-to-earth erzählt und einen glauben lässt, dass das alles so passiert ist und keine Zweifel einbaut, gibt es in der letzten Folge eine Wende als French die Bücher unter Prairies Bett findet und Zweifel aufkommen, ob sie sich nicht alles ausgedacht hat. Ab jetzt gibt es zwei Deutungsmöglichkeiten, die beide Sinn machen. Eine ist, dass Prairie nicht gelogen hat und alles so passiert ist. Die Bücher lagen vielleicht unter ihrem Bett, weil sie selber über Engel und Nahtoderfahrungen etwas nachgelesen hat und hoffte darin Antworten zu finden. Die andere Deutungsmöglichkeit ist, dass sie gelogen hat. In dem Fall wären die Namen und esoterisch anmutenden Details den Büchern entnommen. Sie hat vielleicht einfach etwas gesucht, um sich selbst zu therapieren und aus einer grausamen Erfahrung wie sieben Jahre Gefangenschaft eine für sie selber akzeptable Geschichte zu schaffen und mit irgendjemandem reden zu können. Dass sie plötzlich wieder sehen kann ist genauso schwer erklärbar wie andere Details. Gab es schon Mal jemanden, der nach einem heftigen Schlag auf den Kopf wieder sehen konnte? Klingt nach einer BILD-Schlagzeile, aber andererseits wäre es eine ’nicht-übersinnliche‘ Erklärung für ihre plötzliche Genesung. Diese Nuss ist auch hart zu knacken: woher wusste Prairie, dass in der Schule eine Schießerei stattfindet? Vielleicht wusste sie es nicht wirklich. Vielleicht wollte sie einfach raus aus ihrem Haus und zu ihren Freunden. Obwohl ich merke, dass mir die Erklärung selbst nicht gefällt. Vielleicht bin ich doch mehr ein Fan von dem Gedanken, dass OA nicht gelogen hat.
Mit diesen beiden Deutungsmöglichkeiten kann man aber zumindest fast alles erklären, was wir in der Serie gesehen haben. Das ist schon Mal ein Zeichen für eine verdammt gut komponierte Serie. Schaut man sich speziell das Ende an, dann könnte man einerseits vermuten, dass die fünf Movements tatsächlich das Tor in eine andere Dimension geöffnet haben und Prairie irgendwie Kontakt zu Homer aufgenommen hat. Die andere Deutungsmöglichkeit ist, dass sie im Krankenhaus aufgewacht ist und Homer nicht wirklich gesehen hat, sondern einfach desorientiert seinen Namen gesagt hat. Vielleicht sogar selber in der Hoffnung ihn zu sehen und ihrer Blase zu leben, in der sie etwas besseres erwartet als Interviews, Zeitungsartikel und die Psychatrie. Was glaubt ihr?
Es gibt aber einige Aspekte, die für das Deuten nicht unwichtig sind. Was hatte beispielsweise der FBI-Ansprechpartner Elias Rahim (Riz Ahmed) in Prairies Haus zu suchen? Er begegnet dort French, der gerade Prairies Bücher gefunden hat. Darauf kann ich mir noch gar keinen Reim machen – ihr? Im Internet wird zahlreich darüber spekuliert, dass er die Bücher sogar dort hingelegt haben könnte, um Prairie als Spinnerin darzustellen.
„Majical Cloudz – Downtown (Official Video)“, via Majical Cloudz (Youtube-Channel)
Brauchen wir eine zweite Staffel?
Interessanterweise ist es gerade diese Begegnung, die mich an eine zweite Staffel glauben lässt und weswegen ich vermute, dass es da noch viel Geschichte zu erzählen gibt. Wären da nicht diese kleinen Hinweise in der sonst so gut durchdachten Staffel, dann würde ich fast sagen, dass man keine zweite Staffel brauch. Das Ende ist offen und wirft viele Fragen und Zweifel auf, aber prinzipiell funktioniert es sowohl als genialer Staffel-Cliffhanger, als auch als Ende der Serie. In dem Fall würde es die Zuschauer zum diskutieren bringen, was nicht übel ist. Und jeder könnte sich seine Lieblingsversion zusammen-interpretieren. Wie seht ihr das? Ein Teil von mir wünscht sich, dass es weiter geht, ein anderer hat Angst vor einer hanebüchenen zweiten Staffel. Es wird nicht einfach beide Varianten der Deutungsmöglichkeiten weiter zu bedienen. Andererseits frage ich mich, ob Buck und French nicht ein hübsches Paar abgeben würden. Und dass sich Prairie und Homer treffen könnten … Fangirling-Modus aus.
Welche Fragen haben euch noch bewegt? Was haltet ihr für wahrscheinlich? Wie habt ihr die Serie empfunden? Meine Sicht auf die Dinge klingt vorrangig positiv, wobei die Serie ja nicht einer gewissen Dramatik entbehrt und noch viel mehr Raum für Spekulationen bietet. Nicht selten habe ich mich gefragt, ob Harps Engel-Aquarium nicht irgendwelche Schwachstellen hat und man nicht hätte ausbrechen können? Abgesehen davon gibt es ja noch eine ganze Menge an anderen Sichtweisen. Beispielsweise konzentriert sich dieses Youtube-Video auf die Schüler-Lehrer-Beziehung, ein anderes (übertreibt aus meiner Sicht) widmet sich dem Symbolismus auf einem sehr … krassen Level, wobei ein Artikel zwar einige seltsame Theorien enthält, aber auch über Rachel ein paar Punkte nennt, die mir nicht aufgefallen sind. Wer sich auf Youtube nach Stoff rund um die Serie umschaut, findet natürlich auch die fünf Movements. Ich habe mich gefragt wie schnell die auf Youtube nachgetanzt werden, aber die Frage erübrigte sich, es gibt schon zig Videos. Da ich finde, dass die Serie ziemliches Kult-Potential hat, habe ich erwartet, dass die Popkultur vielleicht ein wenig damit infiziert wird. Ich denke, dass es aufgrund der Serien-eigenen Mythologie um NDE, OA, Engel, Movements einem world-building sehr nahe kommt und sich schnell verbreiten könnte. Aber das Thema scheint doch sehr speziell zu sein. Der Esoterik-Aspekt hat, wie man hier und da nachlesen kann, doch eher mehr Kritiker als Freunde. Oder die Freunde melden sich einfach nicht zu Wort.
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