Die Freundinnen PJ (Rachel Sennott) und Josie (Ayo Edebiri) schließen bald die Highschool ab, haben aber den Eindruck fundamentale Teenager-Erfahrungen ausgelassen zu haben. Beide sind lesbisch und geoutet, beide sind verschossen in andere Mädchen der Rock Ridge High. Namentlich in die Cheerleaderinnen Isabel (Havana Rose Liu) und Brittany (Kaia Gerber), von denen sie kaum wahrgenommen werden. PJ und Josie sind offenbar für den Rest der Highschool nicht cool genug und die Dating-Chancen stehen eher schlecht. Sie wollen das ändern und gründen einen Fightclub für Mitschülerinnen unter dem Deckmantel eines Selbstverteidigungskurses – eigentlich nur eine Masche, um an andere Mädchen ranzukommen. Plötzlich erfreut sich der Kurs großer Beliebtheit. Und Josie und PJ müssen abliefern.
Spätestens dann wird es herrlich cringy. Das Gerücht hat sich verbreitet, dass PJ und Josie Badasses sind, die wissen wie man zuschlägt. Vielleicht sogar schon jemanden umgebracht haben. Aus der Nummer rauskommen geht nicht, da müssen sie nun durch. 😏Denn wie würde das wirken, wenn jetzt rauskommt, dass sie nur ihre Datingchancen erhöhen wollten? Sowohl sie als auch die Teilnehmerinnen des Fightclubs werden auf unterschiedliche Weise als „Bottoms“, den Bodensatz der Highschool, charakterisiert. Das ist aber nur der Aufhänger für den Film, der in jeder Faser versucht zu vermitteln, dass die vermeintlichen Außenseiter eigentlich die Masse sind. Schließlich sind sie die wirklich nahbaren Charaktere. Diejenigen, die mit den auf sie erlegten Rollen und Vorurteilen aufräumen wollen oder sich aus Zwangslagen in ihrem Leben versuchen zu befreien.
In all diesen Schubladen finden wir beispielsweise die „untalentierten Queers“, die nicht als „wertvoll“ erachtet werden, weil sie nicht das Trope der z.B. musikalisch und ästhetisch begabten Schwulen erfüllen. Oder auch generell Frauen. Schaut man sich die Geschichten der Besucherinnen des Fightclubs an, kann einem zwischen all den Jokes schon mal die Kinnlade runterklappen. Die einen werden von Stalkern verfolgt, die anderen von ihren Stiefvätern bedrängt und die Cheerleaderin leidet darunter, dass niemand bemerkt, dass sie die smarteste im Raum ist. Alles, was nicht die „Bottoms“ sind, sind die eh schon Privilegierten. Die haben eh schon mehr, werden dafür umso mehr geliebt, geachtet und promotet. Egal wie strunzdumm. Man nehme die Football-Guys, die sich an der Schule quasi alles erlauben können. Natürlich komme ich nicht umhin wie jede andere Review zu erwähnen, dass die Football-Guys natürlich die ganze Zeit in voller Sportmontur rumlaufen.
Alle haben unheimlichen Spaß in ihren Rollen, die Stereotypen vertreten und zertreten. Egal ob Kaia Gerber als Cheerleaderin Brittany oder Nicholas Galitzine als Quarterback Jeff. Es ist zum Tränen lachen, aber auch voll bitteren Humors. Bottoms ist eine herrliche Satire auf die klassische Highschool-Außenseiter-Geschichte und dabei ehrlicher, bitterböser und subversiver. Es versucht gar nicht erst die Außenseiter:innen als die einzig wahren und aufrechten darzustellen. Immerhin wollten PJ und Josie vorrangig anderen Frauen an die Wäsche statt aus hehren Motiven den Fightclub zu gründen. Quarterbacks wie auch Lehrkörper werden sehr einseitig dargestellt. Bottoms versucht nicht fair zu sein, sondern die Leerstellen zu füllen, die frühere Highschool-Sex-Comedys gelassen haben. er gibt einfach mal den Lesben, den Frauen, den Smartasses die Bühne und erlaubt sich Jokes auf, nun ja, alle.
Der bittere Beigeschmack kommt gegen Ende des Films, in dem klar wird, dass Schulen auch lernen müssen individuell zu fördern und nicht zuzulassen, dass Schubladendenken und Vorurteile eine Bühne bekommen. Chancengleichheit heißt nicht „machen zu lassen“. Es gibt viele in dem Film, die nur zusehen oder gar nicht hinsehen. Die nicht hinterfragen, warum Frauen einen Fightclub gründen müssen und die gar nicht wissen, was für erschreckende Gründe viele von ihnen haben das Angebot wahrzunehmen. Bottoms hat brutale Momente, weil das Leben brutal ist. Bottoms schafft es aber uns das zu vermitteln, ohne uns zu zerstören, sondern uns zum Lachen zu bringen mit super trockenem Humor.
Bottoms, USA, 2023, Emma Seligman, 92 min
Header image uses a Photo by Kilyan Sockalingum on Unsplash
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😊
Schreibe einen Kommentar