Puh. Ganz schwierig. Ich bin ein Fan des Daniel-Craig-James-Bond mit all seiner Zerknirschtheit und den andauernden Konflikten, die ihn verfolgen. Ja, ich mag den neuen Bond-Realismus. Und nachdem ich Casino Royale sehr mochte und Skyfall mindestens fünf mal gesehen habe, hatte ich sehr hohe Erwartungen an ‚Spectre‘. Zu hohe? Definitiv. Spoilerfrei.
James Bond (Daniel Craig) ist im Begriff die für ihn verbliebenen Sympathien restlos aufs Spiel zu setzen. Sein jüngster Alleingang hätte fast zu einem Massaker auf dem Día de Muertos in Mexiko geführt. M (Ralph Fiennes) beurlaubt ihn und lässt ihn auf Schritt und Tritt durch Qs (Ben Whishaw) smarte Erfindungen tracken. Aber Bond lässt einige wenige Vertraute wie Moneypenny (Naomi Harris) wissen, was er wirklich vorhat. Er hat den letzten Willen der Vorgängerin von M (Judi Dench) ausgeführt und ist dabei auf eine Verbrecherorganisation gestoßen, in die alle verwickelt zu sein scheinen. Der Kreis schließt sich. Le Chiffre, Green, Silva … ihr Name: Spectre. Und der Kopf hinter dem Terror: Franz Oberhauser (Christoph Waltz), ein Schatten aus James Bonds Vergangenheit. Zeitgleich kämpft M gegen die Abschaffung seiner Abteilung, der Spionage und gegen die Rundumüberwachung durch C (Andrew Scott).
Im Zeit-Online-Artikel Goldmuster wird ausführlich beschrieben was das Erfolgsrezept der James-Bond-Filme ist. Und das weist schon frappierende Ähnlichkeiten von Film zu Film auf, wobei man sich beim Daniel-Craig-Bond um eine neue Art des Realismus bemühte. Dieser Bond hat eine Vergangenheit, Gegenwart und (zumindest für mich) eine Zukunft. Die Filme sind keine Black Box, sie bauen aufeinander auf. Und viele Albernheiten anderer Filme gibt es hier nicht. Wie Q in Skyfall schon sagt „Machen wir nicht mehr“. Die verrückten Gadgets, die aus heutiger Perspektive schon fast peinlich sind. Und der Bond prügelt sich. Aber so richtig. Anfangs hatten natürlich alle was gegen diesen Bond. Vor Casino Royale hieß es: oh nein, sie drehen neue Bond-Filme, das kann doch nur schief gehen! Und der Bond-Darsteller Daniel Craig … wer ist das überhaupt? Und dann ist der auch noch blond. Es wurde gemotzt und genörgelt. Dass er beim Dreh während Kampfszenen Zähne ausgeschlagen bekam, hat nicht gereicht. Dann kamen die Filme und alle waren begeistert. Vor wenigen Wochen habe ich dann das erste Mal eine Kolumne gelesen, die diesen neuen Bond nach Jahren nun kritisiert. Zu mürrisch, zu miesepeterig. Und selbst in meiner Firma hörte ich neulich, dass er nicht diesen Glamour versprüht wie frühere Bonds. Treulose Tomaten. Entscheidet euch doch mal!
Fakt ist: wer inzwischen den Bond mit Vergangenheit langweilig und mürrisch findet, der bekommt etwas Zündstoff. Obwohl Spectre auf den Vorgängerfilmen aufbaut und im Trailer groß angekündigt wird, dass Oberhauser der Verursacher aller Schmerzen von Bond ist, erinnert mich der Streifen deutlich mehr an die alten Bond-Filme. Da gibt es wieder Gadgets (mit mehr oder weniger zielführenden Funktionen 😉 ) und einen präsenteren Q. Bond und die Frauen … läuft, um es abzukürzen. Daniel Craig und alle Beteiligten dürfen auch witzigere Oneliner schmeißen. Er ist deutlich weniger verbissen. Dekadenz kommt nicht zu kurz. Ich denke nur an schicke Dinner in Eisenbahnen an entlegenen Orten der Welt mit Abendkleidern, Killern und Martinis. Und Christoph Waltz ist ein egomanischer Bösewicht in einer Organisation mit System, in dem das Gesetz des Stärkeren gilt. Was ist also das Problem? Mein Problem ist: ich bin pro-Neue-Bondfilme. Ich mag meinen Bond mürrisch. Obwohl der Film wirklich großartige Szenen und Einstellungen liefert (Día de Muertos – eine der teuersten Eröffnungssequenzen in einem Bondfilm oder die Explosion gegen Ende, die sogar im Guiness-Buch der Rekorde gelandet ist), empfinde ich das Drehbuch diesmal als Rückschritt. Es passiert zwar eine ganz entscheidende Sache, die man von einem James Bond nicht erwartet, aber der Rest bringt den alten Bond zurück. Den mit den lockeren Sprüchen, der reihenweise die Frauen klarmacht und alle in seinen Händen zerfließen wie Wachs. Und der Film ist bemüht witziger als sein Vorgänger. Nur funktioniert der Witz für mich nicht immer und ich empfand einige Szenen sogar schon als unfreiwillig komisch. So soll das aber nicht sein. Ernüchterung von meiner Seite. Bei mir entsteht der Eindruck, als ob Sam Mendes bei Skyfall sein ganzes Pulver verschossen hat. Eine Sache gibt es aber noch über die wir sprechen sollten: Wenn ikonische Bösewichte angekündigt werden, dann vermuten Filmfans ikonische Bösewichte. Gerne auch mal welche, die schon da waren. Ich habe von Anfang an vermutet, dass Christoph Waltz‘ Franz Oberhauser vielleicht in Wirklichkeit Blofeld ist. Ihr wisst schon. Mit der Katze auf dem Schoß und diabolisch und so. Und natürlich verrate ich euch nicht wie die Auflösung ist. Und ich sage euch: es ist höchst fragwürdig, ob man in diesem Moment neben mir im Kino sitzen will. 😉
(7/10)
Habt ihr Spectre schon gesehen? Wie waren eure Erwartungen und wurden sie auch enttäuscht? Oder seht ihr das anders? Wer ist für euch der echte Bond? Für mich gibt es ehrlich gesagt keinen. Ich kann mehreren etwas abgewinnen, nur mit Pierce Brosnan tue ich mich schwer. Welche Bondfilme mögt ihr? Und denkt ihr, dass wir Daniel Craig nochmal als Bond sehen (sollten)?
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