Man muss ja eh schon keine Angst vor Spoilern bei mir haben – heute noch weniger! Denn die Comicbände um die es heute geht, sind alles Anfänge von reihen. 🙂 Und natürlich kann ich mir nicht verkneifen mal die Eindrücke zur Ausbeute vom „Gratis Comic Tag“ zu teilen.
„Paper Girls“ Bd. 1-2; Brian K. Vaughan, Jared K. Fletcher, Matthew Wilson, Cliff Chiang (Cross Cult)
Jetzt wo klar ist, dass die Paper Girls verfilmt werden, sollte ich mich wohl mal etwas sputen und die Reihe zu Ende lesen. Allerdings war ich auch erst bei Band zwei. 2018 habe ich Band 1 gelesen – lange bevor es „ausgelesen“ gab. 😉 Da ich mich an zu wenige Details erinnern konnte, habe ich den ersten Band gleich nochmal gelesen. Was bei mir eigentlich eher selten ist. Paper Girls handelt von einer Gruppe Teenagermädchen, die in der Stadt Stoney Stream Zeitungen austragen. Am Morgen nach Halloween sind noch ein paar Irre unterwegs und so begegnen die drei Austräger-Veteraninnen Mac, Tiffany und KJ der „Neuen“ Erin und nehmen sie kurzerhand unter ihre Fittiche und tragen gemeinsam aus.
Plötzlich gibt es einen lauten Knall und nichts ist mehr wie zuvor in Stoney Stream. Alle anderen Menschen scheinen verschwunden zu sein. Da laufen Kreaturen rum, die eine fremde Sprache sprechen und Flugsaurier düsen über den Himmel. Es ist abwechslungsreich komisch und dramatisch zu sehen wie die Mädchen versuchen sich in diesem Irrsinn zurechtzufinden und dabei als Freundinnen zusammenwachsen. Dabei kommen in fast jedem Kapitel noch mehr Irrsinn und Überraschungen dazu. Da die Geschichte irgendwann in den 1980ern spielt, gehört auch der „temporale Lokalkolorit“ dazu, der Spaß macht. Denn soviel sei verraten: Zeitreise wird eine Rolle spielen und die Reaktionen der Mädchen auf Apple-Produkte und Flachbildfernseher ist großartig!
Wenn sich nun die Abstrusitäten so stark häufen und dann kommt auch noch Zeitreise dazu, könnte das beliebig und wie zuviel gewollt wirken. Aber durch die sehr natürlichen Reaktionen und den „Mach das Beste aus dem Shit“-Pragmatismus der Mädchen bleibt es gut. Paper Girls war zur Zeit seines Erscheinens um 2015 besonders dafür bekannt und gelobt, dass es zur Abwechslung mal gleich vier Heldinnen hat statt der klassischen männlichen Protagonisten, der die Comics dieser Welt immer noch überwiegend bevölkert. Mädchen waren da zu oft eher ein Sidekick oder schlicht nicht präsent außer als damsel in distress. Und sowieso wird Diversität hier groß geschrieben: alte, junge, schwule, Erin ist Asiatin, Tiffany schwarz – der Comic ist vielfarbig.
Und das nicht nur im übertragenen Sinne. Ich finde, dass die Illustratoren Jared K. Fletcher, Matthew Wilson und Cliff Chiang eine großartige Arbeit gemacht haben. Der Stil ist etwas kantig und reduziert, aber emotional genug. Und mir gefallen besonders die Farbpaletten von Matt Wilson, die mal abhängig von Stimmung und Lichtquellen die Seiten überwiegend in Blau- oder Violetttönen baden etc. In Band 2 übrigens wird durch die Blume schon etwas klarer was hier genau abgeht und die Reihe hat sogar eine herrliche, nicht besonders stark versteckte Trump-Kritik eingebaut. Ich freue mich schon auf Band 3.
„Delicious in Dungeon“ Bd. 1, Ryoko Kui (Egmont Manga)
In diese ganze Dungeons und Dragons-Sache bin ich nie so richtig reingewachsen. Am ehesten noch habe ich beim Zelda spielen irgendwas mit Dungeons zutun. Aber als ich in der Vorschau zum Gratis-Comic-Tag 2020 den Titel las und dann später auch in einer Episode vom Comicklatsch (ich gestehe: mit Verspätung) davon hörte, war ich doch neugierig. Das klang schon zu witzig: eine Gilde flieht mit Müh‘ und Not aus einem Dungeon. Der Anführer Laios musste aber seinen Bruder Schwester Falin zurücklassen. Gemeinsam mit der Elfe und Zauberin Marcille und dem Halbling Chilchuck beschließen sie zurückzugehen und Falin zu retten. Allerdings mangelt es an Proviant. Um keine Ausrüstung verkaufen zu müssen, schlägt Laios vor, dass sie sich einfach von dem ernähren, was sie im Dungeon finden. Giftige(?) Skorpione, Riesenfledermäuse, Pilze, fleischfressende Pflanzen!? Während Marcille der Ekel peitscht, machen sie zarte Versuche in Dungeon-Gourmet-Küche und lernen wie wichtig eine ausgewogene Ernährung ist 😉 Man lernt viel für’s Leben in dem Manga:
„Denn wer nicht isst, kann nicht stark werden. Und wer nicht stark ist, kann nicht essen. Und wie entkommt man diesem Teufelskreis? Mit einer anständigen Dungeon-Malhzeit!“
Also ab in den Dungeon. 😀 Der Manga ist wirklich witzig! Ich kugel mich teilweise vor Lachen beim Lesen, wenn Laios zugibt, dass er schon immer eine Obsession mit Monstern hatte und wissen wollte wie sie schmecken, während die anderen ihn nur für wahnsinnig halten. Die Gerichte und auch die Anatomie der Monster und wie man sie kochen sollte, sind ganz gut überlegt und akribisch ausgearbeitet. Die fertig gekochten Gerichte sehen eigentlich immer ganz fein aus. 🙂 Im Manga werden sie wie in Tabletop- und Trading-Card-Games mit Nährwertangaben statt Ausdauer/Schaden/Gesundheits-Anzeige dargestellt.
Ganz witzig ist auch welcher Mischung aus Fantasy- und Fabelwesen sich die Mangazeichnerin hier annimmt und wie sie dargestellt werden. Stilistisch ist der Manga allererste Sahne, der Zeichenstil gefällt mir gut. Fraglich ist aber, ob die Geschichten vom Zubereiten der Mahlzeiten nicht irgendwann langweilig werden? Immerhin gibt es auch Episoden in denen die Gruppendynamik wichtig wird, wenn beispielsweise Marcille entgegen vorheriger Behauptung beweisen will, dass sie kein Klotz am Bein ist. Ob die Reihe länger für mich funktioniert, zeigt wohl die Zeit. Bis jetzt finde ich sie herrlich witzig und das will schon was heißen, denn ich bin eigentlich weder ein großer Fantasy-Fan noch leicht mit Comedy zu kriegen.
Ausbeute vom Gratis-Comic-Tag 2020
Der Gratis Comic Tag ist üblicherweise jährlich im Mai. Aufgrund von Corona-Beschränkungen wurde er dieses Jahr auf den September verschoben. Das sieht man den Leseproben auch an: dort steht noch das alte Datum. Man kann nur erahnen was für eine Erleichterung es für die Organisatoren ist, dass der Tag nicht ausfallen musste – piepegal, was für ein Datum drauf steht. So zog auch ich wieder aus und besuchte die Buchhandlungskette, die sich in meiner Stadt am Aktionstag beteiligt. Dort durfte man wie in den Jahren zuvor drei Leseproben auswählen. Corona-tauglich wurde das ganze durch eine kleine Schlange geregelt und dadurch, dass man nicht selber an das Regal mit den Leseproben durfte, sondern die auf Wunsch rausgegeben wurden. Hat gut geklappt. Oben drauf gab es Goodies wie Luftballons, Stifte und Glückskekse. Mitgenommen habe ich als Leseproben einen bunten Mix aus dem chinesischen Comic („Manhua“) Die Klingen der Wächter, dem Manga Delicious in Dungeon und der Comicadaption der Ilias.
Zum Dungeon-Manga muss ich wohl nix mehr sagen 🙂 Die Leseprobe hatte mich am Haken. Die Klingen der Wächter sieht sehr spannend aus. Wie ein Mix aus Geschichtsepos und Fantasy rund um einen Kopfgeldjäger, der allerlei Schwerter mitschleppt und mit seinem kleinen Sohn reist. Die Ähnlichkeit zu Lone Wolf & Cub drängt sich auf. War sehr dynamisch gezeichnet und der Stil hat mir sehr gefallen. Werde ich mir mal für später merken.
Die Ilias hingegen habe ich nicht mal in der Leseprobe zu Ende gelesen. Zwar sind die Illustratoren sichtlich Könner und da steckt viel Mühe in den vollfarbigen Panels, aber die Darstellung der Götter und des Olymp sind mir etwas zu klischeehaft-pompös. Auch das Pacing des Comics und die Panelaufteilung sind recht „klassisch“. In einem Mini-Panel taucht Athene auf und im nächsten puff ist sie schon wieder weg und die Handlung geht fix weiter. Das ist irgendwie recht piefig, unmodern und etwas „einfach“. Die Art Comics mit super-schnellem Pacing und der Not soviel wie möglich in Panels zu quetschen, hat mich bisher doch jedes Mal abgeschreckt. Da kommt für mich einfach keine Stimmung auf. Aber soviel ist klar: auch um das für sich selber herauszufinden sind Leseproben hilfreich.
Habt ihr auch beim diesjährigen Gratis Comic Tag zugeschlagen? Kennt ihr die „Paper Girls“ und „Delicious in Dungeon“ schon? Bei den „Paper Girls“ würde mich das nicht wundern – ich war ja schon 2018 beim ersten Lesen late for the hype train. So weiß ich zumindest schon, dass die Reihe etwas nachlassen soll. Es gilt sich davon mit eigenen Augen zu überzeugen. 🙂
In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂
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