Serien-Besprechung: The Night Beyond the Tricornered Window (Anime)

Die Werbung auf Crunchyroll und ein klassisches „Wenn Dir x gefallen hat, dann gefällt dir vielleicht auch …“ hat mich zu „The Night Beyond the Tricornered Window“ geführt. Einem Mystery-Anime mit einem Hauch Boys Love. Check und Check, so einfach kann es sein. Der Ersteindruck war dann aber eher „Was zur Hölle schaue ich da gerade?“ In der nachfolgenden Besprechung versuche ich spoilerfrei zu formulieren, was genau so irritiert.

Der Buchhändler Kosuke Mikado hat seit jeher Geister gesehen und hasst seine Gabe. Die Erscheinungen sind grauenerregend und sobald sie spüren, dass sie wahrgenommen werden, sind sie zudem sehr auf Mikado fixiert. Kurzum: er hat seit jeher in Angst gelebt. Als er dem Exorzisten Rihito Hiyakawa begegnet, ändert sich sein Leben Schlag auf Schlag. Nicht nur ist Hiyakawa in der Lage die Geister auszutreiben, er erkennt auch Mikados Gabe und zwingt ihn in eine Businesspartnerschaft in der beide gemeinsam ihre Kräfte bündeln um zu exorzieren und paranormales zu untersuchen. Guter Nebeneffekt für Mikado ist natürlich, dass solange er in Hiyakawas Nähe ist, er erstens mit seiner Bürde nicht alleine ist und zweitens die Geister ggf schnell los wird. Der Haken dabei: die Praktiken Hiyakawas wirken nach außen unter Umständen nicht ganz jugendfrei.


„The Night Beyond the Tricornered Window | OFFICIAL TRAILER“, via Crunchyroll Collection (Youtube)

Das gibt eigentlich erst einmal nur den Inhalt der ersten Episode wieder und enthält immerhin die hauptsächlichen Kriterien zum Werben. Soll ich jetzt wirklich mit Plausibilität kommen? Na schon. Denn das ist auch der Grund für meine Irritation. Warum genau Mikado seinen Job schmeißt um mit Hiyakawa zusammenzuarbeiten wird nicht klar, da Hiyakawa anfangs v.A. auch sehr zwielichtig wirkt. Pseudo-erotisches Feature und für Comic Relief tauglicher Aufhänger ist, dass Hiyakawas Fähigkeiten bei Mikado Seiteneffekte haben. Wenn Hiyakawa mit seinem „Geist in Mikado hineingreift“ säuselt er ihm dabei ins Ohr „ich dringe in dich ein“, setzt irgendeine Kraft in Mikado frei, die sich für ihn wie ein Orgasmus anfühlt und tada: die Geister in dem Ort sind ausgetrieben! ^^‘ Das ist nur ein Beispiel für Hiyakawas Herangehensweise an die Fälle – und an Mikado. Das ist dann mal ein anderer Take auf Exorzismus. Könnte witzig sein, leider fand ich es anfangs v.A. eher schräg und doof, weil Hiyakawa nicht immer klar macht, was gleich passieren wird. Heißt: es gibt nicht immer eine Zustimmung Mikados. Ein beliebtes Muster, das auch die falschen Signale senden kann.

Zweiter Punkt von „eher schräg und doof“: Es ist sehr unscharf umrissen, was genau Hiyakawas und Mikados Fähigkeiten sind. Ich habe mich irgendwann damit abgefunden zu sagen: „sie haben halt paranormale Fähigkeiten“. Das klingt zwar banal (so wie „Sie hatten halt heute im Bioladen keine Tomaten“), aber mehr definiert die Serie eben nicht. Mit der Aussicht auf 12 Episoden voll dieser beiden Muster, hatte ich den Anime gedanklich schon für mich gestrichen. Dann schaute ich nach Wochen doch weiter und Überraschung: ab etwa Episode 4 bekommt die Serie mehr inhaltliche Unterfütterung und tatsächlich noch interessante, okkultistische und spirituelle Fälle.

Richtig los geht es damit ab Episoden 2 bis 4, in denen die beiden beispielsweise untersuchen, warum sich die Verlobte eines Schulfreundes Mikados seltsam verhält. Die Fälle sind unterschwellig gruselig und die Ideen dahinter manchmal ganz smart. In den 23 Minuten werden sie aber recht kurz abgehandelt. Danach geht die Serie in einen persönlicheren Modus über und widmet sich der Vergangenheit von Mikado und Hiyakawa, sowie einer jungen Frau namens Erika Hiura, deren Profession genau das Gegenteil ist. Während Hiyakawa und Mikado Orte sprituell reinigen und Geister austreiben, pflanzt Erika Flüche als Auftragsarbeit. All ihre Geschichten sind verbunden und kulmulieren in einem tatsächlich recht spannenden Finale.

Der Weg dahin wird sehr ansprechend dadurch geebnet, dass Hiyakawas Geschichte von Episode 2 an nebulös ist. Funktioniert immer. Oder jedenfalls meistens. Auf eine Frage Mikados über Hiyakawas ab und zu seltsame Wortwahl gibt er an, dass er früher lange nicht gesprochen hat. Im weiteren Verlauf der Serie erfahren wir, dass er als Kind durch seine Begabung im Mittelpunkt einer Sekte stand und dort als „großer Gelehrter“ gefangen gehalten wurde. Er hat quasi nie die Außenwelt gesehen bis zu seiner, naja, nennen wir es Befreiung. Mikados Hintergrundgeschichte ist ähnlich tragisch und beide geben sich im Verlauf der Geschichte dann doch mehr als es anfangs den Anschein erweckt. Beide waren immer alleine mit einer Fähigkeit, die Gabe wie auch Bürde ist und fühlten sich von niemandem verstanden. Spätestens hier funktioniert das alles auf emotionaler Ebene sehr gut. Die pseudoerotischen Ausbrüche aus dem Bündeln ihrer Fähigkeiten werden übrigens komplett jugendfrei dargestellt. Wer über keinerlei „gaydar“ verfügt, wird sich eventuell gar nichts dabei denken.

Versteht mich nicht falsch – ich finde das hätte tollen Comic Relief hergegeben oder auch tatsächlich sexy sein können, wenn es richtig gemacht wird. Aber dafür ist die Handlung am Anfang viel zu überstürzt und die Witzleien werden auch irgendwann eher sang- und klanglos fallen gelassen. (Vielleicht zum Besseren.) Was leider so bleibt: die Serie erklärt ihren Spiritismus nicht im mindesten. Charaktere können plötzlich den Tod überwinden, manchmal im Geist miteinander sprechen, manchmal nicht. Und das titelgebende „tri-cornered window“ wird auch nicht erklärt, ist aber doch oft zu sehen. Es ist eine Art Bund, mal auch ein Tor, vielleicht auch mal Bannkreis oder Übergang durch Bewusstseinsebenen. Hey, wer weiß das schon? Das stört halt zunehmend, weil es auch so einfach ist. Ohne Grenzen und Erklärungen kann eine Serie, ein Anime, ein Manga, halt einfach alles machen ohne dass wir wissen warum und auf ewig verwirrt bleiben müssen. That’s how not to do it. Vor Allem weil man dann nicht würdigen kann, wenn dort etwas von größerer Bedeutung passiert.

Das irgendwie altmodische Character Design und die zu rigide Animation sind auch nicht unbedingt Pluspunkte. Man kommt nicht umhin sich zu fragen, ob der Manga all das anders macht? さんかく窓の外側は夜 („Sankaku Mado no Sotogawa wa Yoru“) wie der Manga im Original heißt, erschien von 2013 bis 2020 und hatte somit offenbar etwas mehr Zeit all das Gesehene zu entwickeln. Der Anime fühlt sich mit seiner 12-Episoden (à 23 Minuten) starken Staffel relativ „fertig“ an, lässt sich aber auch die Option auf eine Fortsetzung offen. Tatsächlich wurde der Stoff sogar verfilmt. Und hey: ich kann’s verstehen. Die emotionale und charaktergetrieben zunehmend besser werdende Unterfütterung der Handlung hat mir immerhin so gut gefallen, dass ich von „nay“ zu „yay“ plötzlich weitergucken wollte. Aber da ist auch der Gedanke: es hätte soviel besser sein können, wenn man hier und da an den Stellschrauben gedreht hätte. (6/10)

Sternchen-6

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Erinnert euch die Beschreibung Mikados auch stark an CLAMPs xxxHolic und dort im Speziellen an Watanuki und Doumeki? Mich auch. Letzten Endes ist die Geschichte dann immerhin „anders genug“. Wann habt ihr zuletzt eine Serie oder einem Anime geschaut, der anfangs nach Quark aussah, aber dann immer besser wurde? Oder einen bei dem ihr dachtet „damn, das hätte so gut werden können“? Kennt ihr Anime, Mangavorlage oder Film vielleicht sogar? Man kann „The Night Beyond the Tricornered Window“ aktuell bei Crunchyroll schauen. Und falls meine Besprechung zu negativ klang: ich finde die letzten vier Episoden und das große Finale sind es durchaus wert, dass man über den einen oder anderen Nonsense hinwegschaut. Wie es der Zufall so will, erscheint seit diesen Monat der Manga bei Panini auf Deutsch unter dem Titel „Die Nacht hinter dem Dreiecksfenster“.

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