Es gibt eine Menge hochgelobte IT-Serien. „Mr Robot“, „Silicon Valley“, „Person of Interest“? Meine Nummer eins bleibt aber wahrscheinlich „Halt and catch Fire“ (HacF). Ich nenne sie allerdings auch gern „Die beste Serie, die kaum einer gesehen hat“. Aber vielleicht täusche ich mich ja. Zumindest eine andere Person fällt mir ein, die HacF gesehen hat. 😉 In zwei kurzen Absätzen versuche ich zu erklären, warum es die beste IT-Serie ist, danach folgt die Besprechung der letzten Staffel – leider nicht spoilerfrei für Staffeln 1-3. Aber vielleicht kann euch mein erster Abschnitt einen Eindruck der Serie vermitteln.

Warum „Halt and Catch Fire“ eine phänomenal gute, wenn nicht die beste, IT-Serie ist

HacF handelt von den Bestrebungen von vier Menschen in der IT-Branche das „nächste große Ding“ zu (er)finden. Darunter der Projektmanager und Sales-Experte Joe MacMillan (Lee Pace), der Hardware-Ingenieur Gordon Clark (Scoot McNairy) und seine Frau und ebenfalls Ingenieurin Donna (Kerry Bishé), sowie die begabte Programmiererin Cameron Howe (Mackenzie Davis). In der ersten Staffel begegnen sich die vier im Jahr 1983 bei dem Projekt einen ersten wirklich schnellen Personal Computer zu bauen, der zudem ein benutzerfreundliches Betriebssystem hat. Im Laufe von vier Staffeln wird ihr Weg bis Mitte/Ende der 90er Jahre verfolgt. Selbstredend, dass sie weder über zehn Jahre gesehen alle beste Freunde bleiben, noch am selben Projekt arbeiten. Im Gegenteil – sie werden auch mal zu Konkurrenten. Dabei bildet die Serie die Entwicklung des Web 2.0 ab, Chaträume, Online-Communities und Gaming; aber auch Virensoftware und … the Internet itself!

„The Best of Season 1 | Halt and Catch Fire“, via Halt & Catch Fire (Youtube)

Ihr „arms race“ verlieren sie schon Mal im Kopf-an-Kopf-Rennen mit anderen Kontrahenten, obwohl man ihnen wegen ihrer wegweisenden Ideen so die Daumen drückt. HacF kann man damit fast als IT-Krimi bezeichnen. Manchmal macht eine durchgearbeitete Nacht den Unterschied zwischen Gewinn und Verlust, Erfolg und bankrott. Nebenbei werden große Player und auch Skandale mehr oder weniger verdeckt behandelt. Apples Aufkaufen anderer geistiger Eigentümer, Copyright-Claims von IBM, Texas Instruments hat mehrere Auftritte, unvm. Damit spielt HacF zwar nicht in der Gegenwart, gibt aber sehr gut den IT-Boom wieder und die immer noch vorherrschende, immense Geschwindigkeit der Industrie. Auch die Hauptcharaktere, ihre Beziehungen untereinander, individuelle Konflikte und Hoffnungen machen die Serie zu einer der besten unter den IT-, aber auch Dramaserien. Joe macht eine große Entwicklung vom ruchlosen Projektmanager zum geläuterten Philosophen (in Ermangelung eines besseren Wortes) durch. Cameron wird sich mehrmals neuerfinden (müssen). Donna ist anfangs eine Ingenieurin, die als Frau und Mutter in der Branche nicht ernst genommen wird und Kaffee servieren muss anstatt zu entwickeln. Oh, das wird sich ändern, keine Bange! Gordons Weg führt ihn aus dem Keller in das Rampenlicht. Das alles macht es schon episch in der letzten Staffel anzukommen und sich zu fragen „Wo stehen sie dieses Mal?“ Wenn ihr lieber nochmal über den Anfang nachlesen möchtet, findet ihr hier im Blog Besprechungen der Staffeln eins, zwei und drei. Nachfolgend der finalen, vierten.

Besprechung „Halt and Catch Fire“ Season 4

Staffel drei ließ uns an dem Punkt zurück, in dem sich Cameron und Donna entzweien und die Gruppe so gespalten scheint wie noch nie zuvor. Da betreten Web Browser das Feld. HacF spielt wieder einmal mit den Erwartungen des Publikums, wenn zu Beginn der vierten Staffel recht schnell klar wird, dass sie das Rennen um den ersten Webbrowser bereits verloren haben. Auch andere wissen inzwischen, dass sich mit dem Internet Geld verdienen lässt. Joe sitzt wortwörtlich im Keller und schraubt an neuen Ideen. Währenddessen ist Donna Executive einer Firma, die kleinere IT-Projekte finanziert und aufbaut. Es ist wie eine kleine Zeitreise zu sehen, dass sie nun am anderen Ende des Tisches sitzt und über das Schicksal talentierter Ingenieur:innen entscheidet und eben auch mal eine Idee als lahm abweist. Gordon und Donna sind inzwischen geschieden und ihre Kinder Teenager, die es unterschiedlich gelassen nehmen, ein Wochenende bei Mum und eins bei Dad zu sein. Gordon erkennt nebenbei Haleys (Susanna Skaggs) Talent als Entwicklerin, während Cameron in die Staaten zurückkehrt. Ihr neustes Computerspiel wird von Kritiker:innen zerrissen, weil offensichtlich nicht verstanden. „Einfache“ Konzepte zum Stress und Dampf ablassen wie in Doom scheinen interessanter für die Masse zu sein als ihr Ansatz zu einem immsersiven, emotionalen Spiel. Dementsprechen weiß Cameron das erste Mal in zehn Jahren nicht, wo sie hin will.

„Halt And Catch Fire – A Look At Season 4“, via AMC TV UK (Youtube)

Wenn du versuchst Webseiten zu zählen

Wenn nicht Browser, was ist dann dieses Mal das „next big thing“? Genau. Man sieht wie sich Joe und Gordon von Idee zu Idee langhangeln wie man das Web kuratieren oder durchsuchbar machen kann. Sie führen quasi den Search Index Race. Und damit sind sie nicht alleine, weil Donnas Firma ihre nächsten eingekauften Start-ups auch in diese Richtung entwickeln will. Wer hat wen beeinflusst? Spannend ist zu sehen wie Joe, dem das fachliche Handwerkszeug fehlt anfangs wortwörtlich im Keller seiner gemeinsamen Firma mit Gordon sitzt und versucht Webseiten zu zählen. 🙂 Ebenso faszinierend: die zwei unterschiedlichen Ansätze der Firmen, die es tatsächlich beide in der jüngeren IT-Geschichte gab, nur unter anderen Namen. Joe und Gordon versuchen es mit einer „kuratierten Liste“, ein Ansatz der ganz klar, heute nur noch schwer denkbar ist. Wenn ich mich nicht täusche ist ihr Produkt u.a. an das Web Portal Magellan und ansatzweise an Yahoo angelehnt. Das Arbeitsklima, dass sie schaffen erinnert verdächtig an einen Google Campus in klein? Oder zumindest so wie man sich den vorstellt.

Die Staffel demonstriert noch besser als die vorherigen wie schnell der Aufsteig eines IT-Unternehmens samt einer Idee kommen kann und wie schnell der Abstieg. Wie sich aber IT-Rennen von reiner Hardware ins digitale, nicht mehr greifbare „hinter dem Bildschirm“ zurückgezogen hat, zeigt wunderbar eine Szene in der Donna um ein Gerät zu reparieren eben doch nochmal den Lötkolben bemühen muss, was in Anbetracht ihrer Managerattitüde fremd wirkt, nicht aber, wenn man an Season-1-Donna zurückdenkt. Die Zeiten ändern {d|s}ich.  Schon als Gordon zu einer seiner Partys die „Blue Man Group“ einlädt, ahnt man, dass sich die Serie unserer Gegenwart annähert. Besonders wird das auch an John „Bos“ Bosworths (Toby Huss) Rolle deutlich. Einst der Chef von Joe, ist er nun Frührentner, versucht sich nochmal im Business, will zeigen, dass er es noch drauf hat und verzockt sich prekär.

„The web is rocky territory“

Seit jeher war HacF sehr gut darin die Rolle der Frau zu adressieren ohne dabei Frauen als abwesend oder als Ausnahmeerscheinungen zu erklären, weil das auch Quatsch ist. Sie sind keine Fabelwesen der IT-Branche, sie sind da. Mit Camerons Glamour der Top-Spieledesignerin, deren Ideen inzwischen so innovativ sind, dass sie keiner kapiert und Donnas Platz an der Spitze eines IT-Unternehmens ist das Zeichen mehr als deutlich. Zuverlässig platziert die Serie außerdem weitere Frauen in IT-Rollen über die Staffeln hinweg und adressiert die Probleme der Industrie in Bezug auf ihre Geschlechterrollen eher unterschwellig. In einer Rede Donnas gegen Ende meint man den Uber-Skandal herauszuhören, aber auch einen optimistischen Blick in die Zukunft. Und einen augenzwinkernden – hier sind es mal die Männer, die absolut keine Ahnung haben. Beispielsweise anhand der Executive-Kollegen Donnas, die eine bahnbrechende Idee nicht erkennen, wenn sie vor ihnen steht und sie anbrüllt. Er erklärt Donna in bester Mansplainer-Tour „The web is rocky territory“. Das sagt er zu der Frau, die quasi Online-Communities erfunden hat. Auch das Zerwürfnis zwischen Donna und Cameron bleibt dankbarerweise nicht unadressiert. Denn ja, es mag so erscheinen, als ob Frauen in dieser Industrie oder anderen um knappe Ressourcen und Repräsentation kämpfen. Die Serie zeigt (was mich sehr freut), dass die Lösung eine andere ist: Rolemodels.

The next big thing is …?

HacF ist eine sich steigernde, ununterbrochen fabelhafte Serie, die wie keine den Spagat versteht zwischen dem Vorantreiben der Story und der Entwicklung der Charaktere. Gerade, wenn es in der Staffel herbe Verluste gibt und sich Beziehungen drehen, wenn Charaktere ausbrechen und alles in ihrem Leben umkrempeln, kultiviert sie eine verblüffende Bildsprache. Ich erinnere mich gern daran wie Joe, wieder einmal durchgerüttelt vom Leben, Hilfe bei einer Wahrsagerin sucht und als er aus dem Laden und auf die Straße tritt, nur knapp mit dem Leben davonkommt. Oder wie Cameron einen zaghaften Versuch plant sich wieder „ihr Ding“ zurückzueroben. Aber auf Cameron-Art. Manche Entwicklungen sind wunderschön und zermürbend zugleich. Vor Allem fühlen sie sich bis zum Finale realistisch an, weil das Leben verblüffend und berührend ist, aber nie nur einfach oder märchenhaft. Und was ist nun das „next big thing“? Jagen sie weiter danach? Die Frage müssen wir uns ein Stück weit selber beantworten. (10/10)

Leider ist HacF aktuell nirgends mehr komplett streambar. Lediglich die erste Staffel kann man via Amazon Instant Video abrufen, Staffeln 1-2 auf Apple TV. Das macht es natürlich nicht einfacher den Status „Die beste Serie, die kaum einer gesehen hat“ zu ändern. Kennt ihr HacF? Welche Serien, die IT können empfiehlt ihr?

Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen aus IT, Forschung, Netzwelt und Internet widme genauso wie Spaß rund um die Arbeit mit Bits und Bytes. 🙂