Eigentlich ist der Titel im deutschen Verleih ja „Challengers – Rivalen“. Nun ja. Mehr sage ich nicht dazu … . 😉 Ich habe kaum eine Beziehung zu Tennis. Ich finde Geschichten nicht spannend, in denen sich eine „Frau in eine Beziehung drängt“ bzw. „die Freundschaft zweier Männer ruiniert“. Ich ging vorrangig für Regisseur Luca Guadagnino ins Kino, weil ich so ziemlich alle seiner Filme, die ich bisher gesehen habe, für Kunstwerke halte. War das ein gutes Match für mich?
Als der Tennis-Star Art Donaldson (Mike Faist) in einem Formtief vor sich her mäandert, schlägt seine seine Ehefrau und Trainerin Tashi (Zendaya) vor er solle an einem Challenger Turnier teilnehmen. Das ist normalerweise etwas low level für einen Star wie Art, aber vielleicht gerade der richtige Schachzug, um sein Selbstvertrauen zurückzugewinnen. Dort angekommen, sehen sie, dass auch ein alter Bekannter zu den Kontrahenten gehört: Arts ehemals bester Freund Patrick (Josh O’Connor), der auch Tashis Ex ist. Der Zweikampf der Beiden wird zur Auseinandersetzung mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit und einer Zeit als Tashi selbst noch Tennis-Profi war, bevor sie sich schwer verletzte.
In entscheidenden Etappen des Matches zwischen Art und Patrick gibt es jeweils Rückblicke, die uns nachfühlbar machen, warum Tashi, Art und Patrick so angespannt sind. Sie machen die über ein Jahrzehnt aufgebaute Spannung fast körperlich fühlbar. Die beiden Typen, die sich da über den Tennis Court hinweg mit Blicken töten wollen und abwechselnd daran scheitern sich zu ignorieren, waren vor 13 Jahren beste Freunde? Es ist gleichermaßen faszinierend zu sehen wie sich diese Dynamik geändert hat als auch wie mühelos der Cast sowohl 18-Jährige Tennis-Nachwuchstalente als auch knapp über Dreißigjährige verkörpert. Vor Allem die Aura Zendayas spricht Bände. Früher ein Tennis-Starlet, war Tashi auf dem Court berühmt berüchtigt und strahlt einen bissigen Kampfgeist aus. Nach und nach verbinden sich die Punkte, während wir Zeuge werden wie sich ihre Dreiecksbeziehung anbahnte als sie alle noch jung und ein bisschen gedankenloser waren. Beide Typen standen auf Tashi. Tashi erkannte schnell und sagte treffsicher sich nicht in eine Beziehung drängen. Und meinte damit die von Art und Patrick. Der Rest ist Geschichte.
Es heißt hier und da, dass Challengers nach einem Drehbuch von Justin Kuritzkes von der Mine Miroslava „Mirka“ Federers während diverser Matches ihres Mannes Roger Federer inspiriert sei. Und tatsächlich findet man ihr Level an Anspannung auch in Zendayas Darstellung von Tashi wieder und in den Momentaufnahmen teilweise 1:1 Snapshots von Mirka. Man sieht wie sich Tashis Coolness zerreibt. Und man fühlt gut nach, warum. Challengers ist ein mit jeder Faser körperlicher Film. Jede Metapher, jede Szene lässt sich mit Leichtigkeit auf den Sport beziehen oder auf die Beziehungen.
Er inhaliert die Leidenschaft, die mit Profisport verbunden ist wie auch mit Anziehung. Die Aufopferungsbereitschaft und das Herzblut, mit dem Sportler:innen ihre Profession verfolgen. Die durchtrainierten Körper werden in Szene gesetzt, beim Sport, im Bett, in der Sauna – Challengers macht keinen Hehl daraus, dass es die Charaktere und die Körper zentriert. Es ist schließlich das Kapital des Sports. Auch in der der Dreiecksbeziehung zwischen Tashi, Art und Patrick, findet sich diese Körperlichkeit wieder. Tashi kokettiert damit, was zwischen so engen Freunden wie Art und Patrick geht. Im Laufe ihrer langen und schwierigen Beziehung, türmt sich so viel ungesagtes, so viel Was-wäre-wenn und so viele Emotionen an, dass das Finale tatsächlich für alle nervenzehrend ist und es scheint alles auf dem Spiel zu stehen: Karriere, Liebe, Familie.
Dadurch, dass sich der Wechsel zwischen Rückblick und Gegenwart gegen Ende häuft und die Wechsel insgesamt schneller werden ist der ganze Film wie ein Tennis Match. Während der Spiele sieht man häufig die Köpfe der Zuschauenden nach rechts, nach links, wieder nach rechts wandern und gefesselt dem Ball folgen. So hin- und hergerissen fühlen wir uns auch, als Spielball all des Dramas, das sich zwischen den Dreien entfaltet. Tatsächlich war mir der starke Fokus auf Beziehungstrarara fast zu viel. Ich habe mich schon irgendwann gefragt wie viel mehr Drama das Drehbuch noch zwischen Art, Patrick und Tashi zusammenfabulieren kann. Aber es gibt andererseits auch eine verzwickt-gute Geschichte ab.
Der neue heiße Scheiß unfassbar laut den Score während Dialogszenen abzuspielen, tut für diesen Film aber verhältnismäßig wenig. Obwohl die Coolness von Trent Reznors und Atticus Ross‘ Soundtrack natürlich hilft den Profisportlern Gravitas zu verleihen. Oder alles als sehr aufgeladen cool zu markieren. Richtig beeindruckend sind dann eher die Sportszenen. Die werden so eindrucksvoll von den Darsteller:innen verkörpert, dass selbst Serena Williams sie lobt. Das andere richtig eindrucksvolle sind die wilden Kameraeinstellungen und -fahrten. Mal dürfen wir die Perspektive des Tennisballs einnehmen, mal blicken wir wie durch einen gläsernen Boden von unten hinauf zum Platz. Mal saust uns der Ball nur so entgegen, dass man froh ist nicht in einem 3D-Film zu sitzen. Mal ist es einfach der Schweiß, der von den Gesichtern der Profis perlt. Alles an dem Film macht den Leistungssport und die schiere Körperlichkeit greifbar. Aber klar, dass der Tennisball einige Male wohl eher im Post Processing aus dem Computer dazu kam. Ansonsten wäre manche Szenen unmöglich. Aber die Illusion ist wie so oft die halbe Miete.
Für so einen perfekt aussehenden Film ist es überraschend, dass er so viele Anschlussfehler hat. Trotz der großartigen Metaphern und Kreise, die sich am Ende schließen, wird das Ende nicht alle nur glücklich machen. Ich war recht versöhnlich damit. Denn trotz des teils offenen Charakters, ist denke ich das entscheidende erzählt. Am Ende hatte Tashi vielleicht nur mit dem Tennis eine Beziehung. Ich bin der festen Meinung, dass sie gegen Ende des nervenzehrenden Matches deswegen einmal so glücklich aussieht, weil sie das gesehen hat, was sie bereits Anfang des Films als das Nonplusultra bezeichnete: wirklich gutes Tennis. Wenn die Opponenten verschmelzen. Vielleicht hat Tashi aber auch nie nur einen der Beiden Männer gewollt, sondern die Energie gesucht, die entsteht, wenn beide zusammenkommen.
Challengers, USA, 2024, Luca Guadagnino, 131 min, (7/10)
Das war also das Tennis der großen Gefühle. Wie man oben bereits herauslesen kann, war mir das zu viel Beziehungsgewühl. Aber die Metapher mit der Luca Guadagnino das in der Geschwindigkeit eines Schlagabtausches abspielt, ist schon eine regelrechte Naturgewalt. Trotzdem befürchte ich, dass ich den Film relativ schnell vergessen werde. Er hatte viel Reibungspotential, hat mich aber nicht so berührt wie das „Ich bin die Liebe“, „Call me by your name“ oder „Bones and all“ taten. Er wirkte auf mich weniger künstlerischer als „Suspiria“ und insgesamt sehr „glatt“. Immerhin: Guadagnino hat Gelegenheit sich auszuprobieren, zu wandeln. Und: es fällt mir schwer den Film in eine Genre-Schublade zu stecken. Ist es ein Liebesfilm? Ein Sport-Drama? Ein Thriller?? Wie würdet ihr das labeln?
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