Vor zwei Monaten habe ich angefangen die Welt H.P. Lovecrafts in der Hörbuchreihe ‚Bibliothek des Schreckens‘ zu erkunden. Der Fund war zwar relativ zufällig, aber inzwischen ist es eine Tradition und ich warte mit dem Weitermachen meistens nur auf neues Audible-Guthaben 🙂 Inzwischen bin ich mir ziemlich sicher, dass es die richtige Wahl war die Hörbücher zu hören, statt die lovecraftschen Geschichten zu lesen, da die Athmosphäre gesprochen besser bei mir rüberkommt. Ich denke rein sprachlich könnten die Erzählungen nicht die Gänsehaut hervorrufen, die sie eigentlich verursachen sollten, da ich kein Fan der Sprache der vergangenen Jahrhunderte bin. Nachdem ich das letzte Mal mit Necronomicon – Horrorgeschichten von H.P. Lovecraft, dem achten Buch der Hörbuch-Reihe aus dem Hause LPL Records, einen Sprung gemacht habe, wollte ich mich jetzt wieder in der Reihenfolge der Hörbücher bewegen und mache mit dem zweiten Teil weiter: ‚Der Schatten über Innsmouth‘.
Der Schatten über Innsmouth ist eine in der Form eines Berichts verfasste Geschichte eines jungen Wissenschaftlers, der zu Studienzwecken reist und dabei auf den Ort Innsmouth stößt. Ein ehemals reicher und viel besuchter Industriestandort an der Küste, der im Laufe der Zeit seinen Glanz verloren hat und dahinsiecht. Leute aus den umliegenden Gemeinden reden dabei so schlecht über den Ort und dessen Bewohner, dass den namenlosen Erzähler die berufliche Neugier packt und er beschließt Innsmouth einen Besuch abzustatten. Mit Erschrecken muss er feststellen, dass die Geschichten über die glotzäugigen und irgendwie degeneriert wirkenden Bewohner stimmen. Das was die Leuten von ‚draußen‘ den Innsmouth-Look nennen, ist keine Übertreibung und Verhöhnung der Bewohner gewesen, sondern Fakt. Außerdem scheint keiner so recht mit ihm reden zu wollen und alle begegnen ihm mit großem Misstrauen. Er hat das Gefühl, dass die Bewohner ihre Familien wegsperren und hört von einem seltsamen Kult mit ganz eigenen Artefakten, einer eigenen Kirche, etc. die in Innsmouth ‚Gesetz‘ ist. Als er mit einem alten Seefahrer redet, erfährt er das Geheimnis von Innsmouth, bringt sich in große Gefahr und den Stein ins Rollen der zum Aufdecken dessen führt, was in Innsmouth sein Unwesen treibt.
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Kurzum: Das Hörbuch Der Schatten über Innsmouth habe ich als extrem spannend empfunden. Während in den beiden Hörbüchern, derer ich mich vorher gewidmet habe (Der Cthulhu-Mythos und Necronomicon – Horrorgeschichten von H.P. Lovecraft) nur Kurzgeschichten von H.P. Lovecraft (teilweise eben auch etwas wahllos) aufgegriffen wurden, war es eine schöne Abwechslung eine längere, zusammenhängende Erzählung zu hören. Und ja: auch das beherrschte Lovecraft. Allerdings war es auch nicht verkehrt insbesondere den Cthulhu Mythos vorher gehört zu haben, denn Dagon wird in Der Schatten über Innsmouth erwähnt und die Erzählung fügt sich somit richtig gut mit meinem (bisher wenigen) Vorwissen zusammen. Aber es geht auch ohne. Das ist das schöne am Lovecraft-Universum. Die Hinweise auf das Necronomicon und die Großen Alten sind da, stets der Grundstein für eine grausige Erzählung, aber es braucht nicht mehr als ein paar Brotkrumen, um zu einem großen Ganzen zu führen. Wobei man über das große Ganze wenig bis nichts wissen muss, um der Erzählung zu folgen. Und in diesem Fall wurde die Erzählung auch wieder grandios vorgetragen. Lutz Riedel kennt man als die Stimme von Timothy Dalton und er erzählt sehr ruhig, aber atmosphärisch und unaufgeregt. Gerade auf dem richtigen Level um einerseits den Wandel des Erzählers einzufangen, seine Entdeckungen, aber auch die bis dahin etwas lange Erkundung Innsmouths. Neben Joachim Kerzel und David Nathan wird er für mich wahrscheinlich einer der besten Sprecher der Reihe. Apropos: die Beiden sind auch wieder mit von der Partie. Joachim Kerzel spricht den Seefahrer, von dem der Erzähler erfährt was in Innsmouth abgeht. Außerdem beinhaltet das Hörbuch auch noch eine von Nana Spier (u.a. deutsche Stimme von Drew Barrymore) gelesene Erklärung über Deutung und Grundgedanken von Der Schatten über Innsmouth und was das Werk inspiriert hat. So lernt man beispielsweise, dass Lovecraft das fiktive Innsmouth höchstwahrscheinlich an Newburyport, Massachusetts angelehnt hat.
Ebenfalls interessant sind auch die Schilderungen und Analysen, in denen im Hörbuch erklärt wird, dass Lovecraft öfter auf das Motiv der Degeneration und Transformation zurückgreift. Insbesondere auch was die urbane Degeneration betrifft, die ehemalige Wirtschaftswunder-Standorte wieder zu Geisterstädten werden ließ, wenn langsam der technische Fortschritt oder einfach Wandel in der Geschichte die Industrie oder das Handwerk der Orte überflüssig gemacht haben. Oder wie im Falle von Innsmouth Epidemien die Stadt lahmlegten und ausweideten. Lovecraft macht aus diesen unausweichlichen demografischen Wandeln einen sehr expliziten Horror, ich möchte fast sagen einen „Zivilisations-Horror“. Eine Deutung, die sich mir während des Hörens aber auch aufdrängte war Fremdenhass. Anfangs dachte ich auch oft an Inzucht, aber das hat dann doch nicht viel mit dem zutun, was letzten Endes in Innsmouth abgeht. Viel mehr hört man ein wenig Fremdenhass und die Angst vor anderen Kulturen heraus, wenn Lovecraft sich so diesen fremden Kult aus Übersee zurechtstrickt. Nachdem ich nun schon einige Wochen Lovecraft ‚höre‘ und ein bisschen über ihn recherchiert habe, weiß ich, dass er durchaus einen gewissen Fremdenhass hegte, obwohl er wiederum auf viele Kulturen und Religionen neugierig war. Die Person Lovecrafts ist das eine, das gilt es noch zu ergründen, bevor ich zuviele Schlüsse ziehe will ich aber das Werk erstmal als das im Raum stehen lassen was es ist. Anfangs waren es mir zwar zuviel Lästerei über die Bewohner Innsmouths aber der sich langsam entwickelnde Horror und die Erkenntnisse des Erzählers über die Stadt und seine Beziehung dazu sind letzten Endes ein dichtes und schauriges Hörbuch, das mich sehr gepackt hat. Punkt. Auf DeviantArt habe ich außerdem diese Zeichnung vom Künstler VORGA3 der Deep Ones gefunden, die gut wiedergibt wie ich mir sie vorgestellt habe. Wer nicht gespoilert werden möchte, ignoriert das aber einfach am besten. 😉 Auf der Webseite Lovecraftian Science (die für Hemator interessant sein könnte, wenn du die nicht bereits kennst 😉 ) gibt es u.a. auch einen Artikel Genetic Variability in Humans and Deep Ones, Part 2 der für das Weiterlesen sehr interessant ist, wenn man das Hörbuch kennt.
Kennt ihr ‚Der Schatten über Innsmouth‘ – als Buch oder Hörbuch? Oder vom Hörensagen? Es scheint auch einen Film zu geben, den ich mir vllt mal zu Gemüte führe. Habt ihr Tipps für mich, was von H.P. Lovecraft ich mir als nächstes geben sollte oder wo sich vielleicht ein anderer Anknüpfungspunkt zu Innsmouth in den Geschichten verbirgt? ‚Das Ding an der Schwelle‘ höre ich gerade und das ist schon richtig eng mit Innsmouth verzahnt. Arkham wird bestimmt noch öfter erwähnt werden. Und das Arkham Asylum aus Batman wird wohl iiiirgendwas damit zutun haben 😉 Scheinbar gibt es auch richtig richtig viele Spiele aller Art, die im Lovecraft-Universum spielen.
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