Unvorbereitet auf Reise zu gehen halte ich generell für eine schlechte Idee. Es sei denn man sucht das große Abenteuer. Die ganzen Blogs und Youtube-Kanäle da draußen stellen inzwischen eine echte Alternative zum klassischen Reiseführer da. Manchmal fehlt dort aber das „bigger picture“. Oder anders ausgedrückt der „kompakte Rundumschlag“ über das Reiseziel und was einen dort erwartet. Daher lese ich bei den meisten Reisen tatsächlich noch den klassischen guten alten Reiseführer. Bei der Größenordnung die die Japanreise für mich einnahm (emotional, finanziell) leistete ich mir dieses Mal sogar mehrere. Generell gilt, dass es nicht das richtige oder falsche Buch zur Reisevorbereitung gibt, sondern was für Erwartungen man an das Buch hat und welche Antworten man sich erhofft. Das bedeutet, dass man seine eigenen Fragen kennen sollte 😉 Vielleicht helfen die Besprechungen hier das passende Buch zur Reisevorbereitung zu finden.
Axel Schwab „Japan spielend in 60 Schritten“ (BoD)
Axel Schwabs Buch habe ich von einer lieben Freundin geschenkt bekommen 🙂 (Danke nochmal!) Der Autor hat sich für sein Buch ein witziges Konzept ausgedacht. Die für die Reisevorbereitung relevanten Themen sind nach Schwierigkeitsgraden eingeteilt. So findet man im Maiko-Level (einfachster Schwierigkeitsgrad) sehr fundamentale Fragen und Ratschläge dazu. Beispielsweise Überlegungen zu dem Thema „Beste Reisezeit“ und wie man in Japan am günstigsten den Nahverkehr nutzt. Im Samurai- und Ninja-Level sind die Fragen und Hürden entsprechend kniffliger. Dort geht es dann zum Beispiel darum wie man in Japan Wäsche wäscht oder einen Namensstempel zum Unterzeichnen offizieller Dokumente bestellt. Themen, die für längere Aufenthalte wichtig sind. Hätte der Autor Axel Schwab jetzt noch Punkte vergeben für die gelungene Erfüllung der Aufgaben, dann könnte man fast schon sagen, dass er die Reisevorbereitung „gamifiziert“ hat. 😉 Durch das Modell (inkl. Index) findet man sehr leicht zu den brennenden Fragen der eigenen Reisevorbereitung und kann gut einschätzen, auf welchen Seiten man sich bewegen wird. Ich habe es zwar aus Interesse auch gelesen, hätte aber beispielsweise das Maiko-Level überspringen können, weil ich mich schon zuvor über den JR Pass, suica/pasmo und andere Themen informiert habe.
In seiner Darreichungsform ist das Buch handlich und perfekt geeignet um auf Reise mitgenommen zu werden. Man ist theoretisch für jede Lebenslage gerüstet. V.A. dadurch, dass Schwab sehr viele Kanji und Schriftzeichen auflistet, die hilfreich sein könnten. Sei es um eine japanische Toilette oder Klimaanlage zu bedienen. Die Praxistauglichkeit beweist das Buch dadurch, dass nützliche Apps aufgelistet werden. Andererseits hapert es hier auch etwas durch den sich rasend schnell entwickelnden App-Markt. So decken sich die Erfahrungen von mir als Android-Nutzer nicht mit den dort beschriebenen. Apps, die nur 30 Tage kostenlos sein sollen, funktionieren in meiner Android-Version einwandfrei (bspw. Hyperdia) und ohne Einschränkungen. Andere Apps bekomme ich nicht im App-Store und habe mich nach Alternativen umgesehen. Schwab hat solche Tipps (nicht 100% aber zum Großteil) auf Apple-User angelegt. Aber die reine Anregung ist in jedem Fall schon mal viel Wert. So hatte ich beispielsweise nicht an Apps gedacht, die Barcodes (beispielsweise im Supermarkt) scannen und die Inhaltsstoffe für mich auf Englisch anzeigen. Das einzige andere Manko an dem Buch ist sehr subjektiv – ich hätte mir an manchen Stellen Bilder gewünscht. Die Darreichungsform ist etwas karg. In den Texten ohne Fotos und nur mit den hübschen herunterstilisierten Icons fühlt man sich ein bisschen orientierungslos während des Lesens, so als ob man nur über Mathematik liest, aber nie eine Formel löst. So kam auch während des Lesens nicht richtig Stimmung oder Reiselust auf.
Hilja Müller „Tokio“ (Marco Polo)
„Marco Polos“ sind immer solide Reiseführer. Sie beinhalten in der Regel immer eine Karte bzw einen Stadtplan, einen Abschnitt über Wissenswertes wie die Landeswährung und ähnliche „harte Fakten“ („Praktische Hinweise“), außerdem die Do’s und Don’ts und einen kleinen Sprachführer. Gerade letzteres finde ich sehr cool für Situationen, bei denen man plötzlich sprachlich in der Sackgasse steckt und wenn einen die moderen Technik unerwartet im Stich lässt. Die sonstigen Inhalte variieren. In der Ausgabe über Tokyo gibt es einen grob nach Stadtteilen sortierten Detailplan mit jeweils Tipps für Sehenswürdigkeiten, Übernachtungen und Gastronomie mit Angaben wie teuer oder billig. Wie man das eben so kennt. Außerdem gibt es vorbereitete Tagestouren, die sich nach Themen wie „Shoppingtour“ oder „Sightseeing mit Wissenschafts- und Technik-Bezug“ richten. Auf den ersten Blick erscheinen mir manche der Touren sportlich, es kann ja schon mal dauern bis man in Tokyo von A nach B kommt, aber im Grunde machbar.
Für mich, die schon vor der Reise einiges über Japan wusste und v.A. wusste, was ich besichtigen möchte, gab es wenig Überraschungen oder Neues in dem Reiseführer zu entdecken. Durch jahrelanges Lesen von Japanblogs und allgemeiner Auseinandersetzung mit Japan deckte sich mein zuvor angehäuftes Wissen mit den Fakten im Reiseführer – mal abgesehen davon, dass ich natürlich die vorgeschlagenen Hotels und überwiegende Mehrzahl der Restaurants nicht kenne. Daher war der Reiseführer im Grunde für mich überflüssig. Es ist mit Sicherheit ein Problem für die Reiseführer-Industrie, dass Reiseblogs und -berichte ihnen soviel Arbeit abnehmen. Aber in diesem Fall hätte mir Reiseblogs lesen wirklich den Kauf erspart – gekauft habe ich ja aber dann trotzdem für das „Sicherheitsgefühl“. Für wen ist der Reiseführer nun aber was? Denn: es ist ja prinzipiell wie die meisten Marco Polos ein guter Reiseführer. Ganz klar für eben diejenigen, die sich ihre Reise nicht anhand von Blogs und berichten selber zusammenstückeln wollen und einen groben Überblick brauchen, was Tokyo zu bieten hat. Wie so oft finde ich den Sprachführer von Marco Polo verglichen zu anderen „Sprachhilfen“ in Reiseführern überdurchschnittlich gut.
Rebecca Milner, Simon Richmond „Tokyo“ (Lonely Planet, englisch)
Was Marco Polos Ausgabe leider nicht geschafft hat, hat der englischsprachige Reiseführer von Lonely Planet geschafft. Der Verlag wird ja schon sehr sehr lange hochgelobt und gilt als DER internationale Reiseführer. Tatsächlich war die Ausgabe meine erste und ich war beeindruckt von dem „natürlichen“ Ton in dem der Reiseführer geschrieben ist. D.h. wie er einen Mittelweg aus leichtem Humor und Sachlichkeit findet, genauso wie Vor- und Nachteile der Sehenswürdigkeiten und Stadtteile etc. aufführt und gleichzeitig auf verschiedene Geschmäcker eingeht. Er schart sehr viele Informationen zusammen und schafft es neben der „Dreifaltigkeit“ aus Tipps für Sehenswürdigkeiten, Hotels und Gastronomie auch noch die Geschichte der Stadtteile zu erzählen und ein dichtes Stimmungsbild zu geben. Die Autoren Rebecca Milner und Simon Richmond haben das offenbar gut im Griff und kennen ihre Nachbarschaft. Das Fehlen von geplanten Tagestouren hat mich wenig geschmerzt – der aufmerksame Reisende sieht so oder so sehr gut, was nahe beieinander liegt, da die Artikel über sehenswürdiges eh grob nach Stadtteil sortiert sind. Das Buch beginnt außerdem mit einem Kapitel voller wissenswerter Fakten über Bezahlen in Japan („Need to know“), Was es Neues gibt (vermutlich seit der letzten Auflage, hier wird u.a. auf Baumaßnahmen in Tokyo eingegangen), einen Feiertagskalender, etc. Dabei ist sehr auffällig wie Lonely Planet soviele wissenswerte Fakten (auch welche, die für mich neu waren) auf wenig Platz unterbringt und dabei trotzdem ein ansprechendes Look & Feel hat.
Es gibt auch Kategorien, die in anderen Reiseführern fehlen, wodurch sich Lonely Planet sogar sehr stark von der Masse absetzt. Beispielsweise ein paar Seiten für Familien, die mit Kindern unterwegs sind und ein Unterkapiteln zu Sehenswürdigkeiten (und Übernachtungen!), die nichts oder fast nichts kosten. Es ist außerdem auch der einzige Reiseführer, der auf Lebensstile wie Veganismus und Vegetarismus eingegangen ist. Das betrifft mich zwar nicht, ist aber interessant, weil es ein in Japan wenig verbreitetes Konzept ist. Es kann durchaus sein, dass man ein Gericht bestellt, angibt man sei Vegetarier, aber trotzdem etwas bekommt, das mit Fischsud gekocht wurde. Nicht aus bösem Willen oder um Mühe zu sparen, sondern weil der Grundgedanke nicht genau bekannt ist. Lonely Planets Reiseführer ist auch der einzige, indem ich mal einen Absatz darüber fand, ob und was homosexuelle Reisende in dem Land zu beachten haben, ob man irgendwelche Stadtteile meiden sollte (was soweit ich mich erinnere nicht der Fall ist) o.Ä. Es gilt übrigens für alle Reisenden und Menschen, die sich in Japan durch den öffentlichen Raum bewegen, dass man auf Körperkontakt, Liebesbekundung und Intimität in der Öffentlichkeit verzichtet. Einen Sprachführer gibt es auch hier, der sogar sehr ausführlich ist, aber ohne Aussprachhilfen. Natürlich stehen dort nicht nur Schriftzeichen, sondern die Transkription, aber wer Sprachen lernt, weiß: Aussprache ist nochmal etwas ganz anderes. Sehr cool und mal „anders“: es gibt ein ausführliches Kapitel über die Geschichte Tokyos – sehr gut! Ist sicherlich nicht für jeden Reisenden etwas, lädt aber dazu ein das Kapitel zu überspringen, falls man diesen historischen Diskurs nicht möchte. Ich habe quasi nichts zu meckern! Und ich habe durch das Geschichtskapitel viel neues gelernt. Durch den Lonely Planet versteht man letzten Endes Tokyo vielleicht sogar etwas besser. Toller Reiseführer.
Steve Wide, Michelle Mackintosh „Tokio – Die besten Geheimtipps“ (Hölker Verlag)
„Don’t judge a book by its cover.“ So heißt es und ich tue es doch immer wieder. Ich entscheide mich öfter zwischen mehreren Ausgaben eines Buches für die Ausgabe mit dem schöneren Cover. Ich glaube auch mein Kauf des Buches von Steve Wide und Michelle Mackintosh war so ein ähnlicher Fall. Das Cover verrät bereits, dass es sich v.A. um Geheimtipps rund um Restaurants, Bars und Shops dreht. Vom Grundgedanken her genau das, was ich gesucht habe, da ich ja nun schon allerlei wissenswertes rund um Japan in Reiseblogs gelesen hatte. Restaurants und Bars, die eher den Einheimischen als den Touris bekannt sind? Ja bitte. Das Buch hat eine sehr ansprechende Aufmachung, bietet knappe Informationen zu den Stadtteilen und jeweils vorgestellten Lokalen und Geschäften. Er enthält auch die dringend notwendigen Eckdaten um ein Geschäft zu finden. Nämlich nicht die Adresse, sondern den Ausgang des Bahnhofs, der in der Nähe liegt. 😉 Auch dieses Buch ist nach Stadtteilen gegliedert, oder viel mehr Vierteln. Was ich weniger verstehe ist, warum man die Seiten über die allgemeine Fortbewegung und Wissenswertes vor und während der Reise auf den letzten Seiten untergebracht hat. Aber ich denke das beruht auf dem Gedanken, dass sich das Buch an Leute richtet, die über den Punkt der Reisevorbereitung bereits hinweg sind. Was sie trotz der Vernachlässigung dieser Fakten besser machen als andere: sie haben Logos einiger Unternehmen (bspw. des Nahverkehrs) abgedruckt, was bei vielen Lesern eher hängen bleiben dürfte. Den Mini-Sprachguide kann man getrost überspringen, der enthält Fehler und Ungenauigkeiten.
Letzten Endes habe ich das Buch dann doch weggelegt und mehr aus Pflichtgefühl oder dem Bedürfnis nach einem Abschluss (^^‘) zu Ende gelesen als aus Interesse oder Notwendigkeit. Warum? Weil ich gemerkt habe, dass ich nicht die Zielgruppe bin und meine Reise auch nicht. 1. Ich habe gar nicht soviel Geld wie ich dort ausgeben könnte. Viele der Vorschläge sind kleine Indie-Läden, viele aber auch große Designershops, die mein Budget übersteigen. 2. Da es soviele Indie-Läden vorschlägt, liegen diese auch weit ab von den tourist traps und Sehenswürdigkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich dort vorbeikommen würde, war also sehr gering. So oft bin ich nicht in Tokyo, hust. Es war mein erstes Mal. 3. Man erfährt von einigen sehr coolen Läden, die sicherlich einzigartig sind – beispielsweise einem Kaufhaus für Socken und einem für Handtücher! Aber die restlichen Interessen sind sehr Vintage und Hipster. Schallplattenläden, Läden für gebrauchtes Spielzeug, zig Donut-Läden, Second-Hand-Design-Klamottenläden … das bin nicht ich. Ok, einen Donut esse ich schon mal. Aber ansonsten ist das nicht, was ich suche. Und davon gab es sehr sehr viel. Also ein klarer Fall von: das Buch kann mich nicht überzeugen, weil ich nicht die Zielgruppe bin. Vielleicht bist aber du die Zielgruppe? Insgesamt ist es ein cooles Buch für Leute, die was anderes suchen als die klassischen Sehenswürdigkeiten. Aber Achtung: Dadurch, dass soviele Indie-Läden und -Labels erwähnt sind und Tokyo eher schnelllebig ist, verschwindet auch mal was von der Oberfläche. Ich habe vor Ort manche Gaststätten nicht finden können. Hier lohnt sich die vorherige Recherche.
Bisherige Artikel zur Japanreise: Reisevorbereitung | Essen in Japan | Manga-Tourismus | 5 Must-Do’s und 5 (halb)offene Fragen | Tag 1 (Anreise, Minato) | Tag 2 (Shibuya & Harajuku) | Tag 3 (Miyajima) | Tag 4 (Hiroshima) | Tag 5 (Kyoto) | Tag 6 (Roppongi, Shinjuku) | Tag 7 (Ghibli Museum in Mitaka, Setagaya und Tokyo Skytree) | Tag 8 (Kanda, Akihabara und Odaiba) | Tag 9 (Ikebukuro, Sunshine City) | Tag 10 (Sensō-ji, Asakusa, Sumida, Hachikō)
Reiseführer in Buchform sind denke ich immer noch die beste Wahl für Reisende, die noch nicht wissen, was sie in dem Land erwartet und was sie ganz genau anschauen wollen. Oder die nur eine sehr grobe Vorstellung haben. Man kann natürlich einen ganzen Reiseblog durchlesen, aber ob das hilfreich ist, hängt von vielen Faktoren ab. Generell kommt man mit allen hier aufgeführten Reiseführern schon irgendwie durch Japan. Beim Reiseblog kommt es auf den Fokus an. Haben den Backpacker oder Luxusurlauber geschrieben? Stehen dort auch allgemeine Fakten, z.B. wie man in Japan an Bargeld kommt? Kann nämlich tricky werden. Wer ein sehr schmales Budget hat und auf jeden Cent angewiesen ist, hat wiederum gute Gründe bei Reiseblogs und Youtubern nachzuschlagen statt im physischen Reiseführer.
So oder so: man brauch Vertrauen und ein kritisches Auge. Sowohl beim Reiseführer als auch beim Blog muss man die Fakten hinterfragen und ob sie einen Mehrwert für einen haben. In beiden Fällen könnte der Inhalt von freundlichen Sponsoren „vorgeschlagen“ worden sein. Reiseführer in Buchform genießen einen gewissen Ruf und bestehen hoffentlich nicht nur aus gesponserten, sondern recherchierten Fakten. Und der nette Blogger, dessen Artikel immer auf eine differenzierte Weltsicht statt gesichtslosem Sponsorings deuten lassen, kann auch was. Was bevorzugt ihr bei Reisen? Auch den Mix? Oder habt ihr lieber den klassischen Reiseführer in der Hand? Oder lest ihr sowas schon seit Jahren nicht mehr? Meine Tipps für Blogs, Youtuber und Webseiten zur Reisevorbereitung gibt es übrigens hier.
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