Serien-Besprechung: „Tsubasa Chronicle“ Season 1

Nicht nur Marvel kann Multiversum. Nachdem ich RG Veda gelesen hatte und zumindest gegen Ende am Haken war, packte mich wieder das CLAMP Fieber. Ich blätterte durch meine liebsten Bände des Mangas X (auch bekannt als X-1999) und konnte auch der jüngsten Neuauflage von xxxHolic nicht widerstehen. Da fiel mir wieder ein, dass CLAMP das Multiverse schon vor vielen Jahren zum Gegenstand ihres Schaffens machte und uns in „Tsubasa Chronicle“ einige alternative Geschichtsschreibungen ihrer Greatest Hits präsentierte, auf die ich plötzlich unheimlich Lust bekam. Dann schaute ich den Anime. Die Besprechung ist spoilerfrei.

Im Wüsten-Königreich Clow lebt der Junge Shaolan und geht seiner Leidenschaft der Archäologie nach. Er ist eng befreundet mit der Prinzessin des Landes, Sakura. Eines Tages wird das Königreich von Unbekannten gestürmt und Sakura verschwindet. Shaolan schafft es sie in den Unruhen zu finden, allerdings scheint sie bewusstlos und dem Tode nah. Shaolan erfährt, dass man ihr all ihre Erinnerungen und damit ihre Lebenskraft genommen hat, die in Form von Federn in alle möglichen Dimensionen verstreut wurde. Offenbar hatte Sakura die verborgene Fähigkeit in andere Dimensionen zu wechseln, die ihr die Fremden versuchten zu stehlen – dabei ging etwas schief. Shaolan reist nun in verschiedenste Dimensionen, um die Federn einzusammeln und Sakuras Bewusstsein und Erinnerungen zurückzubringen.

Das geht natürlich nicht einfach so. Er und die bewusstlose Sakura werden zur Hexe der Dimensionen gebracht, die ihm gegen einen „angemessenen“ (=teuren) Gegenwert ein Hilfsmittel gibt, dass ihm und den anderen ermöglicht durch die Dimensionen zu reisen. Sie können allerdings nicht steuern wohin. Und sie sind auch nicht alleine. Zeitgleich mit ihm landen zwei weitere Reisende bei der Hexe: der Magier Fye de Flourite und der Schwertkämpfer Kurogane. Beide aus jeweils anderen Welten. Jeder von ihnen will reisen. Fye so weit wie möglich weg von Zuhause, Kurogane hingegen will zurück in seine Heimatwelt. So bezahlen auch sie einen Preis an die Hexe und reisen fortan gemeinsam. Und da sie alle ziemlich nette Typen sind und ja letzten Endes an einem Strang ziehen müssen, helfen sie Shaolan die Federn zu finden. Ihre Reisen führen sie an Orte, in denen Menschen außerordentliche Fähigkeiten haben oder welche, in denen brutale Wettkämpfe abgehalten werden. Tatsächlich bringt jede Feder ein Stück von Sakura zurück.

Tsubasa Chronicle – 1. Staffel (Anime-Trailer), Crunchyroll Extras Deutschland, Youtube

Klingt auf dem Papier ganz spannend. Man will ab der ersten Minute auch wissen, was Fyes Geheimnis ist und warum er aus seiner Welt fliehen musste. Andeutungen über Shaolan und Sakura gibt es auch genug. Schließlich war jemand hinter ihr her und dieser jemand beobachtet die Reise der kleinen Schicksalsgemeinschaft aus der Ferne. Das hat Potential, aber es dauert leider sehr lange bis es wirklich spannend wird. Die Reisen in die anderen Dimensionen konnten mich nur mäßig begeistern. Es gibt gleich drei Situationen in den anderen Welten in denen Shaolan, Fye und Kurogane an einer Art Wettkampf teilnehmen müssen, um an die Feder zu kommen, was nicht so kreativ wirkt. Sicherlich soll das Tsubasa Chronicle zum Teil auch als Battle-Anime etablieren und den Kitsch aufwiegen, aber das reicht nur mäßig aus.

Man wünscht sich einfach, dass die anderen Welten irgendwie spannender und diverser wären. Aber die meisten Szenarien scheinen zeitgenössisch, westlich-mittelalterlich oder asiatisch-mittelalterlich. Da wäre sicherlich mehr gegangen. Durch den Manga weiß ich, dass da auch prinzipiell mehr geht. Der Anime lässt sich einfach etwas Zeit und dehnt die einzelnen Story Arcs. Richtig spannend wird es für mein Empfinden erst als die Gruppe im letzten Drittel der ersten Staffel im Land Oto landet, wo sie überschwänglich begrüßt werden und in ein handfestes Mysterium laufen. Denn das Land Oto wird immer nachts von Monstern überfallen, die immer unberechenbarer werden. Auch optisch ist Oto sehr ausstaffiert und spannend anzusehen. So ein Ding zwischen Mystery, Kirschblütenromantik und Art Déco mit einer gehörigen Portion Jazz und Melancholie-Keule. Das hat was.

Aber wie ich schon erwähnt habe, geht es nicht ganz ohne Kitsch. Die ganze Federn- und Engel-Symbolik war nicht ganz meins. Natürlich geht auch mit der Beziehung zwischen Shaolan und Sakura ein wenig Kitsch, aber auch Romantik und Tragik einher. Der Preis, den Shaolan bei der Hexe bezahlen musste waren nämlich Sakuras Erinnerungen an ihn. Selbst wenn sie mit jeder Feder die Erinnerungen an ihr Leben zurückerhält, gibt es dort immer einen leeren Platz neben ihr. Das ist natürlich emotional hart. Der Anime enthält einige Teaser, dass es noch härter wird aber bis hierhin eben nur das: Andeutungen. Will man zum richtigen guten Part der Story kommen, braucht man einen langen Atem – man ahnt’s. Hilfreich ist, dass die Charaktere innerhalb der Gruppe sehr unterschiedlich sind und für Comic Relief sorgen. Insbesondere Fye („Fai“ gesprochen) und Kuroganes Gerangel macht mir Spaß.

Was aber wohl am meisten zum Durchhalten anregt ist der Hauptgrund aus dem zumindest ich den Anime schaue: das Auftauchen von zahlreichen Figuren des Clamp-Multiversums. So sieht man schon in der ersten Episode Chi aus Chobits und Soma aus RG Veda! Es gibt Wiedersehen mit Charakteren aus X-1999, Tokyo Babylon, Clover und so vielen anderen Mangas und Animes von CLAMP. Es schmerzt ein bisschen und ist gleichzeitig wundervoll sie zu sehen, denn viele von ihnen hatten in ihren „Heimat-Serien“ kein Happy End und hier manchmal schon. Andere scheinen auch im Multiversum immer wieder miteinander verbunden zu sein. Natürlich ist oben besagte „Hexe der Dimensionen“ niemand geringeres als Yuko aus xxxHolic und auch ihr Helfershelfer wider Willen Watanuki läuft in der Szenerie herum. Shaolan und Sakura selber kennt man natürlich aus dem Magical Girl Anime Card Captor Sakura, in dem sie nicht ganz so Damsel in Distress ist. Es macht schon Spaß all diese Referenzen zu erkennen und Lieblingscharaktere wiederzusehen. Aber reicht das, wenn die „cases of the week“ auch nur so ein bisschen süßlich-mau sind? (6/10)

Sternchen-6

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Ja Reviews mit einer Frage beenden ist entweder ein guter Aufhänger zum Diskutieren oder uncharmant, weil es an einem Fazit fehlt. Mir fehlt es tatsächlich an einem. Eigentlich finde ich die Reisen der Gruppe zu langweilig, um dranzubleiben. Was mich antreibt ist das Auftreten all der Sidekicks, die man aus anderen Reihen kennt und die hier ja schließlich auch manchmal ganz überraschende Rollen einnehmen. Außerdem will ich so manches Geheimnis hinter Fye und Shaolan erfahren. Nur will ich dafür nicht nochmal 26 Episoden von lauen Cases of the Week sehen. Scheinbar wird mir da aber nichts anderes übrig bleiben, denn der Manga ist lange vergriffen. Kennt ihr den Anime oder Manga? Oder hattet schon mal eine ähnliche knifflige Serien-Situation?

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