Seit einigen Wochen höre ich mich durch die Reihe „H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“, eine Hörbuch-Sammlung die sich Geschichten „kosmischen Grauens“ Lovecrafts widmet. Inzwischen bin ich beim vierten Teil angelegt, wobei ich ja auch aus Neugier einen kurzen Ausreißer zum 8. gemacht habe. Wie auch immer – der vierte Teil heißt „Der Flüsterer im Dunkeln“ und ich hatte etwas Startschwierigkeiten, weil ich sehr neugierig auf die Geschichten wurde, die mir oft empfohlen wurden wie „Der Fall Charles Dexter Ward“. Aber ich habe mir ja geschworen die Reihenfolge mal weiterzuverfolgen.
Der Flüsterer im Dunkeln handelt von alten Legenden, die man sich in einigen Regionen Vermonts erzählt. Von Monstern ist dort die Rede, die angeblich Menschen entführen. Als nach einer Flut schwer zu identifizierende, scheinbar nicht menschliche Körper im Wasser entdeckt wurden, meinen manche Beweise gefunden zu haben. Der Universitätsprofessor Albert N. Wilmarth der Miskatonic Universität in Arkham widerlegt das aber und bietet rationale Erklärungen an. Eines Tages erhält er aber einen Brief von einem Mann namens Henry Wentworth Akeley, der in der Region lebt und vorgibt Beweise zu haben. Die Beiden pflegen bald einen regen Briefwechsel, in dem Akeleys Argumente Wilmarth zum zweifeln bringen. Grausige Tonaufnahmen, Fotos seltsamer, nicht-menschlicher Spuren in der Nähe von Akeleys Haus. Akeley befindet sich in Gefahr, denn die Briefe werden inzwischen abgefangen und die seltsamen Wesen scheinen immer näherzukommen.
Rein von der Handlung her ist Der Flüsterer im Dunkeln spannend, solide und voll gänsehaut-erzeugender Ideen, aber für Kenner fantastischer Stoffe etwas zu leicht durchschaubar. Darüber muss man großzügig hinwegsehen können, denn was heute bekannte Twists und Storywendungen sind, war als die Geschichte 1930 erschien mit Sicherheit ein abwechlunsgreicher Kniff. Man kann also der Geschichte ihre Cleverness und den Twist nicht abstreitig machen, aber es ist schwer es zu würdigen, wenn man schon zuviel ähnliches gelesen hat. Als Wilmarth beschließt nach Vermont zu Akeley zu fahren, ahnt der Leser und Zuhörer böses und denkt nur „It’s a trap!“ Während der Hauptcharakter fröhlich der Tragödie entgegen läuft. Das tut der Atmosphäre aber keinen Abbruch – schließlich weiß man nicht genau was Wilmarth in Vermont erwartet. Es ist ein Spiel mit den Erwartungen. Für mich als Leserin bzw. Hörerin ist es außerdem die erste Geschichte, die extraterestrischen Horror beinhaltet, also mehr in die Richtung Sci-Fi geht. Die Vorstellung zu was die außerirdischen Mi-Go in der Lage sind und der Body Horror, der sich in der Geschichte entfaltet sind gutes Material für düstere, verregnete Tage und die Zeit um Halloween, denn gruselig ist es allemal. Nur eben leider vorhersehbar. Bewunderswert finde ich, da ich nun inzwischen schon einige Geschichten kennengelernt habe, dass oftmals einige der Charaktere mit ihrem Leben davonkommen, obwohl sie offensichtlich mitten im Geschehen drin waren und die jeweiligen „Gegner“ und okkulten oder kosmischen Kreaturen nicht versucht haben alle Beweise zu vernichten. Aber ich weiß schon – die Geschichten sind in der Form eines Ich-Erzählers verfasst. Wer würde sonst erzählen? 😉
Ein kleines Wiedersehen mit bekannten Elementen gibt es auch hier wieder. Der Horror, der sich entfaltet kann wahrscheinlich lose dem Cthulhu Mythos zugeordnet werden. Außerdem findet Arkham Erwähnung, die fiktive Stadt die für eine gewisse Heilanstalt in Batman Pate gestanden haben dürfte 😉 . Die kosmischen Kreaturen scheinen außerdem vom Yuggoth zu stammen, einem Planet am Rande des Sonnensystems. Das muss ein regelrecht reizvoller Gedanke für ein Lovecraft gewesen sein, da Pluto (wie ich nach kurzer Recherche herausfand) 1930 entdeckt wurde. Wenn man manchmal nachts in das tiefe Dunkel des Himmels blickt, kann man sich schon fragen, was vielleicht noch alles da oben darauf wartet entdeckt zu werden? Da kommt einem schnell Weltraum-Romantik in den Sinn. Oder Weltraum-Horror.
Das Hörbuch fasst mit 4 Stunden und ein paar Minuten eine angenehme Länge. Für meinen persönlichen Geschmack hätte man noch eine Geschichte draufpacken können. Aber immerhin ist das Hörbuch ungekürzt. Gelesen wird es von David Nathan, der im Wesentlichen Wilmarth spricht und Torsten Michaelis. Zusätzlich zu der Erzählung gibt es wieder ein hörenswertes Extra, diesmal gelesen von Dagmar Berghoff. Es ist die Lesung eines Memorandums bzw. Nachrufs einer guten Freundin Lovecrafts, die nach seinem Tod damit sein Wesen und Schaffen charaktierisiert. Es trägt den Titel „Eine persönliche Erinnerung an Howard Phillips Lovecraft“ und enthält einige Details, von denen man durch das erste Hörbuch schon weiß wie beispielsweise Lovecrafts Probleme mit Kälte. Außerdem werden einige Dinge erwähnt, die einen aufgrund der Menschlichkeit aufhorchen lassen, mit der Lovecraft beschrieben wird. So beispielsweise, wenn es um seine Liebe zu Schokolade und insbesondere Schoko-Eiscreme geht. Durch manche Passagen meint man auch zu erkennen, was ihn zu seinen Geschichten inspiriert hat. Dass er beispielsweise einen Ekel gegen Fisch und Meeresfrüchte hegt – da kann es wohl kein Zufall sein welche Gestalt und Gerüche er für seine Kreaturen wählt? Ich denke da insbesondere an die Monster aus Der Flüsterer im Dunkeln und Der Schatten über Innsmouth. Alles in allem wieder eine hörenswerte Geschichte, die mir nun endlich den kosmischen Grauen Lovecraftscher Geschichte vor Augen führt, von dem ich bisher nicht viel gemerkt habe, dessen Twist aber für Genrefans etwas zu offensichtlich ist.
Zu den bisherigen Lovecraft-Hörbuch-Besprechungen:
„Der Cthulhu Mythos“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #1)
„Necronomicon – Horrorgeschichten von H.P. Lovecraft“ (H.P. Lovecrafts Bib. d. Schreckens #8)
„Der Schatten über Innsmouth“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #2)
„Das Ding auf der Schwelle & Die Ratten im Gemäuer“ (H.P. Lovecrafts Bib. d. Schreckens #3)
Kennt ihr das Hörbuch oder die Erzählung und wie war eure Meinung dazu? Welche wiederkehrenden Elemente habe ich vergessen aufzuzählen? Und was sind eurer Meinung nach die Geschichten Lovecrafts die diesen ‚kosmischen Horror‘ am besten wiedergeben?
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