#Japanuary 2021 – Besprechungen zu „Happiness“, „Bescheidene Helden“ & „Terra Formars“

Da einige Filme, die ich eigentlich im Zuge des „Japanuary“ schauen wollte leider nicht in Deutschland verfügbar und nicht ohne weiteres importierbar sind, musste ich ja etwas umdisponieren. Das trübte meine Freude anfangs. Eine der positivsten Überraschungen ist, dass man auch bei Rapid Eye Movies auf Vimeo fleißig Filme leihen und streamen kann. Nächster kleiner Rückschlag ist, dass ein paar andere Filme von den gängigen Streamingplattformen verschwanden. Der „Japanuary“ macht es mir dieses Jahr nicht einfach ^^ Mal gucken, ob ich es trotzdem noch irgendwie hinkriege alle Filme meiner Liste zu schauen. Sonst muss halt ein Ersatz her. Dieses Jahr steht der „Japanuary“ für mich ursprünglich unter dem Motto „Alles, was ich auf Nippon Connections und im Kino verpasst habe“. Los geht’s für mich mit SABUs „Happiness“!

Happiness

Als Kanzaki (Masatoshi Nagase) in einer Kleinstadt aussteigt und behauptet mit seinem Helm Menschen den glücklichsten Moment ihres Lebens vor Augen führen zu wollen, halten das die meisten erstmal für einen Trick oder eine Abzocke. Aber Kanzaki gibt vor nichts anderes als Gutes tun und forschen zu wollen. Und es funktioniert! Die Freudentränen kullern, Menschen bekommen ihren Lebenswillen zurück, die Bewohner der Stadt blühen förmlich auf. Aber als die Kamera sich mehr an Kanzaki heftet, wird deutlich, dass das noch nicht alles ist. Wenn niemand hinschaut, zeigt er manisches und brutales Verhalten und bald ist überdeutlich, dass er mit einem Hintergedanken in die Stadt kam. Und der hat nichts damit zutun irgendwen glücklich zu machen.


„Sabu: HAPPINESS (2016)“, via Rapid Eye Movies (Youtube)

Spätestens ab der Mitte des Films ist klar, dass der Titel Happiness purer Zynismus ist. Entgegen des schräg-heiteren Beginns, leitet ein brutaler Twist den Rückblick auf Kanzakis Motivation ein und wie er den Helm konstruierte. Er macht ihn zu einer tragischen Figur, dessen sensationeller Helm ihn selbst nie glücklich machen kann. Würde er sich seinen glücklichsten Moment vor Augen führen, wäre es ihn auch zeitgleich in ein tiefes Loch aus Trauer und Hass stürzen. Wie diese Kausalkette nach und nach aufgedröselt wird, mag überkonstruiert und sehr gewollt wirken, ist aber nichtsdestotrotz clever gemacht für seinen Zweck. Die Stimmung und Erwartungshaltung des Zuschauers wird komplett gekippt. Irgendwo ist das Ziel also erfüllt. Ein touch too much ist aber die Note in den letzten Minuten vor der Endroll. Und es ist insgesamt etwas schade, dass sich SABU auf die brutale, zugrunderichtenden Motive konzentriert und somit allzu brutal abschließt anstatt die beiden möglichen Botschaften häppchenweise zu mischen. Denn anfangs hat der Film eine weitaus positivere, nachdenklich stimmende. Nämlich, dass die schönen Erinnerungen allein in unserem Gedächtnis schlummern. In vielen Szenen der ersten Hälfte wird nämlich deutlich, dass die Menschen sich an ihre schönsten Momente gar nicht mehr erinnern konnten. Prinzipiell also liegt es an uns, unsere schönsten Erinnerungen, Träume und Glück zu bewahren. Und nicht an einem Helm.

Happiness (OT: ハピネス), Japan, 2017, SABU, 90 min, (8/10)

Sternchen-8

Bescheidene Helden

Bescheidene Helden ist eine in Europa via Netflix veröffentlichte Kurzfilmanthologie des Studio Ponoc, die unter dem Titel Ponoc Short Films Theatre läuft. Unter dem Titel Bescheidene Helden wurden drei animierte Kurzfilme zusammengefasst. Kanini & Kanino handelt von einer Familie von kleinen in Wasser und an Land lebenden Geschöpfen, die sich in Abwesenheiten der Mutter zu Dritt durchschlagen müssen. Durch einen unglücklichen Zufall werden die Geschwister Kanini & Kanino von ihrem Vater getrennt. Die kleinen erinnern an die Borger bzw. Studio Ghiblis Arrietty, beim zweiten Hinschauen fällt aber wohl der Groschen, dass die Familie um Kanini & Kanino vermenschlichte Krabben sind. 🙂 Der Kurzfilm ist großartig animiert und hat den speziellen Kniff den Zuschauer in die Froschperspektive zu versetzen und groß zu sehen, was sonst klein ist. Neben der Umgebung und den Tieren macht sich das u.a. bei der Größe eines einzelnen Regentropfens bemerkbar, der plötzlich ein ganz schöner Platscher ist. Der Kurzfilm ist genauso wie der zweite v.A. für jüngere Zuschauer gedacht, begeistert aber auch ältere.

Life Ain’t Gonna Lose handelt von dem kleinen Jungen Shun, der eine schwere Lebensmittelallergie hat. Eier sind der Übeltäter, der ihm das Leben schwer macht – und das so richtig. Das geht stets mit Epi-Pen und Krankenwagen aus. Am Wachsmalstift-Look animiert, zeigt der Film wie allen voran Shuns Mutter mit der Angst um ihren Sohn umgeht und vor welche Herausforderungen es Shun im Alltag stellt, aber auch wie er sich fragen muss, warum er ander ist als andere Kinder und einer viel zu früheren Realisierung, dass er eine Kondition hat, an der er sterben kann.

Invisible ist der dritte Animationsfilm und überzeugt auch nochmal durch einen eigenen Look, der deutlich mehr in ungesättigten Grautönen gehalten ist und auch allgemein ein bedrückenderes Setting hat. Er handelt von einem unsichtbaren Mann, der sehr darunter leidet nicht gesehen zu werden. Das entwurzelt ihn regelrecht vom Leben und er wird immer leichter bis er sogar droht von einem Windstoß weggeweht zu werden. Bis er ein bescheidener Held wird. Dieser wie auch die beiden anderen Kurzfilme zeigen wie es der Titel aus dem westlichen Markt verrät wirklich bescheidene, versteckte, wortwörtlich unsichtbare Helden. Das Segment Invisible hat mir besonders gut gefallen, da es animationstechnisch fabelhaft mit dem Motiv der Unsichtbarkeit spielt, indem es die Kamera sogar einmal mittig durch den Mantel des Unsichtbaren sausen lässt und allerlei andere schöne Kniffe auspackt. Alle Kurzfilme rühren auf ihre eigene Weise und der erste und dritte haben gar einen doppelten Boden. So darf man in Invisible spekulieren, dass das unsichtbar sein ja eigentlich nur eine Metapher ist für einen Menschen, der sich stets unbeachtet und nicht gesehen fühlt. Wie furchtbar sich das anfühlt macht der Film nur allzu deutlich. Life Ain’t Gonna Lose fehlt an der Stelle wohl aber ein deutlicherer Schlusssatz oder ein ausformulierteres Ende, aber man kann sich denken, was hier die Botschaft sein soll. Insgesamt mag sich Bescheidene Helden mehr an jüngere Zuschauer richten, begeistert aber alle Altersklassen nicht zuletzt wegen der liebevollen Animation. Man sieht dem Charakterdesign übrigens sehr stark an, dass in Studio Ponoc viele ehemalige Mitarbeiter Studio Ghiblis beigetreteten sind – es versprüht ähnliche Genki Genki Vibes wie Ghibli-Filme, wofür ich herzlich dankbar bin.

Bescheidene Helden (OT: ちいさな英雄-カニとタマゴと透明人間 „Chīsana Eiyū: Kani to Tamago to Tōmei Ningen“), Japan, 2018, Hiromasa Yonebayashi/Yoshiyuki Momose/Akihiko Yamashita, 53 min, (8/10)

Sternchen-8


„Ponoc Short Films Theatre, Volume 1 – Modest Heroes: Official Trailer“, via Studio Ponoc / スタジオポノック (Youtube)

Terra Formars

Takashi Miikes Film basiert auf dem gleichnamigen Manga von Yū Sasuga & Kenichi Tachibana, der inzwischen einerseits abgeschlossen ist, aber sage und schreibe sieben Spin-offs nach sich zog – hui! Die Prämisse lässt ein Trashfest vom Feinsten erwarten. Der Mars wurde mittels Terraforming bewohnbar gemacht um der Überbevölkerung der Erde zu entkommen. So weit so gut. Kleiner Nachteil: infolge des Prozesses ist der Mars mit Kakerlaken verseucht. Nun werden Kriminelle und alle die einen Batzen Geld oder eine Aufgabe brauchen, geködert an der Marsmission zur Vernichtung der Kakerlaken teilzunehmen. Was man ihnen verschwiegen hat: die Kakerlaken sind mutiert und große, starke, verdammt schnelle und brutale Bestien, die auch prompt erstmal einige der Novizen niedermähen.

Ist es ein Trashfest!? Es ist! Die Prämisse und auch Metapher ist eigentlich ziemlich interessant und polarisierend. Das Evil Mastermind, der die Rekruten auf den Mars schickt, bezeichnet die Aktion als „Ungeziefer mit Ungeziefer“ bekämpfen und sieht offenbar wenig Wert im Leben der Menschen. Immerhin wurden sie genetisch verändert, um es annähernd mit den Kakerlaken aufnehmen zu können. Um dem Motiv gerecht zu werden, wurden sie natürlich mit Insektenfähigkeiten ausgestattet, die auch relativ lehrreich und anschaulich erklärt werden. Man könnte fast meinen, dass der Film einem Lehrauftrag nachkommt.

Im Gegensatz zum sehr mit Mode beschäftigten Mastermind bekommen wir aber sehr wohl einen Blick in die individuelle Geschichte der Charaktere. Protagonist Shokichi (Hideaki Itō) und seine Freundin Nanao (Emi Takei) beispielsweise wurden beim Versuch geschnappt sie aus der Prostitution zu befreien. Die Rekruten sind allgemein ein ziemlich bunt gewürfelter Haufen aus Soldaten, Terroristen, einem Serienkiller, einer Polizistin, Ex-Yakuza, einem Kickboxer, etc.  Es schmerzt, dass im Film nicht genug Platz dafür ist alle Geschichten zu beleuchten. Sowohl die bunten Charaktere als auch die Metapher und moralisch angehauchten Motive würden die Action-Trash-Formal schön anreichern, aber der Mangel an Logik ist zu schmerzhaft. Warum nicht die Schotten dicht machen als die Terra Formars versuchen in das Raumschiff einzudringen? Warum nicht den Rekruten mitteilen, dass sie mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet wurden bevor sie rausgehen und zerlegt werden? Das und die mangelnde Screentime der Charaktere machen den Film dann doch eher unausgegoren.

Terra Formars (OT: テラフォーマーズ), Japan, 2016, Takashi Miike, 110 min, (4/10)

Sternchen-4

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Ankündigung/Filmliste

Header Image Photo Credits: Andre Benz

Das waren schon mal die Besprechungen zu drei meiner acht Filme – einen unterschlage ich noch, weil die Besprechungen etwas länglich geworden sind. Mit 50% gesehenen Filmen meiner Liste bin ich also zeitlich noch relativ gut dabei. Etwas schade ist, dass eine andere Aktion auf Twitter und Instagram unter demselben Hashtag läuft. Zuvor war das noch gut trennbar durch das Posten unter „#Japanuary202x“ statt „#Japanuary“, aber die Tweeter der anderen Aktion haben dieses Jahr leider auch „#Japanuary2021“ für sich entdeckt. Nichtsdestotrotz macht es viel Spaß. Wie war euer „Japanuary“ bisher?

3 Antworten

  1. „Terra Formars“ hab ich sogar gesehen. Ich fand den damals von der Idee und vom Setting her ziemlich gut. Aber wie du ja auch schon erwähnst, fehlt halt grundsätzlich die Zeit, die verschiedenen Figuren doch tiefergehend zu charakterisieren. Wahrscheinlich wäre hier ein Serie als Erzählform die bessere Alternative gewesen.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja das ist von der Prämisse schon recht spannend, aber auch ein bisschen absurd. In jedem Fall eine Idee, die unendlich viel hergibt. Im Manga haben sie das offenbar auch ausgereizt, wenn ich so lese wieviele Bände und Reihen es da gibt. Eine Serie gibt es übrigens tatsächlich auch schon! Eben als Anime. 🙂 Habe ich aber noch nicht gesehen. Würde aber mal vermuten, dass da mehr Zeit für die Charaktere ist.

  2. […] Witches Of The Orient, Alles ist Eins. Außer der 0, etc.) und 18 Kurzfilme (u.a. The Long Goodbye, Bescheidene Helden, Puparia, die Blade Runner Kurfilme, etc.) Es freut mich sehr, dass dieses Jahr wieder mehr […]

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