Netzgeflüster: AI Art, ChatGPT und wann schaffen wir uns eigentlich endlich ab?

Alle reden über AI Art, ChatGPT und wer weiß, vielleicht wurde dieser Blogartikel von einer KI geschrieben. 🙂 Abseits der Scherze: tatsächlich ist mir das ein sehr persönliches Anliegen, da ich doch nebenbei zeichne und dachte, dass irgendwann als Nebentätigkeit tun zu können. AI Art kommt mir dabei nicht gerade gelegen und dürfte vielen Kunstschaffenden vielleicht sogar die finanzielle Existenzgrundlage nehmen. Und dann kommt noch ChatGPT. Wo liegen die Chancen der Inhalte aus der KI? Und was hat das alles mit einer meiner Familienfeiern zutun!?

Die Familienfeier

Zuerst sah ich den Avatar meiner Tante in einer Messenger-App und dachte mir – ah ja, das habe nicht ich gemalt. Dann saßen wir nach Ewigkeiten mal wieder zusammen und mein Cousin und sein Sohn packten aus. „Hier gibt es so eine coole App, die kann eure Fotos umwandeln, sodass die wie gemalt ausseht.“ Stilistische Filter kenne ich aus diversen Bildbearbeitungsprogrammen. Als ich das Ergebnis aber von nahem sah, war klar: oha, das ist nicht nur ein Filter. Details wurden weggelassen, das Bild sowieso verschönert und optimiert. Und es sah nicht nur aus als ob ein stumpfer Filter drüber gelegt worden war, sondern weitaus realistischer und stilistisch. Mmmh. Wer bucht da künftig noch Illustrator:innen? Alle freuten sich über ihre neuen Avatarbilder. Ich nicht.

Es eskalierte schnell

Im Sommer letzten Jahres kam DALL·E raus und zig ähnlich funkionierende System wie das kostenfreie DALL·E mini (heute CrAIyon). Jeder generierte sich zum Spaß Bilder aus der KI. Einige zum Prahlen, andere um zu zeigen wie schrecklich die Ergebnisse auch mal werden können. Wie es beliebt. Zu unsinnigsten Prompts wurden Bilder ausgespuckt. Alle waren fasziniert. Bald schon kam DALL·E 2 raus, die Bilder wurden hochqualitativer und unterstützen längst spezifische Stile. Netzpolitik.org titelte am 27. August 2022 Der Anfang von etwas Großem und sah viele Chancen für die Technologie, von der wir träumen. Oder von der irgendwer träumt. Am zweiten August fand ich über Hacker News den Blogeintrag von Jacob Marten How I Used DALL·E 2 to Generate The Logo for OctoSQL, in dem sich schon eher meine Befürchtungen von der Familienfeier wiederspiegelten.

Im November wurde ChatGPT, der nächste Streich von OpenAI, zur kostenfreien Verfügung gestellt. Jeder kann aktuell noch (nach Anmeldung) mit ChatGPT chatten, sich zeigen lassen wie man hackt, sich Filme zusammenfassen lassen oder gemeinsam einsam über den Turing Test schwadronieren. ChatGPT antwortet. Und kann sogar eure Coding-Fragen beantworten oder euch Code generieren. Neulich wurde mir ein Bild zugespielt, auf dem jemand auf LinkedIn davon schreibt mit ChatGPT eine Scrum-Retrospektive durchgeführt zu haben. Auf Anime2You wurde am 19. November berichtet: Neues Zeichenprogramm lässt Illustratoren um Job bangen. Dank DeepFakes sind wir ja vorher schon bei Bewegtbildern angekommen, aber scheinbar sind Anime auch schon nicht mehr sicher.

WDR berichtete am 9.12.22 über die Lensa-App Lensa: Kritik an beliebter Foto-App. Darin kann man nachlesen, dass für das Erstellen toller Stile Bilder von Künstler:innen verwendet werden. Wer gibt Bilder dafür her? Danach muss nicht mal gefragt werden, schließlich werben Kunstschaffende im Internet mit ihren Bildern oder bieten diese in Shops an. Am 14. Dezember 2022 berichtete der Stern Hype-App Lensa: Was dahinter steckt – und warum sie unerlaubt Nacktbilder produziert. Offenbar sorgt das Anwenden und Trainieren der KIs mit beliebten Bildern auch für das Reproduzieren von Stereotypen. Manga Passion berichtete am 8. Januar diesen Jahres Shinchosha veröffentlicht AI-Manga. Ist mein Job schon obsolet geworden? Sind meine Albträume schon wahr geworden? Und das bevor man nützliche Dinge mit KI macht.

Wie funktioniert’s überhaupt?

Dazu gehören jetzt verschiedene Faktoren wie Text zu Image Generierung und die eigentliche Bildgenerierung, die auch Faktoren wie Stile berücksichtigen kann. Der wunderbare Youtube-Channel Computerphile erklärt diverse Teile davon und man kann auch online mit dem Code rumspielen. Siehe Link in der Videobeschreibung. Ein bisschen Wissen in KI und insbesondere Künstlichen Neuronalen Netzen ist sinnvoll für nachfolgende Videos. Die Technologie heißt Stable Diffusion. Wer sich das lieber knickt, bekommt hier einen kurzen Erklärungsversuch (ich gebe mir Mühe): Künstliche Neuronale Netze (KNN) sind eine Methode, die Prinzipien des Maschinellen Lernens nutzt. Diese KNN „lernen“ anhand bestehender Daten. Das Lernen funktioniert über mathematische Modelle und es bedarf dafür in der Regel einiger Rechenkapazität. Hat so ein Netz „fertig gelernt“ brauch es typischerweise weniger Rechenpower und so lassen sich die Ergebnisse so einfach über Webseiten und Apps abfragen. Anbei die Videos mit verschieden viel Tech-Speak. Wenn euch das nicht interessiert, geht’s darunter weiter.


How AI Image Generators Work (Stable Diffusion / Dall-E) – Computerphile, Youtube


Stable Diffusion in Code (AI Image Generation) – Computerphile, Youtube

Vox erklärt das auch sehr angenehm und ich denke ohne viel Tech-Speak (andererseits habe ich da vllt durch meinen Job Bias und sollte das nicht beurteilen).


The text-to-image revolution, explained, Vox, Youtube

Und jetzt!?

Menschen reagieren. Wer sich schon immer mal wie ein:e Künstler:in fühlen wollte, kann … sich jetzt immer noch nicht so fühlen, weil ich aus eigener Erfahrung sagen kann: es ist soviel besser, wenn man wirklich Arbeit in etwas versenkt hat und auf das fertige Werk guckt, statt den DALL·E-Output zu bewundern, der nach einem Klick auftaucht. Wenig überraschend flutet sogenannte „AI Art“ trotzdem Instagram und vermeintliche „AI Artists“ legen sich Profile auf ArtStation und DeviantArt an, um dort Portfolios mit ihrer „Kunst“ zu füllen. Was sie gemacht haben? Jedenfalls nicht jahrelang üben, sondern eine API bedienen. Dementsprechend gibt es schon Proteste wie den von Denman Rooke, hier zu sehen auf ArtStation. Da das API bedienen wenig Gehirnschmalz und kein Können bedarf, bevorzuge ich den Begriff „AI Imaging“ oder „AI Images/Bilder“. Kunst würde für mich Intention und Können voraussetzen.

Dann ist es ja noch nicht mal so, dass AI Imaging und Konsorten Künstler:innen obsolet machen, sie rauben auch von ihnen. Nicht nur durch das Ausbleiben künftiger Engagements und eine mehr als schwammige Copyright-Frage, sondern auch durch den Raub im Vorfeld. Denn irgendwie müssen die Stable Diffusion KNN ja gelernt haben wie man zu einem Stil à la Andy Warhol oder Picasso kommt. Was Kubismus ist, was Manga Style und was fairy princess bedeutet. Das kommt natürlich aus bestehender Kunst. D.h. öffentlichen Instagram-Profilen von Kunstschaffenden, Webseiten und Kunst-Plattformen, auf denen man freigiebig danach suchen kann. Natürlich wollte ich das alles auch mal ausprobieren, bevor mir endgültig der Kopf raucht bei all den Konsequenzen. Findet ihr das Logo besser, dass ich für Sandra aka Booknapping gestaltet habe oder das von CrAIyon oder DALL·E?

Der Punkt den Netzpolitik da oben hat klingt so super optimistisch, weil AI Imaging uns erlaubt Ideen zu verwirklichen ohne dafür viel zu tun. Oder lasst es mich anders formulieren: ohne viel zu können. Sind wir Geschichtenerzähler, können wir diese nun auch auf das visuelle Level heben ohne uns dafür Kunstschaffende suchen zu müssen. Das hat wahnsinnig viele Chancen und ist ein potentieller Traumerfüller, das will ich gar nicht unterschlagen. Für andere eine Existenzbedrohung. Auch auf eine andere Gefahr möchte ich eingehen. Erinnern wir uns: ungewolltes Verbreiten von Stereotypen, das wir so oder so ähnlich schon mal in der „Können Algorithmen diskriminieren“-Debatte hatten. Als neulich mein Kollege CrAIyon ausprobierte, gab er einen lustigen Prompt ein, der anfing mit „software developer that [does something]“. Ich schaute die Bilder an und sagte empört, „Das sind ja alles Männer!“ Auf jedem Bild war eine für mein subjektives Empfinden männlich aussehende Person. Viele Bärte, viele karierte Hemden. Manche Dinge sind eben noch nicht im Datenset angekommen. So wie ich als Softwareentwicklerin.

Analog-digitaler Kannibalismus

Ersetzt mich künftig eine KI? Dann wird das wohl nichts mit meiner Hoffnung Kunst irgendwann doch noch zur Nebenbeschäftigung zu machen, wenn es schon für Vollzeit-Illustrator:innen bald keine Jobs mehr gibt. Warte … kann ChatGPT künftig nicht auch meine Blogartikel schreiben? Natürlich habe ich ChatGPT dazu befragt und auch eine sehr vernünftige Antwort bekommen. Meinen Beitrag zu Banshees of Inisherin konnte es leider nicht für mich schreiben, weil das zugrunde liegende Datenset Ende 2021 aufhört, es also den Film nicht kennt. Hier sieht man schon mal ein Manko: die AI ist nur so gut wie die Datengrundlage. Das nächste: es schreibt nüchterne Texte. Die Daten basieren ja schließlich auf Texten, die vermutlich eher einer Wissensbasis entsprechen wie Wikipedia und Stackoverflow.

Vielleicht hat ChatGPT ja aber bald ein Feature ähnliche DALL·E mit dem ich sagen kann „schreib mir einen ironisch angehauchten Text über AI art“. Noch gibt es eher nüchtern den Inhalt wieder. Chainsaw Man kannte es beispielsweise. Mein Programmierproblem hat es gelöst, aber mit einer sehr allgemeinen Anleitung. Dass die Anfrage etwas seltsam ist, da React eben vorrangig eine Frontend-Technologie, hat es eben nicht angemerkt. Es wertet nicht. Es sagt mir nicht, wenn ich seltsame Dinge verlange. Es macht im Zweifelsfall auch mal irgendwas. Funktioniert die Anleitung? Joar, irgendwie schon, auf einer oberflächlichen Ebene. Wird daraus so eine App? Kommt auf die Entwickelnden an, die es lesen.

Vor mir sehe ich Science-Fiction-Filme (gedreht von KIs natürlich), in denen Bilder von echten Menschen als Sensation gehandelt werden, inzwischen eine Seltenheit. Vielleicht ist das dann so. Hier und da wird auch über den Kannibalismus der Kunst gesprochen. AI Imaging braucht Kunst als Grundlage. Gäbe es keine mehr, dann würde es irgendwann nur noch Quark produzieren oder es gäbe keine neuen Reize mehr, richtig? RICHTIG??? woher kommen denn dann neue Stile und Strömungen? Naja, ich befürchte 1. aus dem Noise-Generator. Und 2. leider ist das Internet nun mal schon voll von Bildern. Wenn wir uns nicht abschaffen wollen, dann brauchen wir Bewusstsein und Umgang dafür. Dazu müssen Menschen, die AI bedienen sich aber auch der Implikationen bewusst sein und die mindestens so schlimm finden wie DeepFakes. Ich habe mit meinem Cousin angefangen, ich schließe auch mit meinem Cousin. Er ist Musiker. Und so frage ich: Was ist das nächste?

Klingt witzig aber, dass mein Job als Softwareentwicklerin irgendwann mal von einer Maschine gemacht wird, hielt ich für wahrscheinlich als dass AI Imaging bald kommt. Da sind wir nun. Was ist eure Meinung dazu? Und welche Konsequenzen entstehen daraus für euch?

Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen aus IT, Forschung, Netzwelt und Internet widme genauso wie Spaß rund um die Arbeit mit Bits und Bytes. 🙂

9 Antworten

  1. Fragwürdige Sache. Habe schon mitbekomen, dass mit solchen Programmen Cartoons, die linksgerichtete Zeichner nachahmen, für rechte Stimmungsmache missbraucht wurden. Sarah Andersen „campaigned“ auch dagegen (oh Gott, mein Denglisch wird immer schlimmer).

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Haha, geht mir mit dem Denglisch auch so 😉
      Durchaus möglich … und dann verschwimmt eben auch das Urheberrecht solcher Inhalte sehr. Auch eine interessante Frage: wenn ein rechtsgerichteter Inhalt rauskommt, kann sich dann der:die Beauftrager:in aus der Affäre ziehen mit „war ja die KI, nicht ich“. Spannend..

  2. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Toller Nicht-AI-Text über AI… spannendes und gruseliges Thema. Man mag sich gar nicht vorstellen, wohin das noch gehen wird.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja ne … irgendwann sind dann die KIs unsere Influencer:innen, die uns in Youtube-Videos, Blogs und Podcasts erzählen was das Ende eines Films bedeutet oder warum welcher Film ein guter Genrevertreter ist oder nicht. Ich hoffe nicht. Vielleicht hat Eugen im Kommentar eins weiter runter hier unter dem Beitrag recht und Gerichtsurteile erklären uns dann, was erlaubt ist,was nicht.

      Am liebsten wäre mir ja, dass der Trend zum Menschen und „handgemacht“ zurück geht. Personal Blogging wieder beliebter ist usw… na wer weiß. Irgendwann ist das alles hier retro genug, dass es wieder in ist.

  3. Ein schwieriges Thema. Ich vermute, dass erst Urteile höherer Gerichte bezüglich des Urheberrechts entscheiden werden, wo die Reise hingehen wird.
    Dazu habe ich hier einen interessanten Podcast gefunden: https://www.sld-ip.com/blog/sind-ki-generierte-bilder-aus-rechtlicher-sicht-nutzbar/

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Vielleicht … aber der damit einhergehende Frust und nicht genug Misstrauen machen mich etwas traurig…
      vielen Dank! Da höre ich mal rein! 🙂

  4. […] Saxophon spielen zu probieren und digital zeichnen zu lernen. Man könnte meinen, dass das nun zum AI Image-Boom irgendwie etwas zu spät kommt, aber nur weil andere sich was zusammenklickern und es sich […]

  5. […] diesen selbst oder doch von einer KI stammen, geht Miss Booleana der Frage nach, was es bedeutet, wenn wir KI künftig immer mehr schöpferische Leistungen erbringen lassen – und was das mit dem Wert von geistigen Werken und Urheberrechten zu tun […]

  6. […] zum Staunen zu bringen oder in Unruhe zu versetzen. In Netzgeflüster fragte ich (bewusst ironisch) AI Art, ChatGPT und wann schaffen wir uns eigentlich endlich ab? weil ich mit Sorge betrachte wie diese Tools benutzt werden. Und das geht mir leider noch heute […]

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