Der alte Mann ist tot – und nun? Mr. Chance (Peter Sellers) scheint nicht ganz zu verstehen, was um ihn herum passiert. Der reiche Mann für den er seit Kindheitstagen an als Gärtner arbeitete, ist gestorben. Dass der Haushalt aufgelöst wird, sitzt Chance einfach aus bis es nicht mehr geht. Das Anwesen und Gelände hat er nie verlassen. Die Außenwelt kennt er nur aus dem Fernsehen. Und er sieht ständig fern. Streng genommen scheint er mehr Interesse für das Fernsehen als irgendetwas anderes zu haben. Irgendwann muss er aber raus und in die echte Welt. Und das geht dann auf überraschende Weise weiter.
Man könnte jetzt denken, dass Chance verloren ist, sobald er eine dunkle Gasse entlang läuft. Sein erstes Treffen mit einer Gang läuft aber recht glimpflich ab, obwohl mal kurz ein Messer gezückt und ihm entgegen gehalten wird. In seiner naiven Vorstellung der Welt hat Chance versucht sie mit der Fernbedienung auszuschalten. 😉 Kann man ja mal probieren. Dann aber wird Chance in einen kleinen Unfall verwickelt und landet in einer ähnlichen Situation wie die aus der er gerade kommt. Die reiche Eve Rand (Shirley MacLaine) nimmt den orientierungslosen Chance kurzerhand mit nach Hause, wo er die Bekanntschaft ihres sterbenden, einflussreichen Mannes Benjamin Turnbull Rand (Melvyn Douglas) macht und zu erschreckend viel Ruhm kommt.
Dass Chance nicht ansatzweise versteht, was sie ihn fragen, ahnt niemand. Er gibt unschuldige Sätze seines begrenzten Verständnisses der Welt von sich, die alle für etwas bedeutungsvolles halten, das man erst interpretieren müsse. Er redet oft von Blumen und dem Garten. Am Ende des Tages versuchen aber Journalist:innen und der Secret Service herauszubekommen: wer ist dieser Mr. Chance!? Hierin liegt das unfassbare, das witzige und das verstörende in Hal Ashbys Willkommen Mr. Chance nach einem Buch von Jerzy Kosiński. Es geht um Projektion.
Niemand kommt auch nur ansatzweise auf die Idee, dass Chance Gärtner sein könnte oder dass er keine Ahnung hat wie die Welt funktioniert. So werden seine Aussagen immer etwas verdreht, interpretiert, andere projizieren in ihn hinein, was sie sich von ihm erhoffen oder erwarten. Es nimmt fast groteske Züge an, aber nie unglaubliche, da die Dialoge smart geschrieben und ebenso geschauspielert sind. Obwohl (oder gerade weil) aus dem Jahr 1979, ist es sich durchaus Bias und Diskriminierung bewusst. So empört sich die schwarze Haushälterin Louise (Ruth Attaway), dass Chance es bis ins Fernsehen schafft und sagt sinngemäß: manche können alles werden in den USA – man muss nur ein weißer Mann sein. Dabei ist Chance so unbedarft, dass man ihm auch nicht böse sein kann. Er hat ja nichts gemacht. Außer irgendwann aus dem Kontext gerissen etwas über Wurzeln und Erde zu sagen.
Ein bisschen wünscht man sich aber auch die ruhige und friedliche Gelassenheit Chances, der ja im Grunde gar nicht weiß, was ihm passiert und vielleicht gerade deswegen alles mit der ihm eigenen inneren Ruhe meistert. „Life is a state of mind“. Der Film endet mit der Frage was Chance noch alles schaffen kann, alleine dadurch, dass andere es ihm zutrauen. Offenbar viel.
Willkommen Mr. Chance (OT: Being There), USA, 1979, Hal Ashby, 125 min
Header image uses a Photo by Kilyan Sockalingum on Unsplash
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😊
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