Review widmet sich Buch 2 und enthält daher leichte Spoiler für Buch 1 – lieber kein Risiko eingehen 😉 oder einfach Review zu Buch 1 lesen.
Inhalt
Buch 2 schafft eine völlig neue Ausgangsposition für unsere beiden Protagonisten Aomame und Tengo. Beide wissen nun (direkt oder indirekt) von den Little People, der Glaubensgemeinschaft und erahnen was für Kräfte hier am Werk sind. Können aber das volle Ausmaß noch nicht ganz begreifen. Aomame bereitet sich darauf vor ihre Fähigkeiten als Auftragskillerin am „Leader“ höchstpersönlich anzuwenden und ihn aus dem Weg zu räumen. Was auch immer das für sie bedeuten wird. Und sie erlebt nicht nur eine Überraschung, als es soweit ist. Tengo hingegen bekommt unmittelbar zu spüren, dass seine Mitarbeit an „Die Puppe aus Luft“ gravierende Folgen für ihn und die Menschen in seinem Umfeld hat.
Hintergrund
Die größte Stärke des Buches ist Murakamis schlauer Schreibstil. Er streut genug Brotkrumen, um den Leser zu den wildesten Theorien zu animieren. Dazu zählen auch die zahlreichen Motive die die Protagonisten Tengo und Aomame verbinden. Durch Janáceks Sinfonietta, ganze Zitate aus den Werken von Tschechow und gemeinsame Erinnerungen wirken die Beiden wie synchronisierte Seelenverwandte. Kaum, dass die eine die Sinfonietta in Radio hört, erinnert sich der andere daran wie er das Stück in der Kapelle damals in der Schule spielen musste. Es ist als ob die Beiden umeinander herumtanzen, ohne jemals gemeinsam an einem Ort zu sein. Sie leben ihre Leben, haben wechselnde Partner, auf die sie sich ja doch nie richtig einlassen. Ihren Seelenverwandten kennen sie, suchen den anderen aber nicht aus Angst die schöne Vorstellung zu verlieren. Es stimmt, was die „Literarische Welt“ sagt: „Romeo und Julia unseres Jahrtausends“.
Apropos … es hat echt Spaß gemacht während des ersten Buches nach und nach zu entdecken, dass der Junge von dem Aomame redet Tengo ist. Und umgedreht. Das ist eine Theorie, die sich im Laufe der Geschichte bewahrheitet. Zwischenzeitlich habe ich aber die seltsamsten anderen Theorien entwickelt. Zu Beginn von Buch 2 dachte ich eine ganze Zeit lang, dass Aomames Handlungsstrang in Wirklichkeit die ganze Zeit über der Roman war, an dem Tengo arbeitet. Da Tengo zwar von dem Akebono-Zwischenfall wusste, aber nichts von zwei Monden am Himmels weiß, hatte ich sogar den Eindruck, dass er wohl frei zwischen dem „normalen“ 1984 und „1Q84“ wechseln kann. Tja, das sind schon Mal zwei meiner Theorien die falsch sind. 😉 Ihr könnt mich ja mal wissen lassen, was ihr so für Vermutungen hattet. Aber nicht spoilern, hab gerade erst mit Buch 3 angefangen.
Meinung
Klar, man kann es kaum fassen, was hinter den „Little People“, Receiver und Perceiver, Fukaeri und Co. steckt. Murakami wirft uns genauso wie Tengo und Aomame mitten in diese Welt, die Aomame auf den Namen „1Q84“ getauft hat. Und wir wissen nur das, was unsere Protagonisten erfahren. Es ist nichtmal eine besonders große Hilfe das Wissen der Beiden zu vereinen. Kein allwissender Erzähler, der uns erklärt was da eigentlich abgeht. Und anstatt mich daran zu stören wie surreal das alles ist, kann ich nur sagen: sehr clever! Umso besser können wir uns in die seltsame Situation versetzen, in der sich Tengo und Aomame befinden. Das Erzähltempo ist zwar schneller als in Buch 1, aber immer noch verhältnismäßig langsam und ausschweifend. Die Geschichte nimmt sich Zeit und beleuchtet alle Fragen die in jemandem auftreten, der plötzlich 2 Monde am Himmel sieht, bedroht wird, oder mit Ungereimtheiten rings um eine mysteriöse Sekte und Kindesmissbrauch konfrontiert wird. Die Biografien von Tengo und Aomame tun den Rest. Ganz natürlich erinnern sie sich an entscheidende Momente in ihrem Leben und reflektieren ihren Werdegang und ihre Herkunft. Aomame, die selber in einer Sekte aufgewachsen ist und Tengo, der sich mit unbeantworteten Fragen und der schwierigen Beziehung zu seinem Vater auseinandersetzt. Vor Allem das erste Buch thematisiert die Charaktere und ihr Leben. Jetzt in Buch 2 ist der Groschen bei Beiden gefallen. Etwas stimmt hier nicht, eine Bedrohung ist unmittelbar da. Beide verlieren als Warnung geliebte Menschen. Beide haben eine Aufgabe. Das ist nochmal spannender als Buch 1 und hält einen sprichwörtlich bei Laune. Man will wissen was hinter all den kryptischen Informationen steckt – ein starker Motivator. Man baut sich so seine Theorien und will die bestätigt wissen. Auch Murakamis Stil mit fiesen Cliffhangern tut sein übriges. Eine Verschnaufpause gibt es allerdings nicht. Die Geschichte spitzt sich durchgehend enorm zu und läuft auf eine Auflösung, ein ultimatives Ende hinaus, dass wohl erst in Buch 3 stattfindet. Und da ist diese eine Frage: wann treffen sich endlich Tengo und Aomame? Bohrende Frage. Starker Motivator. Der Grund, aus dem nahtlos weiterlese.
Fazit:
Wie gehabt: Gefällt mir außerordentlich gut. Ich bin kein Freund von allzu langatmigen Erzählungen und denke, dass das viele abschrecken könnte. Wer von Natur aus neugierig ist, wird aber (so wie ich) davon gut angetrieben. Buch 2 empfand ich auch als wesentlich spannender als Buch 1.
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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