Als ich neulich im Zuge der Rubrik Netzgeflüster über ‚Serien, die IT können‘ geschrieben habe und mir ‚Halt and Catch Fire‘ Season 1 als erstes Beispiel vornahm, fiel mir ein: die Serie könntest du eigentlich auch mal wieder weiterschauen. Das habe ich lange nicht gemacht. Warum? Ich weiß es selbst nicht so genau. Die Serie ist allererste Sahne. Unter meinem Artikel sagte die BingeReaderin, dass es klingt wie ‚Mad Men in der IT-Branche‘. Und das stimmt. Es kann das mit dem Business-Anteil vielleicht sogar noch besser als ‚Mad Men‘. Im Prinzip habe ich es lange nicht geschaut, weil ich auf Arbeit jeden Tag jede Menge IT habe. Aber beflügelt durch neue berufliche Herausforderungen und ein neues Projekt, in dem weniger Druck herrscht und durch meinen eigenen Artikel in ‚Netzgeflüster‘ hatte ich riesige Lust die Serie weiterzuschauen. Auch mal schön. Vor Allem die Staffel. Review ist spoilerfrei für Staffel zwei, nicht für Staffel eins.
Nach den Ereignissen der ersten Staffel und einem Jahr inzwischen vergangener Zeit, befinden sich alle Charaktere an einem vollkommen anderen Platz. Und in den meisten Fällen einem wünschenswerten. Cameron (Mackenzie Davis) und Donna (Kerry Bishé) arbeiten zusammen mit der ehemaliger Coder-Squad von Cardiff Electric und neuen Gesichtern in einer selbst gegründeten Firma. Mutiny nennen sie ihr Baby, Cameron ist quasi-Chefin, ansonsten herrscht dort Anarchie. Oder drücken wir es mal fein aus: es ist ein Mittelding aus Garagen-Projekt und Start-Up. Ihre Online-Games sind beliebt, ihre Miteinander ist unverblümt, frisch und kreativ. Jeder kann Ideen anbringen. Donna geht in ihrer Rolle als arbeitstätige Frau auf und kann nach Jahren der Unterschätzung ihr Fachwissen anwenden. Gordon (Scoot McNairy) verkauft Cardiff Electric und bekommt aus der Liquidation eine Menge Geld raus. Arbeiten müsste er danach erstmal nicht mehr und verbringt (zur Abwechslung) mal richtig viel Zeit mit seinen Kindern. Es ist als ob sich Donnas und seine Rolle getauscht hätten. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Mutiny mag eine tolle Vision haben, aber das Start-Up- und Garagen-Feeling äußert sich auch mal schnell darin, dass ihnen der Strom abgedreht wird. Donna fühlt sich manchmal als würde sie einen Haufen pubertierender Jungs babysitten und gibt das Cameron zu verstehen. Gordon hingegegn hat mit den Folgen seines vergangenen Jahrs zu kämpfen. Zur Leistungssteigerung nahm er viel Kokain, was bei ihm scheinbar zu gesundheitlichen Folgen führt
Aber das sind nur Momentaufnahmen. Die Entwicklung der Charaktere nimmt volle Fahrt auf, eine der großen Stärken von Halt and Catch Fire und was die Serie konseqeuenter beherrscht als viele andere. Am deutlichsten dürfte das an Joe MacMillan (Lee Pace) auffallen. Er hat seine Fehltritte und sein Management auf Kosten des Lebens anderer hinter sich gelassen und lebt mit seiner Freundin Sarah (Aleksa Palladino) zusammen. Über seine Vergangenheit spricht er wenig und wenn, dann sogar etwas reumütig. Er ist sich bewusst, dass er es mit Cameron und Gordon verkackt hat, beziehungsweise mit ganz Cardiff Electric. Aber sein Feuereifer wird wieder geweckt, als er beginnt in der Firma von Sarahs Vater zu arbeiten. Er verspricht sich Großes und erwartet wieder zu Höchstform aufzulaufen, wird aber in einer winzigen Stelle mit einer stupiden Dokumenten-Arbeiten beschäftigt. Als er beginnt Geschäftsideen zu entdecken und die zu pushen, meint man den alten Joe MacMillan wiederzuerkennen. Aber den Fehler macht die Serie nicht. Halt and Catch Fire ist schlauer und führt die Charaktere tatsächlich mehr oder weniger wieder zusammen und sorgt damit für ordentlich Funken, wie wenn Material hart aufeinander prallt. Besonders für die Beziehung von Donna und Gordon wird es eine schwere Staffel, denn der Tausch ihrer Rollen bringt einiges an Konfliktpotential mit sich, das allerdings brandaktuell ist bzw. fortschrittlich dafür wirkt, dass wir noch heute über Frauen in Männerberufen philosophieren und über die arbeitstätige Frau und den Versuch von Eltern alle Aspekte des Alltags und Familienlebens doch mal 50:50 zu teilen. Der andere große Knackpunkt ist Joe, der eine wahre Odyssee in dieser Staffel durchlaufen muss oder darf. An ihm wird demonstriert wie einzelne Fehltritte einen einholen und die Geschichte sich auch ohne viel zutun wiederholen kann. Cameron hingegen scheint den Großteil ihrer Entwicklung irgendwie zwischen Staffel eins und zwei verlebt zu haben. Sie wächst zwar immer noch an den Herausforderungen eine eigene Firma zu besitzen und alles anders machen zu wollen, aber es ist schon zu Beginn der Staffel deutlich spürbar, dass sich viel seit Cardiff Electric verändert hat.
„Halt and Catch Fire Season 2 Promo (HD) Lee Pace“, via JoBlo TV Show Trailers (Youtube)
https://www.youtube.com/watch?v=aBF38GXVzH4
Halt and Catch Fire ist neben so Kandidaten wie The Americans wahrscheinlich eine der besten unbeachteten Serien. Denn neben all der Story, all der Charakterentwicklung schafft sie es ein authentisches Zeitgefühl wiederzugeben und den Zuschauer zu fordern, aktuelle Themen und Konzepte und Knackpunkte des Jetzt aufzugreifen. Bedeutet, dass sowohl die zeitgemäße Ausstattung treffend ist (Autos, Klamotten, Technik, Kostüme, Frisuren, …) und einen schönen Retro-Charme mit sich bringt (Capri-Sonne und Terminator I inklusive). V.A. in punkto Technik horcht aber sowohl der Technik-Tourist als auch der Insider das eine oder andere Mal auf. Beispielsweise wenn Donna mit Community ihr Herzensprojekt pitcht und in Mutiny versucht unterzubringen: einen Service, den wir heute als Chatrooms bezeichnen würden. Auch Hosting-Provider, First-Person-Shooter, Antivirenprogramme und zahlreiche andere Technologien werden hier aufgegriffen, oftmals ohne ihre später vollkommen üblichen Fachbegriffe überhaupt ins Spiel zu bringen. Der Aha-Effekt beim Zuschauer: garantiert. Somit ist Halt and Catch Fire Staffel 2 noch besser, konsequenter und v.A. spannender erzählt als die Vorgängerstaffel und ein großer Tipp. Narrative Hänger und Täler wie die der Vorgängerstaffel wurden deutlich begradigt, die Serie gleicht sogar einem IT-Business-Krimi, u.a. was Copyright betrifft. Und was das Ende betrifft (soviel darf man verraten) ihre Charaktere mit einem noch kontroverseren Ende zurücklässt als zu Beginn.
(10/10)
Habt ihr die Serie auf dem Schirm oder flog sie bei euch bisher eher unter dem Radar? Ich hoffe spätestens jetzt seid ihr neugierig 😉 Welche guten IT-Serien kennt ihr und könnt ihr empfehlen? In welcher Serie wird IT eurer Meinung nach lachhaft dargestellt?
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