Spät aber doch: auch als alle Episoden der finalen Staffel von „The Expanse“ online waren, habe ich nicht direkt geschaut, weil mich andere Dinge abgelenkt haben. Ich bin einfach nicht für das Modell wöchentliche Veröffentlichung im Streaming geschaffen. Das verzeihe ich vielleicht noch Free-TV, mehr aber auch nicht. Allerdings hat das die Vorfreude nicht geschmälert hat, denn ich bin ein großer Fan der Rocinante und ihrer Crew. Die Besprechung ist an sich spoilerfrei, nur nicht für vorhergehende Staffeln.
Inners, Belters and everything all at once
Nachdem Marco Inaros (Keon Alexander) und seine „Free Navy“ den Inners offiziell den Krieg erklärt und die Erde mit Asteroiden bombardiert hat, ist der Planet selber von Rohstoff- und Nahrungskrise, Trauer und Verlusten schwer gezeichnet. UN Secretary-General Chrisjen Avasarala (Shohreh Aghdashloo) braucht Belter-Verbündete und wird in dem Bemühen um eben jene einige Male mit ihrer Politik der Vergangenheit konfrontiert. Die Crew der Rocinante rund um Captain Jim Holden (Steven Strait), Amos (Wes Chatham) und Naomi (Dominique Tipper) schließt sich den Einsatzkräften gegen die Free Navy an und bezieht damit dieses Mal offiziell Stellung und nimmt Befehle entgegen.
Nicht nur das ist eine Veränderung, die das Gefüge der Crew auf die Probe stellt, sie durchleiden auch Trauer und Wachstumsschmerzen. Trauer aufgrund von Alex‘ Tod und Wachsstumsschmerzen durch Clarissas (Nadine Nicole) Hinzustoßen zur Crew. Aber Hinzustoßen und Aufnahme sind zwei unterschiedliche Dinge. Letzeres muss ich Clarisse bzw „Peaches“ noch verdienen. Auch Bobbie (Frankie Adams) stößt auf Avasaralas Befehl erneut zur Crew hinzu. Zur selben Zeit versuchen zwei weitere Personen ihren Platz zu finden. Camina Drummer (Cara Gee) muss zusehen wie ihr Team zerfällt und sich fragen, wo ihre Loyalität liegt; denn ohne Vebründete geht derzeit weniges. Filip (Jasai Chase-Owens) hingegen beginnt seinen Vater Marco Inaros mit anderen Augen zu sehen. Denn der scheint nicht für alle Belter zu kämpfen, sondern nur für Ausgewählte. Wen überrascht’s?
Strange Dogs
Neben dem Kampf zwischen „Free Navy“ und „Free Nations“ lädt uns die sechste Staffel auch auf den Planeten Laconia ein. In der dortigen Siedlung macht ein Mädchen eine faszinierende Entdeckung. Als in ihrem Umfeld etwas traumatisches passiert, will sie das nutzen, um ein Unglück ungeschehen zu machen. Zuschauenden wird klar, dass das große Konsequenzen hat und eine enorme Bedeutung. Aber über weite Stellen fragt man sich auch: und was hat das mit der Free Navy zutun? Der Roci und ihrer Crew? Wer in der vorhergehenden Staffel besser aufgepasst hat als ich weiß das wahrscheinlich schon von Anfang an. Für alle anderen gibt es später in der Staffel den entscheidenden Hinweis. Klar ist aber auch: smells like Sequel. Die Bedeutung für die finale Staffel ist nicht groß, die Bedeutung für die Welt von The Expanse schon. Die Geschichte der Kinder stammt aus einer Extra-Novel namens Strange Dogs. Hätte es aber den Handlungsfaden in der finalen Staffel nicht gegeben, hätte ich auch nichts vermisst.
The Expanse Season 6 – Official Trailer | Prime Video, Prime Video, Youtube
Mindestens ein Sequel zum mitnehmen, bitte
Es ist nicht das einzige Sequel, dass sich hier sehr prominent andeutet. Vor der sechsten Staffel waren die zwei großen ausstehenden Konflikte „Free Navy verhindern und Erde retten“ und „The Dark Gods“ präsent. Die Entitäten haben zum Ende der 5. Staffel angefangen aggressiv auf Konflikte um den Ring zu reagieren und bewiesen zu was sie in der Lage sind. Aber diese Geschichte in der (vielleicht aus Kostengründen) nur auf sechs Episoden angelegten Staffel umzusetzen und den Büchern angemessen Tribut zu zollen, wäre wohl zum Scheitern verurteilt. Bleibt also der Konflikt zwischen Free Navy und die Frage, ob sich Inners und Belters schaffen zusammenzuraufen. Das an sich kann auch stark sein und ist tatsächlich der Kern der Staffel.
Dank Freunden, die die Buchreihe sehr mögen weiß ich: in den Büchern widmet sich der Konflikt mit den Entitäten nochmal ein eigener Band, der einige Jahre nach dem Geschehen hier angesetzt ist. Mit ein bisschen Glück bekommen wir das später als Sequel oder gar als Film? Wünschenswert wäre es. Denn ich muss gestehen, dass ich persönlich das noch spannender finde. Zuschauende, die vor Allem darauf warten, werden eventuell enttäuscht von der Staffel sein. Wer hat aber auf Geschichten aus Laconia gewartet? Versteht mich nicht falsch. Ich mochte die Geschichte der Kids und ihrer Entdeckung in der Kolonie, weil sie auch eines Aspekt aufgreift, der in der Welt von The Expanse schon mal sehr prominent war und aktuell fast in Vergessenheit gerät. Ich mag all das Potential, was sie Laconia angedeutet hat. Aber es ist eben ein weiterer Appetitanreger und die Aussicht auf mehr eher unscharf. Dass Sequel, was man sich wohl mehr wünscht ist das um die Entitäten.
Nicht das Finale, das ich erwartet habe, aber auch kein schlechtes
Auch wenn ich dem Handlungsstrang um die Entitäten herbeigesehnt habe, war meine Erwartungshaltung schon korrigiert als ich von der Anzahl Episoden hörte. Außerdem war ich sehr gespannt darauf zu sehen ob und wenn ja wie es Marco Inaros an den Kragen geht. Ein starker Motivator. 🙂 Trotzdem ist der Aufbau all dessen in gewohnter Expanse Manier eher etwas langsam. Irgendwann in der Mitte fragt man sich: und wann gehts jetzt los? Da alle Wünsche, Hoffnungen und individuelle Handlungsstränge dann gegen Ende gut komponierten ineinandergreifen, kann man (aber sicherlich nicht jede:r) auch das verkraften. Irritierender ist dann aber ein anderes, andauerndes Problem der Serie. Das dieses Mal besonders schmerzt. Das Kräfteverhältnis zwischen Free Navy und Bund aus Free-Navy-Gegnern ist nie wirklich plastisch, nie sichtbar. Würde Avasarala oder irgendwer nicht zwischendurch mal anmerken, dass sie keine Schiffe mehr haben oder Inaros versucht große Verluste klein zu reden, würde man nichts davon sehen oder bemerken.
Je nach Erwartungshaltung ist die finale Staffel von The Expanse nicht so episch wie man gehofft hat, aber auch bei Weitem nicht der Fail wie ihn andere Stoffe vorlegen oder Heerscharen an Zuschauerschaft polarisierten. Ich denke da an Game of Thrones, Supernatural, Dexter und viele andere Serien, die sich am Ende stets selbst im Weg stehen. The Expanse hingegen hat klar aus dem wenigen, was sie zur Verfügung hatte (6 lausige Episoden!) das beste und vernünftigste gemacht. Sie hat sich auf eines konzentriert und das ist vielleicht so aktuell wie nie. Um die Konzentration auf Gemeinschaft und was wir erreichen können, würden wir zusammenarbeiten. Dafür gibts tritz viel Kritik einen kleinen Sternenregen. (8/10)
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„critically acclaimed, but not profitiable“ ist auch so ein Schicksal. Aber immerhin hat „The Expanse“ das beste unter den gegebenen Umständen daraus gemacht. Über Sequels oder wenigstens ein Sequel würde ich mich trotzdem freuen. Wie seht ihr das? Wie hat euch das Finale gefallen? Kennt ihr eigentlich die Bücher? Ich ringe noch mit mir, ob ich die lesen soll. Üblicherweise bin ich nicht so begeistert von Reihen.
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