Huch, es gab nach einer großen Lücke neulich mal wieder eine Ausgabe von „angelesen“, heute lege ich nach. Und es wird romantisch! 😉 Der Beitrag enthält keine Spoiler und ist nebenbei Teil meines Booleantskalenders 2023, in dem ich mich bemühe täglich in der Adventszeit einen kleinen Beitrag in die Welt zu schicken.
„Lore Olympus“ Bd. 1, Rachel Smythe, Bastei Lübbe
Rachel Smythes Lore Olympus erschien ab 2018 online auf der Plattform Webtoon als eben genau das – ein fortlaufender Online-Comic, d.h. Webtoon. Der überwältigende Erfolg online zog Printausgaben nach sich, die Lore Olympus auch hier zu einem Bestseller machten. Dabei handelt es sich um ein modern angehauchtes Retelling der Sagenwelt griechischer Götter, genauer ihres Liebens und Leidens. Im Zentrum steht Hades, der missverstandene Gott der Unterwelt, der wegen seiner Herkunft und seines Wirkungsbereichs von manchen eher gemieden wird. Er trifft auf die junge und (vielleicht zu) behütet aufgewachsene Persephone, die ihrem Eintritt in den Olymp als etwas betrachtet, auf das sie lange gewartet hat. Als beide sich offensichtlich gut verstehen und zwischen ihnen ein paar Funken sprühen, schauen aber viele mit eigener Agenda bis hin zu Verachtung auf die zarten Bande der Beiden.
In der Welt von Lore Olympus fahren die eingebildeten Götter schnelle Autos, tragen schillernde Roben und tauschen Nummern am Smartphone aus. Die traditionelle Sagenwelt erkennt man in ihren Charaktereigenschaften und Fähigkeiten wieder. Olympus/der Olymp ist ein Fest der Eitelkeiten, auf das Persephone keinesfalls total naiv losgelassen wird. Sie und ihre Freundin sind gefasst auf Fallstricke. Und fallen dennoch. Wem kann man trauen, wenn alle Personen so glatt, routiniert, selbstsicher sind wie die Götter des Olymps? Man muss sich darauf einstellen, dass Lore Olympus mit Trigger-Warnungen kommt wie Missbrauch, Gewalt, dysfunkionalen Familien und Vergewaltigung. Das ist letzten Endes keine Erfindung von Rachel Smythe, wenn man die Sagenwelt und Erzählungen konsultiert. Aber: Smythe kann das alles so verpacken, dass es aussagekräftigt ist und weh tut, wenn es weh tun soll. Sie badet nie im Leid der Charaktere und weiß wann wir den Blick abwenden wollen. Vor Allem beherrscht sie es uns genug Zucker zu geben. Ich habe große Lust dem zarten Pflänzchen beim Wachsen zuzuschauen, was da zwischen Hades und Persephone aufgeht.
Überhaupt ist Lore Olympus wie die Soap Opera, von der ich nicht wusste, dass ich sie sehen will. Hilfreich sind dabei die schönen, kurzen Kapitel und die sehr ansprechenden Farbpaletten. Die Ausgabe von Bastei Lübbe ist ein ebenso ansprechendes Hardcover, das Smythes Göttererzählung gerecht wird.
„My Dear Agent“ Bd. 1-2, Bisque Ebino, Egmont Manga
Personenschützer Riichii Aoyagi gilt als gewissenhaft, professionell und kühl. An seinem neuen Kollegen Mario Tachibana reibt er sich aber auf. Tachibana kann zwar gut mit ihrem wichtigsten Kunden, ist aber ansonsten eher sehr lax. Um seine Arbeitseinstellung zu bessern und weil er immer noch keine feste Bleibe hat, wird Aoyagi kurzerhand gebeten ihn bei sich aufzunehmen. Was es nun noch schwieriger macht: Tachibana macht Aoyagi Avancen. Der wiederum hat aber gar keine Erfahrung in Liebesdingen und will nicht, dass das auf Arbeit bekannt wird. Man kann also zusammengefasst sagen: eine schwierige Mischung. 😄 Und eine bekannte Formel.
Ich konnte nicht zuverlässig herausfinden, ob es sich bei Bisque Ebinos Manga um den ersten von dem Künstler oder der Künstlerin handelt. Jedenfalls ist My Dear Agent in zwei Bänden abgeschlossen und legt bis dahin ein ordentliches Tempo vor. Hier passiert in zwei Bänden mehr als in anderen Reihen in fünf. Dabei sind nahtlos fast alle Einsätze und Fälle Aoyagis und Tachibanas als Bodyguards um den jungen Erben eines großen Unternehmens zentriert. Einerseits ist es schön, dass Bisque Ebino das selbstgewählte Setting ernst nimmt und die Arbeit der Beiden eine maßgebliche Rolle spielt. Andererseits ist in den Bänden dann soviel Inhalt, dass das Pacing sehr schnell ist. Die Fälle wiederum könnten mir kaum egaler sein. Ich fand sie leider so gar nicht spannend.
Was Comedy betrifft, punktet Bisque Ebino wieder. Insbesondere im zweiten Band gibt es eine Menge Zufälle und kleinere Verwicklungen die Drama erzeugen und mit Gags punkten. Hier mögen nicht alle Einfälle neu sein, aber sie machen schon durch das Beziehungsgeflecht der Charaktere mehr Spaß als ich noch in Band 1 vermutet hätte und ich habe mich einige Male beim Laut auflachen ertappt.
Explizitere Szenen muss man in dem ab 18 empfohlenem Manga in Band 1 noch suchen, in Band 2 gibt es dahingehend mehr Futter – zensiert. Der Zeichenstil wirkt routiniert und eher klassisch. Durch das starke Pacing (d.h. die Erzählgeschwindigkeit) und die Panellastigkeit, wirkt der Seitenaufbau manchmal etwas sehr kleinteilig und alles etwas gehetzt. Ich hätte mir mehr Schlüsselmomente mit entsprechendem Fokus und Artwork gewünscht und dafür weniger von dem jungen Klienten der Beiden. Grundsätzlich ist es aber ein solider Boys Love Titel mit überraschend guter Comedy in Band 2.
In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂
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