Entschuldigung, haben sie da gerade Adolf gesagt? Jepp. „Manga-Gott“ Osamu Tezuka hat mit „Die Geschichte der 3 Adolfs“ einen Manga gezeichnet und erdacht, der teilweise in Nazi-Deutschland spielt. Ich habe mir den ersten Band zu Gemüte geführt, u.a. wegen des wirklich guten Arguments „von Osamu Tezuka“ und weil ich mal wissen wollte, wer die anderen 2 Adolfs sind. Davon abgesehen habe ich zwei Reihen fortgesetzt, deren erste Bände mir super gut gefallen haben. Wie immer gilt: spoilerfrei für den Band, enthält ggf. milde Spoiler für vorherige Bände der Reihen.
„Die Geschichte der 3 Adolfs“ Bd. 1 „Mord in Berlin“, Osamu Tezuka (Carlsen Manga)
Wenn wir in Zeiten leben wo andere Länder in ihre Nachbarstaaten einmarschieren und Vorwände der angeblichen Entnazifierung erfinden so wie Russland es mit der Ukraine tut, dann hat man eigentlich keine Lust von Adolf Hitler zu lesen. Von Diktatoren, die Menschenleben in geringere und wertvollere einteilen und Menschenleben opfern. Allerdings wollte ich schon lange mal was von Osamu Tezuka lesen und bin neugierig geworden. Schließlich lebte Tezuka einst sogar eine Weile in Deutschland. Die Geschichte der 3 Adolfs handelt vorrangig erstmal vom japanischen Sportreporter Sohei Toge, der für die Olympische Sommerspiele 1936 aus Berlin berichtet, wo auch sein Bruder lebt. Der will ihm ein brisantes Geheimnis über Adolf Hitler mitteilen. Bevor Sohei ihn treffen kann, ist sein Bruder aber tot. Das kann kein Zufall sein. Die Details des Mordes decken sich mit denen des Mordes an einer Geisha in Japan. Plötzlich befindet sich Sohei mitten in einem Spionagethriller, der ihn mehrmals fast das Leben kostet.
Die zwei anderen Adolfs sind der deutsch-japanische Diplomatensohn Adolf Kaufmann und sein jüdischer Freund Adolf Kamil, die beide in Japan leben. Manchen ist es ein Dorn im Auge, dass die beiden Jungen befreundet sind. So oder so wird beider Schicksal von denselben Geschehnissen beeinflusst, die Sohei Toge letzten Endes nach Japan zurückkehren und weiter ermitteln lassen. Osamu Tezuka hat das Leben der Hautcharaktere clever verknüpft, schlau damaligen Zeitgeist eingewoben, aber die übergreifende Handlung und Actionszenen sind doch recht musterhaft und manchmal etwas „einfach“ gelöst. Statt eines Erzählers fungieren Charaktere wie Sohei und die befreundeten Jungs als Moralkompass, die die NS-Ideologie und glühenden Wutreden Hitlers als kranken Irrsinn werten. Der Manga zeigt aber auch wie schnell Ideologie sich einimpft, wenn man keine neutralen, hinterfragenden Parteien mehr um sich hat.
アドルフに告ぐ (Adorufu ni Tsugu, wortwörtlich „Nachricht an Adolf“) erschien in Japan von 1983 bis ’85 in fünf Bänden, wohingegen er (wenn ich es richtig deute) in Deutschlandund in drei Bänden mit stattlichem Umfang veröffentlicht wird. Ich finde es sehr spannend wie sehr man in dem Manga Tezukas typisches Charakterdesign erkennt und die zu dem Zeitpunkt schon etwas „oldschool“ gewordenen stilistischen Mittel Tezukas. Beispielsweise die übertriebenen Grimassen Hitlers während seiner Reden oder der manchmal etwas überbordende Gebrauch von Speedlines oder Fischaugeneffekten in Schlüsselszenen. Kein Wunder, dass das etwas aus der Zeit gefallen wirkt – Osamu Tezuka hat viele der mangatypischen Stilmittel erfunden. Was also jetzt oldschool wirkt, war mal wegweisend für die Entwicklung des japanischen Comics. Die Geschichte der 3 Adolfs entstand aber schon eher gegen Ende der Schaffensperiode Tezukas. Trotzdem reißt die Geschichte mit und erlaubt einen Einblick in das Schaffen und Wirken des „Manga-Gotts“. Das alleine feiere ich schon recht stark, auch wenn der hitlerlastige Inhalt sicherlich nichts für jeden Tag ist. Aus rein geschichtlicher Sicht hilft der Manga besser das Geschehen rund um die NS-Anhängerschaft innerhalb Japans zu verstehen. Nicht zuletzt, weil des Zeittafeln zwischen den Kapiteln gibt, die das Weltgeschehen stichpunktartig einordnen. Nicht verschweigen will ich, dass eine Szene rund um den Protagonisten Sohei gar nicht protagonistenhaft wirkt. Er verprügelt im Laufe des Buchs eine Frau und ich frage mich wie die Szene wohl zu Erscheinen des Buches aufgefasst wurde.
„Folge den Wolken nach Nord-Nordwest“ Bd. 2, Aki Irie (Carlsen Manga)
Fast schon unorthodox wie sich Aki Irie den Manga fortsetzt. Zur Erinnerung: Folge den Wolken nach Nord-Nordwest handelt vom Privatdetektiv Kei, der auf Island lebt und mit Gegenständen kommunizieren kann. Der Fantasy-Aspekt tritt nicht besonders stark in den Vordergrund, stattdessen ließ uns der erste Band mit dem Cliffhanger zurück, dass Keis Bruder offenbar Dreck am Stecken und vielleicht sogar Tode zu verantworten hat. Die Handlung wird aber nicht fortgesetzt, sondern stattdessen bekommt Kei Besuch von seinem besten Freund, den er seit Kindheitstagen kennt. Die beiden düsen zusammen über die Insel und machen Sightseeing. Das war’s. ^^ Interessante, künstlerische Entscheidung. Was gelungen ist: ich will jetzt nach Island. Es ist wirklich ein toller Band über die Insel, die Sehenswürdigkeiten, die isländische Natur und Lebenseinstellung. Nebenbei werden Details über Island erklärt, die einem möglicherweise nicht bewusst sind wie der niedrigere Stand der Sonne zu bestimmten Jahreszeiten, etc. Das Erklären erfolgt spielerisch, ohne erhobenen Zeigefinger. Es hilft auch Kei mal durch die Augen von jemand anderem zu sehen. In dem Fall durch die seines Informatiker-Kumpels Kiyoshi. Aber bis zum Schluss hielt sich hartnäckig das Gefühl, dass ich auch ganz gern gewusst hätte, was nun mit dem sneaky Bruder los ist. Außer einem kleinen Teaser gibt es da aber nichts zu vermelden.
Tja. Kann man machen, schätze ich!? Irgendwie ist das auch ganz erfrischend, aber eine ausgewogene Mischung aus Vorantreiben der Handlung und Island-Reisebericht hätte mir noch besser gefallen. Vom Manga treibt es mich keinesfalls weg. Die Bilder sind fantastisch. Die Reiselust ist angeheizt. Für Foodies gibt es besonders ansprechendes Kapitel. Die Charaktere mag ich nun noch einen ganzen Tick lieber. Das ist vielleicht auch das Ziel der ganzen Übung gewesen. Jetzt dann bitte schnell weiterlesen und auch mit der Handlung vorankommen.
„Wer bist du zur blauen Stunde?“ Bd. 2, Yūki Kamatani (Carlsen Manga)
Nachdem Tasuku sich am Ende des ersten Bandes eingestand, dass er schwul und in einen Jungen verliebt ist, scheint eine Last von ihm gefallen zu sein. Das Versteckspiel vor seinen Klassenkameraden bleibt. Die Lounge ist inzwischen ein fester Anlaufpunkt nachdem die Schule aus ist. Dort kommt Tasuku inzwischen mit Misora ins Gespräch. Der Junge hat ihn früher höchstens mal im Vorbeigehen angepöbelt und fordert ihn ziemlich heraus. Eines Tages fällt dank des losen Mundwerks Misoras der Groschen, dass Misora auch das Mädchen ist, das ab und zu in der Lounge sitzt und liest. Nachdem Tasuku sich selbst seine Sexualität eingesteht, werden Misora und er Freunde. Vielleicht gerade weil Misora selber noch auf dem Weg ist. Aber durch Nähe entsteht auch Reibung und Verletzung. Der zweite Band schildert Tasukus Bemühungen Misora zu helfen. Als Tasuku versucht zu begreifen, ob Misora Transgender oder Crossdresser, schwul oder was anderes ist, kommt zur Sprache, dass Schubladendenken nicht nur hilft, sondern auch erdrücken kann. Die entstehenden Konflikte sind emotional und brutal.
Aber der Manga transportiert auch mehr Leichtigkeit als der erste Band, dadurch dass Tasuku inzwischen so gut in die Runde integriert ist und der Gang zur Schule ihn nicht mehr in Schweißausbrüche versetzt. Sein Schwarm scheint ihn auch zu bemerken, obwohl Tasuku es nicht darauf angelegt hat. Der zweite Band macht damit qualitativ gleichwertig weiter. Die stark metaphorischen Motive und Bilder des Manga zeigen dieses Mal besonders Misora und Goldfischmotive. Vielleicht wäre es einfacher man könne sich mal von außen betrachten wie es Misora mit dem Goldfischglas in der Lounge tut. Gleichzeitig schwingt hier auch mehrmals das Bild des Ertrinkens und Gefühl gefangen zu sein mit. Die Zeichnungen sind erneut wunderbar, die Themen einfühlsam und manchmal auch in Maßen schockierend vermittelt. Ich freue mich schon auf Band 3. V.A. da der zweite Band Cliffhanger-Potential hat.
Dass alle heute besprochenen Manga aus dem Hause „Carlsen Manga“ kommen ist unabsichtlich passiert. Lob, wem Lob gebührt. Mir haben sie alle drei sehr gut gefallen. Wobei man bei „Die Geschichte der 3 Adolfs“ schon den Zahn der Zeit fühlt. Kennt ihr die Manga? Und wie haben sie euch gefallen? Was waren an dem Zeitpunkt eure Erwartungen daran wie die Geschichte weitergeht?
In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂
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