Hier sind wir nun. Nach dem mega Cliffhanger am Ende der sechsten Staffel wartet die siebte mit der Lösung auf wie es weitergeht und wird meine am meisten gehasste Serienstaffel überhaupt. Since ever. Enthält Spoiler.
Grenzüberschreitung
Nachdem die Gruppe am Ende der letzten Staffel auf Negan (Jeffrey Dean Morgan), den Chef der Saviors traf, meinte der ein Exempel statuieren zu müssen. Die erste Episode der siebten Staffel 7×01 „The Day Will Come When You Won’t Be“ offenbart nun, was das Staffelfinale der sechsten offen ließ: wen trifft Negan mit seinem Baseballschläger, den er liebevoll Lucille nennt? Zuerst schlägt er Abraham (Michael Cudlitz) tot. Als sich die Gruppe um Rick (Andrew Lincoln) zu wehren versucht, tötet er auch noch Glenn (Steven Yeun).
Allein das muss man schon sacken lassen, war doch Glenn ein Publikumsliebling und sicherlich für viele Identifikationsfigur. Ich behaupte sogar, dass die Serie (beispielsweise in Staffel fünf und sechs) einige Male bewusst damit spielte, ob jetzt Glenn an der Reihe ist. Abraham wiederum trifft hart, da er erst einige Folgen zuvor Nägel mit Köpfen gemacht hat und mit Sasha (Sonequa Martin-Green) zusammenkam, die wiederum schon einige Verluste durchstehen musste. Aber nein, das reicht noch nicht. Die Serienschöpfer entschieden sich dafür beide auf die grausamste Weise überhaupt umkommen zu lassen. Vor den Augen ihrer Lieben und Freunde. Die schwangere Maggie, die zudem in dem Augenblick ernsthaft krank ist, schaut zu wie ihr Mann zu Brei geschlagen wird. Und das wortwörtlich.
TWD muss sich an der Stelle den Vorwurf von torture porn gefallen lassen und das zu recht. Es ist verabscheuungswürdig wie sie es tun, weil es einem ins Auge springt, warum sie das tun. Natürlich gibt es eine Comicvorlage, die die Handlung vorgibt. Aber eine Adaption hat Freiheiten und könnte sich gegen die Handlung entscheiden oder sie aber zumindest anders umsetzen. Das Ausmaß an Gewalt ist das eine, das Melodrama das andere und v.A. beides in Kombination augenscheinlich zweckdienlich und kalkuliert. Immer wieder wandert Lucille zwischen den Personen hin- und her, spannt uns auf die Folter. Wieder und wieder und wieder. Daher kommt die zweite Bedeutung des Begriffs torture porn – unsere Folter. Die Zwecke: die Saviors und Negan als besonders brutale Feinde und große Gegenspieler platzieren, Zuschauenden die Ausweglosigkeit klarmachen, die Gruppe um Rick brechen und hier kommt der Knackpunkt: schocken. Ein erschreckend einfach zu erreichender Effekt. Nicht für die Make-Up-Abteilung, aber für das Marketing.
Viele argumentieren, dass es Quatsch ist der Serie einen Vorwurf wegen der sehr grafischen, blutigen Szenen zu machen. Die Serie ist schließlich keine seichte. Das ist nicht der Punkt. Wir bekommen seit der ersten Staffel explodierende Köpfe und in jeder Staffel stirbt irgendjemandes Favorit. Es ist die Art und Weise wie sie es dieses Mal machen. Dem üblichen Gore gegenüber steht ein Glenn mit zermatschtem Kopf, der Maggie noch Liebesschwüre entgegen stammelt. Das ist zweckdienliche Scheiße und daher grenzüberschreitend.
Audienz beim König
Nachdem also Ricks Wille gebrochen war, wird die halbe Staffel darin investiert Negan noch mehr als stark, überlegen und organisiert zu charakterisieren. Zu dem Zweck darf Jeffrey Dean Morgan so richtig einen raushängen lassen und ein smartes Arschloch spielen, das immer einen flapsigen Spruch auf den Lippen hat. Und das macht er gut. Negans Überlegenheit wäre damit zementiert, genauso wie die Dissonanz unter Zuschauenden. Man hasst ihn entweder oder man liebt ihn oder ist hin- und hergerissen zwischen beidem. Hilfreich dabei ist, dass seine „Aura“ in der sechsten Staffel stark aufgebaut wurde. Man wollte wissen, wer dieser Negan ist und wie ein Aufeinandertreffen mit Rick aussehen würde.
Die andere Aufgabe der Staffel ist dann weitere Gemeinschaften einzuführen und nach und nach Hoffnung zu säen, dass sich Rick und die Leute aus Alexandria trotz der andauernden Demütigung durch die Saviors (oder gerade deswegen) mit ihnen zusammentun. Dementsprechend ist die Staffel eine eher zermürbende, die viel vorbereiten muss und bei der wir zuschauen müssen wie die Saviors immer wieder andere wie Hunde behandeln. Es ist eine entbehrungsreiche Staffel, die viel zu spät tut, was längst hätte getan werden sollen: Zweckgemeinschaften zu bilden.
Immerhin gibt es ein wenig Comic Relief als sich eine der Gemeinschaften als von „King Ezekiel“ (Khary Payton) geführtes „Kingdom“ offenbart. Ein Typ, der mittelalterlich formulierte Weisheiten von sich gibt und da mit einem Tiger an seiner Seite auf seinem Thron sitzt. Kein Scheiß. Das ist ein phänomenal guter Move, weil man das definitiv nicht kommen sah. Es gibt wenig an der Staffel, dass ich liebe, aber das Einführen dieser Gemeinschaften schon. Das grausig-künstliche CGI von King Ezekiels Tiger ist ein zu erwartender Bruch. Dass der Comic Relief und Hoffnungsschimmer (Kingdom ist wirklich gut organisiert) aber direkt in der zweiten Folge auf uns abgefeuert wird, ist eigentlich eine Farce. The Walking Dead Season 6 ist keine besonders smarte Staffel. Sie ist zweckdienlich und auf Schocker ausgerichtet. Vieles was sie zeigt, wäre auch anders erreichbar. Ist sie effektiv? Sicherlich. Hat sie hier viele Zuschauende verloren? Absolut. Unsortierte weitere Gedanken: Pollyanna McIntosh als Jadis wird einer meiner Lieblingscharaktere und ihre „Kunstwerke“ herrlich schräg, Daryl in den Händen der Saviors brach mir ein wenig das Herz so wie die Szenen Sonequa Martin-Greens im Finale. (5/10)
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Nachdem ich die erste Episode der Staffel gesehen hatte, war ich mir unsicher, ob ich nicht sofort die Serie abbreche. TWD hatte hier für mich eine Grenze überschritten, von der ich mir sicher war, dass sich mein Verhältnis zu der Serie nicht mehr erholen wird. Und das ist bis jetzt leider tatsächlich so. Man könnte sagen, dass ich an dem Punkt ein wenig den Respekt verloren habe – später dann auch noch die Geduld. Mit welchen Gefühlen habt ihr die siebte Staffel verfolgt und wo liegt sie für euch im Ranking unter den Staffeln?
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