Neulich im Kino … Review zu „Snowden“

Endlich ist das Sommerloch vorbei und in die Lichtspielhäuser werden wieder anschaubare Filme gespült. Wurde ja Zeit. Als Softwareentwickler dachte ich, dass es irgendwie Pflicht ist, sich ‚Snowden‘ anzuschauen. Einen Film über die globale Spionage- und Überwachungsaffäre, die ein Whistleblower ans Tageslicht gebracht hat, der dafür noch heute quasi im Exil lebt. Als Filmfan war ich gespannt darauf wie ein Film funktioniert, der auf aktuellen Ereignissen beruht und Menschen abbildet, die leben. Schließlich ist das alles nur ein paar Jahre her. Ach übrigens … die Kritik ist spoilerfrei.

Der Film entführt uns in die jüngere Geschichte auf zwei Zeitebenen. In der einen sitzt Edward Snowden (Joseph Gordon-Levitt) in einem Hotelzimmer in Hongkong und erwartet unter strengen, aber improvisierten Sicherheitsvorkehrungen Laura Poitras (Melissa Leo) und den Journalisten Glenn Greenwald (Zachary Quinto). Er erzählt ihnen ihre Geschichte, die Greenwald beim Guardian fast mit verbaler Gewalt durchdrückt, während Poitras später aus ihren Aufnahmen die oscarprämierte Dokumentation Citizenfour machen wird. Dem Zuschauer wird währenddessen das Geschehen nacherzählt. Vom Ausschluss Snowdens aus der Army und seinem Weg über CIA und NSA, wo er von Programmen und Machenschaften erfährt, die sein Moralempfinden auf die Probe stellen.

Im Nacherzählen der noch recht aktuellen Geschehnisse liegt sowohl der Plus- als auch der Minuspunkt des Films. Man kennt die groben Eckdaten, weswegen der Biopic-hafte Charakter den Zuschauer bei der stolzen Lauflänge von über zwei Stunden strapaziert und zu spannungsarm ist. Da man das Ende quasi kennt, ist das nicht verwunderlich. Es wäre leichter anzuschauen, wenn man den Film um gut und gerne mindestens eine halbe Stunde gekürzt hätte. Für Zuschauer, die mit den Geschehnissen der Affäre vertraut sind, dürften die Charaktere am interessantesten sein. So erfährt man Dinge, die einem vorher nicht bewusst waren. Beispielsweise, dass Snowden eine hohe Meinung von seinem Vaterland hat und es ihm persönlich enorm wichtig war seinem Land zu dienen. Im Verlauf des Films wird mehr als deutlich, dass er das Veröffentlichen der Informationen auch als einen Dienst am Vaterland versteht.

Joseph Gordon-Levitt stellt Edward Snowden glaubhaft dar und scheint ihn genau studiert zu haben. Sowohl sein Äußeres, als auch seine Mimik und Gestik kommen dem echten Edward Snowden recht nah. So ist seine Mimik beispielsweise stark reduziert – auch seine Stimme hat er versucht der von Snowden anzupassen. Was im Trailer schon deutlich wird und zumindest in meinen Ohren ziemlich überzeugend ist, während andere Medien sich darüber mockieren. Gordon-Levitts Leistung ist ziemlich gut. Viele Schauspieler wie Benedict Cumberbatch (Whistleblower) und Daniel Brühl (Rush) können wahrscheinlich ein Lied davon singen wie schwierig es ist eine noch lebende Person zu verkörpern. Man muss sich der direkten Kritik stellen, möglicherweise auch von der Person, die man verkörpert. Und es ist für jeden einfach sich Videoschnipsel der Menschen anzuschauen und sich eine Meinung zu bilden wie gut die Personifikation gelungen ist. Oder eben nicht. Und dementsprechend ist das bei anderen Personen in der Verfilmung vielleicht weniger gut gelungen. Was aber auch daran liegt, dass der Film den Fokus auf Snowden und die Staatsapparate legt und ansonsten oberflächlich bleibt. Es bleibt mir beispielsweise ein Rätsel was für eine Person Lindsay Mills (Snowdens Lebensgefährtin, dargestellt von Shailene Woodley) ist. Man hat sich entschieden sie über lange Strecken in die Handlung einzubauen, aber ihr Charakter bleibt banal und oberflächlich. Schlimm das zu schreiben, die Darstellung basiert auf einer existierenden Person! Aber es ist so: die Rolle dient nur dazu zu demonstrieren wie zuerst sein Pflichtgefühl, später die Spionageaffäre seine Beziehung beeinflusst.

Handwerklich ist Oliver Stones Film gut gemacht, aber in der Summe seiner Teile ist er wahrscheinlich einer der oberflächlicheren des Regiesseurs. Man wird gut unterhalten – keine Frage. Wer aber nicht viele Eckdaten über die Spionageaffäre kennt, wird besser unterhalten. Für Leute, die tiefer eintauchen wollen, ist wahrscheinlich die Dokumentation Citizenfour die bessere Wahl. Interessant sind aber auch bei Oliver Stones Film die Eckdaten. US-Studios lehnten das Drehbuch nämlich ab. Snowdens Ruf eilte der Produktion offensichtlich voraus. Kein leichtes Spiel für Oliver Stone – aber das konnte er wohl ahnen. Der Film wurde zu großen Teilen in München produziert.

Snowden, USA/Deutschland, 2016, Oliver Stone, 135min, (7/10)

Sternchen-7

Habt ihr den Film schon gesehen? Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich noch nie mit einem Film wirklich durch und durch zufrieden war, der aktuelle Geschehnisse thematisiert. So auch bei ‚Whistleblower‘ mit Benedict Cumberbatch und Daniel Brühl. Wie ist das bei euch?

3 Antworten

  1. Den Film möchte ich mir auch noch ansehen, wobei mir der Trailer nicht sonderlich gut gefallen hat um ehrlich zu sein. Schwierig zu sagen wie weit ein solcher Film gehen sollte, wenn es um die Person Snowden als solches geht. Seine Beziehung ist im Grunde seine Privatsache und gehört nicht in die Öffentlichkeit. Solche Details eignen sich bestenfalls dazu um aufzuzeigen, was er für seine Überzeugungen aufgegeben hat – und das war nicht wenig.
    Ob er die Daten wohl wirklich in einem Rubix Cube aus dem Gebäude geschmuggelt hat? 😉

  2. Ich fand den Film an sich ganz interessant und auch gar nicht so schlecht gemacht. Woran ich vielleicht ein bisschen angeeckt bin war die Art und Weise wie sie Snowden manchmal dargestellt haben. Obwohl der Film, wie du sagst, von den US-Studios abgelehnt wurde und auch in dem Film die USA nicht wirklich gut da steht, war mir der Film fast schon zu amerikanisch. Die Szene wie er mit Chip (oder was auch immer das war) aus dem Gebäude läuft und die Arme in die Luft hebt war mir dann doch etwas zu viel…

  3. Der Besprechung schließe ich mich mal vorbehaltlos an. Ziemlich genau das, was ich erwartet hatte – unterhaltsam, aber nach „CitizenFour“ auch ziemlich unnötig. Spielfilme mit aktuellem Realitätsbezug können schon funktionieren – siehe „Margin Call“, „The Big Short“, „The Social Network“, um nur ein paar jüngere Beispiele zu nennen. Dann muss aber auch so was wie eine künstlerische Vision dahinter stehen, nicht nur eine simple Nacherzählung der Ereignisse. Stone reduziert das halt auf Beziehungsdrama. Naja, gut.

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