Das gehörte Wort … „Berge des Wahnsinns“ – Hörbuch-Besprechung

Obwohl mich Jäger der Finsternis nicht so ganz abgeholt hat, war ich extrem gespannt auf ‚Berge des Wahnsinns‘, das unter den lovecraftschen Horrorgeschichten einen recht hohen Bekanntheitsgrad hat. Zumindest war es mir schon ein Begriff, bevor ich vor sage und schreibe fast neun Monaten angefangen habe mich mit H.P. Lovecraft zu beschäftigen. So lange höre ich nun schon die Hörbücher aus der Reihe ‚Bibliothek des Schreckens‘. Und ‚Berge des Wahnsinns‘ hat mich definitiv mehr abgeholt als ‚Jäger der Finsternis‘.

Der Geologe William Dyer gibt sich geheimnisvoll: er verkündet endlich die Wahrheit über eine lange Zeit zurückliegende Antarktis-Expedition zu sagen. Damals kamen nicht alle Wissenschaftler zurück, nur zwei haben überlebt und gaben an, dass ihre Kollegen verunglückt seien. Da sich nun ein anderes Expeditionsteam für eine Reise in die Antarktis rüstet, will Dyer sie warnen und erzählen, was wirklich passiert ist. Nach ihrer Ankunft fand das Team ein gigantisches Gebirge im Eis vor, in dem sie zahlreiche Fossilien und erdgeschichtlich gesehen sensationelle Funde machten. Das gesamte Team war in Aufruhr. Der Biologe Lake fand einige Spuren, die er auf kein ihm bekanntes Lebewesen oder Ereignis zurückführen konnte und formte ein kleines Team, dass den Funden nachgehen wollte.

Sie funken später Dyer und einem weiteren Kollegen, die zurückgeblieben waren, von ihren Entdeckungen. Bei denen handelt es sich um nichts geringeres als eine bisher vollkommen unbekannte Lebensform. Bei den Schilderungen fühlt sich Dyer an das Necronomicon erinnert. Während die Wissenschaftler noch das Gefühl haben das Wissen über die Welt über den Haufen zu werfen und eine unglaubliche Entdeckung gemacht zu haben, überwiegt die Euphorie. Zumindest bis sich Lake und sein Trupp plötzlich nicht mehr melden. Dyer und sein Kollege beschließen sie zu suchen und machen eine grauenerregende Entdeckung. Damit ist Berge des Wahnsinns eine Erzählung, die nochmal sehr deutlich macht sich angesichts großer wissenschaftlich-bedeutender Erkenntnisse nicht zu früh zu freuen.

Anfangs klingen Dyers Erzählungen verlockend und fantastisch – zumindest, wenn man mal von den verschwundenen Wissenschaftlern absieht. Da sind die Berge in der Antarktis, die ein enormes Ausmaß haben müssen und die Funde, die Wissenschaftler-Herzen höher schlagen lassen, aber die Freude hält nicht lange an als Dyer seine Kollegen in Einzelteilen vorfindet. Die sich langsam aufbauende Stimmung der hermetisch und ohne Aussicht auf Hilfe im Eis eingeschlossenen Wissenschaftler kriecht einem langsam unter den Winterpullover und sorgt für eine angenehme Gänsehaut. Die Athmosphäre gibt einem den Eindruck, dass der Stoff ein Genre-KLassiker und Grundstein für Filme wie The Thing ist. Man kann gerne glauben, dass Lovecraft den Horror aus dem Eis erfunden hätte. Er vereint an diesem unwirtlichen Ort das irdische und seinen kosmischen Horror. Über ein, zwei Dinge muss man aber hinwegsehen können. Beispielsweise wie vehement Dyer immer und immer wieder erwähnt wie grauenvoll seine Expedition war, dabei aber das Erzählen der Erlebnisse aufschiebt und aufschiebt. So kann man Spannung erzeugen, so kann sich aber auch der (von schnellerem Erzählstil verwöhnte) Zuhörer anfangen zu langweilen. Man muss es etwas subtil mögen, insbesondere wenn es darum geht wer oder was denn jetzt genau die Wissenschaftler getötet hat. Es ist wahrscheinlich etwas anderes als man anfangs denkt. Sehr unglaubwürdig ist allerdings, dass Dyer den Wandreliefen die gesamte Geschichte der großen Alten in kurzer Zeit entnommen hat. Soviel wie er über die Großen Alten plötzlich weiß, kann er gar nicht gelesen haben … aber wer wird meckern? 😉 Auffällig ist aber, dass Lovecraft sich offensichtlich sehr mit Geologie, der Antarktis und Erdgeschichte beschäftigt hat.

Zu den wiederkehrenden Motiven gehören hier zum Einen natürlich die (fiktive) Miskatonic Universität und ich frage mich wieder einmal, ob es überhaupt irgendjemanden gibt, der an dieser Uni nicht irgendeinen kosmischen und übermenschlichen Horror erlebt hat 😉 Außerdem knüpft die Erzählung an den Cthulhu-Mythos an und erwähnt (natürlich) das Necronomicon. Kreaturen wie die großen Alten und die Schogothen wurden, wenn ich mich recht erinnere, bereits in anderen Werken erwähnt und dass es nun nach einiger Zeit mal wieder zu Überschneidungen beim Hören der Reihe kommt, gibt mir ein bisschen das Gefühl zurück, dass sich alles mehr und mehr zusammenfügt und der Horror dichter wird, wenn man etwas tiefer in den Lovecraft-Kosmos hineintaucht. Trotz der oben genannten Kritik und den etwas zu offensichtlichen Anpreisungen und Stilmitteln in der Geschichte, erzeugt sie eine dichte Gänsehaut-Atmosphäre, die gut unterhält und einen den Eiswind der Antarktis spüren lässt. Vor Allem an schneefreien Wintertagen. Gesprochen wird das Hörbuch wieder von David Nathan, der das wie gewohnt sehr gut macht. Von dem Score und den Geräuschkulissen hätte ich mir mehr gewünscht. Desto mehr Hörbücher der Reihe ich höre, desto mehr fällt mir auf, dass die Musik in den Hörbüchern jedes Mal eine andere ist und sehr gut an die Geschichten angepasst ist, aber viel zu wenig verwendet wird. Aber gerade bei den gruseligen Pinguinen (ja, es gibt gruselige Pinguine) fiel mir auf, was mir die ganze Zeit fehlt: mehr Hintergrundgeräusche. Das Stapfen in Schnee und der eisige Wind fehlen, hätten dem Ganzen aber viel Stimmung verliehen.

Zu den bisherigen Lovecraft-Hörbuch-Besprechungen:

„Der Cthulhu Mythos“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #1)
„Necronomicon – Horrorgeschichten von H.P. Lovecraft“ (H.P. Lovecrafts Bib. d. Schreckens #8)
„Der Schatten über Innsmouth“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #2)
„Das Ding auf der Schwelle & Die Ratten im Gemäuer“ (H.P. Lovecrafts Bib. d. Schreckens #3)
„Der Flüsterer im Dunkeln“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #4)
„Der Schatten aus der Zeit“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #5)
„Jäger der Finsternis“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #6)

Es ist doch interessant wie unterschiedlich man in den Epochen erzählt hat. Oder anders: wie sich das Erzählen entwickelt hat. Zu Zeiten Lovecrafts und noch etwas früher (zu Zeiten Poes) wurde der Horror, den man gleich erlebt noch angepriesen und auf nicht sehr subtile Art Hinweise eingestreut. Wenn man die Bücher heute liest, erahnt man mitunter sehr schnell, was einen erwartet. Das und der langsame Aufbau der Handlung sind es wahrscheinlich, die die meisten Leser/Hörer verprellen, obwohl sie eigentlich die Grundpfeiler ganzer Genres sind. Wie seht ihr das? Inzwischen habe ich auch schon ‚Der Fall Charles Dexter Ward‘ und den damit letzten Teil der Hörbuch-Reihe beendet – noch vor dem Jahresende. Ich kann es noch gar nicht fassen, dass es der Abschluss meines bisher längsten „Hör-Projekts“ ist – die letzte Review dazu erscheint auch bald im Blog.

6 Antworten

  1. Okay, bei „gruselige Pinguine“ hast du mich angefixt. 😀

    (Im Ernst: Interessant klang die Story die ganze Zeit, aber da ich mich mit den ersten Lovecraft-Geschichten schwer tat, bin ich momentan immer verhalten in der Neugier auf mehr von ihm. Aber wenn es jemand schafft, Pinguine gruselig wirken zu lassen, dann kann ich doch nicht länger widerstehen. Ich glaube, ich probiere es bald noch mal mit Lovecraft. :))

  2. Klingt genial! Muss man diesen Cthulhu-Mythos und das Necronomicon kennen, bevor man dieses Buch liest? Würdest du allgemein eine bestimmte Reihenfolge empfehlen?

  3. […] Schon mal von gruseligen Pinguinen gehört? Nein? Dann sofort zu Miss Booleana klicken. […]

  4. Ich habe gestern „Berge des Wahnsinns“ beendet und ja, es ist definitiv eine der besseren Stories von Lovecraft. Gerade wenn man sie wie ich abends im Dunkeln hört, kommen Schauer auf.
    Allerdings kam mir der Spannungsbogen wie eine Sinuskurve vor. Jedes Mal, wenn es für mich richtig spannend wurde, verlor sich der Erzähler wieder in Details und übertriebenen Abschweifungen, was dann dazu führte, dass ich mich zur Konzentration zwingen musste. Wie du ja schon schreibst, ist es etwas merkwürdig, dass er einerseits so traumatisiert ist und zur Warnung das Grauen enthüllen möchte, aber dann ewig nicht damit rausrückt. Diese erzwungene „Spannung“ bewirkt bei mir immer eher das Gegenteil und ist für mich eigentlich eher ein Zeichen schlechter Dramaturgie. Da erzählt Dyer, dass er uns offenbart, was sie sahen oder was ihnen solchen Schrecken einjagte – und dann dauert es noch 30 Minuten, bis wir das tatsächlich erfahren. Und oft war das Enthüllte (zumindest in meinen Augen) gar nicht sooo schockierend.

    Insgesamt sind aber wirklich interessante Ideen enthalten und das Setting an sich ist eh klasse.

  5. […] Schon mal von gruseligen Pinguinen gehört? Nein? Dann sofort zu Miss Booleana klicken. […]

  6. […] Motiven her weniges, was wirklich an Lovecraft erinnert. Natürlich: die Expedition erinnert an Berge des Wahnsinns. Allerdings gibt es auch jede Menge vertane Chancen. Die Figur Grensons hätte man mit Mr. Freeze […]

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