Nach meinem Bericht vom Messe-Freitag gehts mit dem üblicherweise etwas überlaufenen Samstag weiter. Ich muss gestehen – den Samstag auf der Buchmesse muss man abkönnen. Da tummeln sich soviele Menschen, dass ich in manchen Situationen nicht sicher bin, ob ich das Messetreiben und Bücherfest da noch genießen kann. Vor Allem Halle 1 und die MCC erfordern meiner Meinung nach viel Nerven an einem Samstag. Aber die Messe hatte spannende und brisante Themen zu bieten, die zumindest bei unserem ersten Termin ruhig mehr Besucher hätte anziehen können.
Zeitgenössische ukrainische und deutsche Lyrik und: Messe politisch
Meridian Czernowitz ist der Name eines internationalen Poesiefestivals, das in der Ukraine stattfindet. Im Verlag unter demselben Namen erscheinen auch die zum Festival veröffentlichte Poesie und Texte. Am Samstag starteten sie direkt um 10 zur Öffnung der Hallen mit einer Lesung. Den Anfang machte Serhij Zhadan, der u.a. sein „Das Nashorn“ las. Der aktuell in Prag lebende Igor Pomeranzev folgte mit dem Text „P16“ und redete mit dem Publikum sogar Deutsch. Iryna Tsilyk und ihren beeindruckenden Gedichten wurde leider die Zeit zum Verhängnis und sie mussten die Lesung relativ früh abschließen. Gelesen wurde auf Ukrainisch und dann die deutsche Übersetzung. Das Themenspektrum umfasste Krieg, Flüchtlinge, aber auch Rebellen und natürlich Jazz. Die stark vorgetragenen Texte und Gedichte haben mich sehr berührt und ich bedauere es sehr, dass der Termin dann beendet wurde, obwohl Iryna Tsilyk noch ein Gedicht parat hatte – ich hätte es sehr gern gehört, da mich Iryna Tsilyks Art zu lesen und ihr ganzes Auftreten sehr beeindruckt hat. Von dem abrupten Ende mal abgesehen, war es echt bitter, dass in dem Publikum so wenige Leute saßen. Die Plätze waren nicht mal 10% gefüllt und die Lesenden mussten in einen recht leer wirkenden Zuschauerraum schauen. Es ist eine Schande, wenn man bedenkt, was man für großartige Texte verpasst. Eine Teilschuld daran trägt vermutlich der ungünstige Zeitpunkt. Die Lesung fing 10 Uhr an. Zu einer Zeit wo die Hallen gerade erst öffnen und viele Züge mit Buchmesse-Besuchern noch nicht mal in der Stadt angekommen sind. Die Themen waren schwer, aber sie kriechen in einem Hoch, berühren und bleiben im Kopf. Und das Thema könnte kaum aktueller sein. Wieviele Konflikte gibt es, die vor sich hinschwelen, über Jahre hinweg, und unserem Blick verborgen bleiben, aber doch so viele Menschen betreffen, die darunter leiden. Aber hey. Ich hab’s gehört und erzähle euch davon. Vielleicht ist das Publikum jetzt um 2, 3 Leute größer geworden. So. Jetzt brauche ich irgendwoher Bücher von denen allen.
Glück im Unglück: mein Freund hat mich Wissen lassen, dass Serhij Zhadan ein großer Name ist. Möglicherweise kommt man ihm unter anderen Umständen nicht so nahe. Auch wenn das Buchmesse-Publikum diesen Termin nicht so zahlreich besucht hat, so wurde zumindest die Podiumsdiskussion über die Lage der Ukraine zahlreich wahrgenommen. Gut zu wissen. Und irgendwie beruhigend, dass die Buchmesse das was in der Welt los ist nicht vergisst und in unser Bewusstsein rückt. Ein Punkt, den ich der Messe hoch anrechne. So wurde auch das Thema Europa aufgegriffen durch die Messe an sich wie auch durch Aussteller wie beispielsweise die Bundeszentrale für politische Bildung.
Vom spazieren über Messen
Unser Weg führte uns an vielem vorbei an diesem Messe-Samstag. Wir macht Fotos mit dem kleinen Maulwurf. Wir schauten uns Bücher aus bekannten, jungen, unbekannten, seltsamen, großen, kleinen und bunten Verlagen an. Wir sahen Bücher über deutsche Grammatik, Anleitungen zur Vorbereitung auf Ernstfälle aller Art (mir fehlt hier noch der Punkt ‚Zombie-Apokalypse‘), wunderbare Märchen, Kataloge, Bücher über Autos, Manga, Graphic Novels und aus vielen verschiedenen Ländern. Wir sahen Sci-Fi und Fantasy und die schönsten Bücher der Welt. Denn die werden jedes Jahr gekürt und ausgestellt. Da waren ukrainisch bebilderte Gesetzestexte, aber auch vietnamesiche Ausgaben von Goethes Werken und japanische Kinderbücher. Bei den japanischen Büchern lächelte mich eins mit den großen Lettern „Shunga“ an und ich musste etwas grinsen. Wurde tatsächlich shunga ausgezeichnet? Jepp. Wurde es. Als shunga bezeichnet man eine Form japanischer, altertümlicher Pornografie, die noch als Holzschnitt angefertigt wurde und meistens explizite Szenen zeigt. Da lag tatsächlich ein viele hundert Seiten dicker Wälzer voller shunga. 🙂 Ich muss sagen – ich finde es ein bisschen witzig. Wieviele Leute haben das Buch wohl aufgeschlagen ohne zu wissen was sie erwartet? Das Thema, was einem aber mit Abstand am meisten begnete war die Reformation und das Lutherjahr.
Viel Nähe zu Menschen
Man kann von Glück reden, dass wir gutes Wetter hatten. So kann man mal an die frische Luft und sich von den Menschenmassen erholen. Und so sieht man die Messe direkt lässig. Außerhalb der Hallen standen Imbisse und es tummelten sich die Cosplayer oder Leute entspannten auf den Wiesen rund um die Hallen. Was ich wieder etwas schwierig empfand war die Absperrung der Gänge, sodass man über manche Wege nur in oder aus einer Halle gehen konnte, aber nicht in beide Richtungen. Wenn es sehr voll ist, kann das sehr frustrierend sein, wenn man endlich am Durchgang angekommen ist, aber von dem Messe-Personal weggeschickt wird. Der Zugang zu Halle 1 (MCC) wurde sogar über die Außenanlage geleitet und sorgte für frierende Cosplayer. Und mindestens eine frierende Bloggerin. So haben wir aber kurz meine lieben Freunde der Görlitzer Gang rund um Sani Hachidori getroffen, die ich überhaupt erst durch das Bloggen und die Buchmesse kennengelernt habe. Es hat mich wie immer gefreut! 🙂 Auch wenn unser Treffen diesmal nur kurz war.
Kaufrausch und -ebbe
Im Gegensatz zu der Messe von vor 5-6 Jahren kann man inzwischen an den Ständen kaufen und nicht mehr nur in der Messebuchhandlung. Seit letztes Jahr gibt es mobiles Messepersonal das an den Ständen für die Aussteller abkassiert. Außerdem gibt es neben der regulären Messebuchhandlung auch eine Fantasy-Buchhandlung, eine Kinder/Jugend-Buchhandlung und die Antiquariatsmesse auf der man kaufen kann. Auf der MCC kann man ebenso Manga, Comics, Graphic Novels und allerlei Merchandise kaufen. Dieses Jahr habe ich überall davon Gebrauch gemacht. Habe bei den Ausstellern gekauft, beim Antiquariat, natürlich bei Manga und Graphic Novels zugelangt und in der Fantasy- bzw Sci-Fi-Buchhandlung, deren Spektrum ich äußerst gelungen fand. Wo ich aber fast nicht fündig wurde, war die Messe-Buchhandlung. Seltsam. Normalerweise komme ich da irgendwie immer nicht raus.
Meine Ausbeute besteht aus Ted Chiangs Kurzgeschichtensammlung, da ich seit Arrival unbedingt was von ihm lesen möchte. Außerdem sieht man da die japanische Ausgabe von Robinson Crusoe, die ich im Antiquariat ergattert habe. Ein echter Glücksfund. Von dem Wunderhaus Verlag hatte ich bis dahin nichts gehört, aber Kathrin hat mich auf die von Anton Lomaev wunderbar illustrierte Ausgabe von „Die kleine Meerjungfrau“ in dem Verlag aufmerksam gemacht – schön Neues kennenzulernen! Außerdem durften zwei Manga mit, die mich neugierig machen. Die Braut des Magiers und Platinum End von einem meiner Lieblingszeichner Takeshi Obata, wieder im Duo mit Tsugumi Ohba. Traditionen soll man pflegen. Letztes Jahr durfte auf der Messe der Band 2 (Fuchs) der Graphic Novel Love mit und die hat mir ja sehr gut gefallen und bedient meine Obsession mit Füchsen. Dieses Mal sollte ursprünglich Band 1 (Tiger) mit. Dummerweise habe ich das Buch einmal in die Hand genommen und aus Versehen und „Manga-Gewohnheit“ am Ende aufgeschlagen und mich selber gespoilert. Ich habe stattdessen Band 3 (Löwe) gekauft und hoffe, dass ich die Spoiler bald vergesse. Außerdem hat mich ein Satz bei der Geschichte um den Löwen sehr berührt, der nicht mehr allein sein wollte. Letzten Endes blieb noch die Messe-Buchhandlung, die mich nicht vom Hocker gerissen hat. Zuviel populäres, zuviel extrem bekanntes, zuviel extrem unbekanntes. Es durfte ein Buch über das Portraits zeichnen mit, da ich schon länger lernen wollte besser Portraits zu zeichnen und ein Buch von Dostojewski. Ein relativ spontaner Schnapp nach dem Motto „ich wollte schon immer Mal Dostojewski lesen“ und dann sah die Ausgabe so großartig aus. In Halle 1 war es offensichtlich sehr schwer an den Plüschis vorbei zu gehen. Aber wenn ihr jetzt an mir zweifelt und mich nicht mehr ernst nehmen könnt liebe Leser, dann schaut euch mal bitte den zufriedenen Blick der dicken Katze und die kleinen Igel-Pfötchen an und sagt mir, ob ihr das schaffen würdet da vorbeizugehen. 🙂
Und sonst so?
Es war anders. Es fehlten mir die Autoren, die ich selber gern sehen möchte und lesen hören möchte oder von denen ich mir gern was signieren lassen würde. Es war anders. Aber es war gut. Ich habe Glücksgriffe gemacht und schönes gesehen. Liebe Menschen getroffen und war enthusiastisch. Die Politik und menschliche Stimme der Messe habe ich sehr geschätzt. Bereits letztes Jahr habe ich schon ein Mal geschrieben wie gut und schön mir die Welt und ihre Menschen vorkommen, wenn sie sich an einem Ort treffen, um sich von Büchern begeistern zu lassen. Und so ist es immer noch. Der Manga-Enthusiasmus und die Zeit, die man sich hier für Gelesenes und Lyrik nimmt, machen mich glücklich. Nächstes Jahr gerne wieder.
Wart ihr am Samstag auf der Buchmesse? Oder an einem anderen Tag? Gab es einen bestimmten Programmpunkt, den ihr nicht verpassen wolltet? Wie kommt ihr mit den Menschenmassen klar? Oder kratzt euch das gar nicht? Was für Veranstaltungen nehmt ihr am ehesten wahr?
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