Filmbesprechung „Psychic Vision: Jaganrei“ (Nippon Connection 2024)

Als ich an dem Festivaltag Thomas von SchönerDenken traf und von meinem Tagesprogramm erzählte, sagte er sinngemäß, dass ich einen anspruchsvollen Tag vor mir hätte. Mit einer Doku, die sich eines recht ernstes Thema widmet und zwei Horrorfilmen trifft das zu. Aber Jaganrei fordert einem mit seinen 49 Minuten Spieldauer nicht so viel ab, obwohl es ein Klassiker und erster Vorreiter des wenige Jahre später boomenden J-Horror ist. Spoilerfrei.

Moderatorin Kyoko (Kazue Ishiyama) und ihr Team drehen eine Doku über Pop Idols in Japan und die Industrie, die dahinter steht und die angehenden Stars clever vermarktet. Alles wird geplant, vom Image über die Outfits, die Songs werden in Auftrag gegeben. So bekommt auch das Starlet Emi die volle Marketing-Sonderbehandlung und einen Song namens Love Craft vorgesetzt. Recht schnell geht Kyoko dem Ursprung des Songs auf den Grund, denn den oder die echte Urheber:in scheint niemand zu kennen. In Emis Umfeld scheinen aber ständig rätselhafte Dinge zu passieren – vor Allem, wenn sie Love Craft singt.

Eine engagierte Journalistin, die einer Sache auf der Spur ist und die seltsame Visionen bekommt. Ein Rätsel, das von allen nur zu gern ignoriert wird. Seltsame Töne in Audioaufnahmen, die sich keiner erklären kann. Ja, das klingt nach J-Horror. Teruyoshi Ishiis Film vereint all die Muster und Stilmittel, die wir im späteren J-Horror-Boom so geliebt haben und noch lieben, egal ob dort Ringu, Ju-On oder ganz andere Namen drauf stehen. Jaganrei bringt dazu dieses 80er Jahre Flair von Schulterpolstern, Föhnfrisuren und japanischen City Pop mit. Wer genau hinschaut wird in dem Film auch schon mit einigen Hinweisen auf die Ursache des Horrors belohnt.

Nun geht das Alter nicht spurlos an Filmen vorbei oder man kann zumindest nicht verhindern, dass sich die Welt weiterbewegt. Manches wirkt durch die Brille heutiger Kinobesucher:innen doch arg gestelzt und etwas naiv. Darüber hinaus kann es einem schon etwas sauer aufstoßen, dass die Reportagen über Starlets auch Begleitreportagen über ihre ersten Nacktshootings(!) beinhalten. Gelungener Seitenhieb auf die Ausbeutung von Idols? Oder waren die 80er eine so andere Welt? Dass eine Frau im Zuge des Films zuerst in die Opferrolle erklärt wird, nur um ihr dann doch die Schuld zu geben ist eine weitere unangenehme Erinnerung, dass Geschlechterrollen zwar immer noch nicht geil sind, aber schon mal schlimmer waren. Das alles ändert natürlich nichts dran, dass Jaganrei Wegbereiter für den J-Horror-Boom war und die Faszination dessen typische Stilmittel am lebenden Objekt zu sehen. Man kann an einer Hand abzählen wie oft Jaganrei in Deutschland gezeigt wurde – das fühlt sich sehr exklusiv an.

Psychic Vision: Jaganrei (OT: 邪願霊), Japan, 1988, Teruyoshi Ishii, 49 min, (6/10)

Sternchen-6
『邪願霊』 予告編, giovannuzza, Youtube

Kennt ihr „Jaganrei“ und konntet dem Film vielleicht mehr abgewinnen als ich? Natürlich hat er trotzdem ein klasse ein Retro-Horrorfilmflair. Ich nenne das Retro… man bedenke, dass ich so alt bin wie der Film. 😉 Dass er spät abends lief und der Film zu früh und ohne Ton startete (was natürlich schnell behoben wurde), hat den leichten Eindruck von Spuk im Kino verstärkt. 😁

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