Einer geht noch: der zweite Serien-Nachschlag widmet sich nun Science-Fiction- und Fantasy-Serien, die ich in der zweiten Jahreshälfte 2019 gesehen habe und die kaum unterschiedlicher sein könnten. Die aber ähnlich meines letzten Serien-Nachschlags ein Problem haben oder dieses Problem elegant umgehen: Formelhaftigkeit. Reviews sind spoilerfrei.
Nightflyers
Science Fiction und Horror lässt sich wunderbar kombinieren. Einerseits als den Horror des Unbekannten, andererseits als die schrecklichen Folgen menschlicher Taten, die auf Wissenschaft fußen. Die Spielarten sind unzählig, manche Formel leider inzwischen aber zu oft ausgereizt und damit ausgelutscht. Nightflyers basiert auf einem Roman George R. R. Martins, der schon als Film und kürzlich als „Netflix Original“ adaptiert wurde. Er handelt von einer Gruppe von Wissenschaftlern, die in einer weit entfernten Galaxie zu der Alienrasse der Volcryns Kontakt aufnehmen wollen. Der Captain der Nightflyer hat sich dazu bereit erklärt die Mission zu unterstützen, die als eher kontrovers angesehen wird und dringend ein Schiff benötigt. Um mit den Aliens kommunizieren zu können, wurde der Telepath Thale (Sam Strike) mit an Bord genommen, was zu zunehmenden Unruhen führt, da alle annehmen, dass er sich früher oder später nicht beherrschen und Crew oder Schiff gefährden wird. An Bord der Nightflyer geschehen tatsächlich bald brutale Zwischenfälle. Und die Gründe sind vielfältig. Kontakt mit einer außerirdischen Intelligenz, besagter Telepath und der Bordcomputer arbeiten gegen sie. Kommt uns das bekannt vor?
„NIGHTFLYERS Trailer 2 German Deutsch (2019) Netflix“, via KinoCheck (Youtube)
Filmklassiker wie 2001: Odyssee ins Weltall und der Gedanke vom folgenschweren Kontakt mit Aliens existierten schon vor George R. R. Martins Buch. Die Grundideen, die sich hier erkennen lassen sind nicht neu. Fairerweise muss man aber auch sagen: es ist schwer etwas wirklich neues zu machen und auch nicht nötig, solange es gut gemacht ist oder neue Impulse schafft. Die gibt George R .R. Martin bzw geben die Serienschöpfer tatsächlich. Denn obwohl sich die großen Handlungsfäden sehr ausgelutscht anfühlen, werden auch neue mit eingewoben. So sorgt der Ausbruch eines gefährlichen Pilzes für die erschütterndsten und zeitgleich furchterregendste Horror-Episode der Staffel. Auch der Faktor des Biocomputing und Bio-Horror bekommt einen besonderen Platz in meinem Herzen als Fan von Scifi-Horror. Also ist die Handlung vielleicht nicht so ausgelutscht wie man denken könnte. Stattdessen tut sich ein ganz anderes Problem auf: nichts ergibt Sinn. Die Crew hinterfragt unglaublich wenig und rennt v.A. in der zweiten Staffel blind in ihr Verderben. Niemand hinterfragt die größten Gefahren, selbst wenn sie vor ihnen stehen. Ein Kollege, der ein traumatisches Erlebnis hatte und sich danach seltsam verhält? Warum beobachten oder gut zureden? Empathie, anyone? Schon mal von Amokläufen oder psychischen Zusammenbrüchen gehört? Eine KI, die das Schiff und die Crew manipuliert oder gar tötet? Warum nachschauen, ob die Firewall funktioniert? Abgesehen davon werden zig Ideen angerissen, aber kaum eine davon zu Ende geführt. Von Rationalität keine Spur auf diesem Schiff voller Technikern und Wissenschaftlern. Man weiß nicht mal, was genau das Problem auf der Erde ist, weswegen die Wissenschaftler überhaupt aufbrechen und mit den Volcryn sprechen wollen. Ist man mit der Vorlage jetzt so arg schlittengefahren? Wir werden es nie erfahren, denn die Serie wurde gecancelt. Bei all der schlechten Kritik muss ich erwähnen, dass mich Sam Strike als Telepath Thale sehr beeindruckt hat und dass die Serie einige interessante Ideen hat. Die mangelnde Rationalität wird auch erst ab der zweiten Hälfte ein Problem. Insgesamt ist es aber krass wie die Serie letztendlich baden geht und dann leider auch noch mit einem offenen Ende glänzt. Vielleicht wurde das Einstellen der Serie bereits angedeutet und man hat versucht den Rest der Story in die Staffel zu pressen? Gut getan hat es ihr nicht.
(5/10)
Matrjoschka
Happy Groundhog-Day. Natasha Lyonne spielt in Matrjoschka die um keinen sarkastischen Spruch verlegene Nadia Vulvokov, die nach dem Muster „Live. Die. Repeat.“ immer wieder denselben Tag durchlebt bis sie stirbt, nur um dann wieder aufzuwachen und alles von vorn mitmachen zu müssen. Ausgerechnet auf ihrer Geburtstagsfeier und dass obwohl sie Geburtstage hasst. Die schwarzhumorige Drama-Serie lässt das Natasha Lyonne als Nadia entsprechend witzig kommentieren, aber irgendwann wird es selbst der resoluten Nadia zuviel. Ihre Tode reichen auch von mehreren furchtbaren Ausrutschern auf der Horror-Treppe bis zu von einem geliebten Menschen erschossen werden. Irgendwann will sie raus. Und es ist naheliegend, dass die Lösung in ihr selbst liegt.
„Matrjoschka | Offizieller Trailer: Staffel 1 [HD] | Netflix“, via Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz (Youtube)
Genau in diesem recht naheliegendem Muster und dem widerspenstigen Hauptcharakter, der sich nicht ändern will liegt wahrscheinlich die Hauptkritik. Nadia ist nicht zwingend lebensbejahend, was die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Sterblichkeit vielleicht ändert? Ansonsten ist die Serie kurzweilig, witzig und hochprozentig. Sagen wir mal so: die Charaktere in Nadias Leben sind bewusstseinserweiternden Substanzen und einem ausschweifenden Sexualleben nicht abgeneigt. Aber auch das gegenteilige Lebensmodell bekommt Platz zugesprochen, womit die Serie eine schöne Botschaft in Richtung „Sei du selbst, lebe wie du leben willst“ vermittelt. Nadia/Natasha Lyonne rockt durch die Nacht, geht mehreren Ansätzen nach, was wohl den tödlichen Murmeltiertag beendet und bis dahin gibt es eine stattliche Menge an anderen Offenbarungen, auch wenn die Auflösung des Spuks relativ auf der Hand liegt. Wer Angst hat, dass das Szenario und immer wieder Aufwachen in zuvielen drögen Wiederholungen endet, dem sei gesagt, dass es erfrischend und kurzweilig genug gefilmt ist. Allein durch die zahlreichen Nebencharaktere über die nach und nach mehr und mehr ans Tageslicht kommt und die Episoden abwechslungsreich gestaltet.
(8/10)
„The Umbrella Academy“ Season 1
Die erste staffel der fantasy/Sci-Fi-Serie The Umbrella Academy beginnt damit, dass im Jahr 1989 plötzlich 43 Frauen schwanger werden und in Rekordzeit Kinder zur Welt bringen. Ein gewisser Sir Reginald Hargreeves (Colm Feore) reist umher und sammelt sieben dieser Kinder ein und adoptiert sie. Cut. Viele Jahre später ist Hargreeves tot und eben jene Kinder erschüttert – so mehr oder weniger. Diejenigen von ihnen, die noch leben, versammeln sich in seinem Herrenhaus. Die Stimmung ist trüb, die Meinungen gemischt. Die inzwischen Erwachsenen blicken zurück auf ihr Leben mit Hargreeves als Vater. Der hat bei den Kindern besondere Fähigkeiten entdeckt und sie zur sogenannten Umbrella Academy ausgebildet – eine Gruppe kleiner Superhelden, die als Kinder regelrechte Stars waren und Schurken zur Strecke brachten. Ein Himmelfahrtskommando dank ihrer sehr unterschiedlichen Fähigkeiten. Aber auch eines, dass nicht alle überlebt haben und das früher oder später zum Bruch mit dem Adoptivvater führte. Wie nebenbei u.a. der Umstand, dass er es nicht für nötig befand ihnen Namen zu geben, sondern sie der Einfachheit halber Nummer 1, Nummer 2, etc. nannte. Trotz all dem wollen die ehemaligen Superhelden dem Tod des Vaters nachgehen und ermitteln.
Was für ein Potpourri. Natürlich haben nicht alle der Adoptivkinder ein gleich großes Verlangen danach den Tod des Vaters aufzuklären oder zu rächen. Eigene Probleme haben sie auch. So muss Alison/Nummer 3 (Emmy Raver-Lampman), die die Fähigkeit hat Menschen mit ihrer Stimme zu beeinflussen, einen handfesten Sorgerechtsstreit mit ihrem Ex ausstehen. Luther/Nummer 1 (Tom Hopper) versucht währenddessen etwas zu verstecken und Klaus/Nummer 4 (Robert Sheehan) ist sowie stets nur auf der Suche nach dem nächsten Drogentrip und Geld zur Rauschmittelbeschaffung, damit er seine Fähigkeit mit Geistern zu kommunizieren unterdrücken kann. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Passgenau erscheint zur Beerdigung auch Nummer 5 (Aidan Gallagher), der die Fähigkeit hat sich zu teleportieren und kurzerhand aus der Zukunft mit der frohen Botschaft gereist kommt, dass die Welt kurz vor der Apokalypse steht. Mittendrin ist Vanya (Ellen Page) die als einzige der Adoptivkinder Hargreeves keine besonderen Fähigkeiten zu haben scheint und dementsprechend stets ausgeschlossen und vernachlässigt wurde. Ein überdeutliches Mahnmal für die fatale Obsession des alten Hargreeves. Dann tauchen da Attentäter auf, die „Five/Nummer 5“ töten wollen, es wird viel durch die Zeit gereist, dass sprechende Affen rumlaufen (Pogo ist allerdings ziemlich cool), sollte man nicht in Frage stellen und ihre Mutter ist ein Android. Alles klar? Man muss sehr viel hinnehmen in The Umbrella Academy. Die Mischung ist cool, der Soundtrack umso mehr, die Grantigkeit zwischen den Geschwistern und der emotionale Ballast sorgen für herrlich schräge Gespräche und emotionalen Unterboden, aber die Vorhersehbarkeit und die üblichen Plattitüden der Übermächtigen Superhelden-Tropen sind banal und langweilen auf die Dauer. Niemand tut sich ernsthaft weh und die Attentäter (der letzten Folge) können offensichtlich nicht zielen, ansonsten wären längst alle platt. Trotz der ausgelutschten und vorhersehbaren Handlung machen die Charaktere Spaß, allen voran Ellen Page als Vanya/Nummer Sieben, die nie so richtig dazu gehören durfte. Aber wie das so ist mit formelhaften Serien, die einem dazu noch jede Menge Informationen auftischen, die man einfach hinnehmen muss: es macht müde.
(5/10)
Das klingt jetzt vielleicht hart, aber ich glaube „The Umbrella Academy“ hat bei mir zur Serienflaute geführt. Danach hatte ich tatsächlich erstmal überraschend wenig Lust auf Serien. Kein Witz. Ich weiß, das ist ein hartes Urteil. Vor Allem da die Serie vielen ausgesprochen gut gefallen hat. Vielleicht kann mir ja der eine oder andere Leser da draußen erklären, woran der Reiz der Serie für ihn oder sie lag? Habt ihr die anderen eventuell auch gesehen und wie fällt euer Urteil aus?
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