Dieses Jahr fand das japanische Filmfestival „Nippon Connection“ vom 24.-29. Mai live und in Farbe in Frankfurt am Main statt nach zwei Jahren pandemie-bedingtem Online-Filmfestival. Leider konnte ich nicht vor Ort dabei sein und war daher sehr glücklich über die Ankündigung, dass in der darauffolgenden Woche ein Teil des Programms online on demand abrufbar sein würde. Richtig: der Blick auf den Kalender zeigt diese Woche. Sogar noch bis einschließlich Montag, den 6.6. 🙂 Zwar ließ mich auch in der Woche die Arbeit und das Privatleben kaum los und ich habe bei Weitem nicht soviele Filme on demand geschaut wie ich wollte, aber den hier zu sehen, lag mir sehr am Herzen. Der Dokumentarfilm „Satoshi KON, The Illusionist“ handelt von niemand geringerem als dem meiner Meinung größten Anime- und Manga-Künstler aller Zeiten. Dem viel zu früh verstorbenen Satoshi Kon. Die Besprechung ist spoilerfrei.
Bevor es ans Eingemachte geht, sehen wir da erstmal Auszüge aus Animes und es kommen etliche bekannte Personen zu Wort. Der Anime-Regisseur Mamoru Hosoda (Das Mädchen, das durch die Zeit sprang), Mamoru Oshii (Ghost in the Shell), der US-Regisseur Darren Aronofsky (Black Swan) und Drehbuchautor und Regisseur Rodney Rothman (Spider-Man: Into the Spider-Verse), um nur einige zu nennen. Die Person, von der sie sprechen: Satoshi Kon. Der im August 2010 an Bauchspeicheldrüsenkrebs Verstorbene hat einst als Mangazeichner angefangen und ist später v.A. mit seinen Animationsfilmen Perfect Blue, Millennium Actress, Tokyo Godfathers, Paprika und der Animeserie Paranoia Agent bekannt geworden und hat alle der zu Wort kommenden Wegbegleiter:innen stark beeinflusst.
„Satoshi KON, The Illusionist『今敏─夢みる人』 Official Trailer | Nippon Connection Filmfestival 2022“, via NipponConnectionTV
Erst nach diesen Vorschusslorbeeren widmet sich die Dokumentation dem Werdegang Satoshi Kons, angefangen bei dessen Schulzeit. Als eins der Vorbilder Kons wird hier Katsuhiro Otomo (Akira) genannt. Auch wenn ich mir dessen nicht bewusst war, macht das rückblickend absolut Sinn, wenn man den Detailgrad der Animation und die Wirkung der erzählten Geschichten betrachtet. Ab da wird Film um Film abgeklappert und auch einige der Mangaprojekte Kons. Viele davon wurden nie beendet wie Seraphim: 266613336 Wings, das in Kooperation mit Mamoru Oshii entstand. Besonders anhand der Filme wird evaluiert, inwiefern Satoshi Kons Vision oder Artwork die Branche revolutionierte. Sei es das Vordringen in die menschliche Psyche und die Kritik an mediengemachten Boy- und Girlbands wie in Perfect Blue oder das Aufbrechen gewöhnlicher Erzählmuster in Millennium Actress, gespickt mit dem Rundumschlag durch de japanische Filmhistorie. Satoshi Kon starb mit nur 46 Jahren. Ich gestehe es trieb mir die Tränen in die Augen bei allem, was Kon noch hätte vollbringen können. Aber wie heißt es so schon: Weine nicht weil es vorbei ist, sondern lächle, weil es schön war!
Die von überall auf der Welt eingesammelten Stimmen und Kommentare sind ein Zeugnis des Einflusses und der Bedeutung von Satoshi Kons Schaffen, aber verhehlen auch nicht, dass er fordernd war. Ein Perfektionist, der selber alles gab für seine Werke, aber auch alles verlangte. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen setzte er sich dafür ein, dass die beschäftigen Animationskünstler:innen gut bezahlt werden. Nicht nur gut, sondern besser als es Usus in der Industrie war. Noch heute ist die japanische Animationsbranche dafür bekannt teilweise einen Hungerlohn zu zahlen, obwohl sich Anime nach wie vor wachsender Beliebtheit erfreuen. Im Umkehrschluss machten Kons Produktionen nicht soviel Gewinn wie sie könnten – finanzielle Krise trotz begeisterter Stimmen unter den Kritiker:innen und im Publikum.
Ist Satoshi Kons Geschichte damit eine tragische? Mitnichten bei dem Erbe. Die Dokumentation taucht tief in die wiederkehrenden Motive Kons, das Spiel mit Gegensätzen, oftmals auch in Form mehrerer Persönlichkeiten innerhalb eines Menschen. Und nicht zu vergessen das Vermischen von Traum, Unterbewusstem und Realität, das in Paprika zu einem bunten Feuerwerk kumuliert. So wird aber auch in Pascal-Alex Vincents Film erwähnt, dass eben dieser Film das Ende von Satoshi Kons üblichen Themen war und er bereit sich neuen Denk- und Erzählmustern zu öffnen. Was hätte die Zukunft gebracht? Kons nächstes Werk, Dreaming Machine, blieb unvollendet, aber die Doku gewährt einen seltenen Einblick in das, was uns erwartet hätte. Mensch. Was hab ich Lust jetzt einen Satoshi Kon Rewatch zu machen!
Satoshi KON, The Illusionist (OT: 今敏─夢みる人 „KON Satoshi – Yumemiru hito“), Frankreich/Japan, 2021, Pascal-Alex Vincent, 82 min, (8/10)
Zum On-Demand-Angebot des Films
Kennt ihr Filme oder Manga von Satoshi Kon? Wenn ja, welche sind eure Favoriten? Ich kann euch eigentlich alle uneingeschränkt ans Herz legen, obwohl „Millennium Actress“ wohl mein Favorit ist. Leider ist aktuell nur der an Weihnachten spielende „Tokyo Godfathers“ im Angebot der populären Streaminganbieter (Netflix in diesem Fall) oder bspw. „Millennium Actress“ gegen Gebühr bei Amazon. Wenn ihr natürlich die Gelegenheit nutzt „Satoshi KON, The Illusionist“ in der Nippon Connection on demand zu schauen (5€/Film), dann bekommt ihr einen auszugsweisen Einblick in alle seine Filme. Übrigens: wer die Filme noch Montag bis vor Ende der Frist kauft, kann die Filme bei Nippon Connection on demand sogar noch ein paar Tage länger schauen.
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