Serien-Besprechung: „Top of the Lake: China Girl“

Es wäre für mich auch vollkommen okay gewesen, wenn „Top of the lake“ keine zweite Staffel bekommen hätte. Die erste war gut wie sie ist und hatte ein Ende, das eingeschlagen hat, das aber gut und v.A. gut abgeschlossen war. Normalerweise schätze ich das Fortsetzen von Serien, die eigentlich als abgeschlossen angesehen werden können, nicht so sehr. Aber „Top of the lake“ war schon außergewöhnlich gut und hat v.A. Frauen die Bühne gegeben. Es hat mehr als nur ein Frauenschicksal erzählt und das ohne Kitsch, ohne Stereotypen – und wenn dann hat es mit denen gespielt. Also war der Fall wohl klar, als neulich die zweite Staffel dankbarerweise im Free-TV lief … Review ist spoilerfrei.

Jane Campions erfolgreiche Serie Top of the Lake kommt zurück um gleichzeitig ein neues Kapitel von Robin (Elisabeth Moss) zu erzählen, aber auch einen Ausschnitt dessen was Frauen sich auf dieser Welt stellen müssen. Die erste Staffel thematisierte Missbrauch. Zum Einen den des kleinen Mädchens Tui, zum Anderen den von Robin, der Ermittlerin in Tuis Fall. Die zweite Staffel mit dem Titel China Girl verfolgt wieder diese Formel, widmet sich aber eines anderen Themas. Der Mutterrolle und individuellen Entscheidungen von Frauen, sowie deren Ausbeutung. Diesmal an noch mehr prominenten Beispielen.

Zum Einen anhand der Frauen, die auf eine illegale Leihmutterschaft zurückgreifen, die Frauen die diese anbieten und ihren Körper verkaufen und zum Anderen die Konsequenzen, die Frauen in Kauf nehmen, die ihr Kind (ob freiwillig oder unfreiwillig) weggeben. Zu Beginn der Staffel geht die Ermittlerin Robin Griffith zurück nach Australien zu ihrem alten Dezernat und bekommt gleich den Fall der zuerst nur als „China Girl“ bezeichneten Frau nach, die tot in einem Koffer am Strand angespült wird. Zeitgleich zu der Erkenntnis, dass die Frau schwanger war, denkt Robin mehr und mehr an ihr Kind zurück, dass sie vor vielen Jahren zur Adoption freigegeben hat und beschließt Kontakt zur ihr aufzunehmen. Kein Zeitpunkt könnte dafür besser oder brisanter sein, da sich Mary (Alice Englert), so der Name von Robins Tochter, immer mehr von ihren Adoptiveltern Julia (Nicole Kidman) und Pyke (Ewen Leslie) entfremdet. In der gekonnt konstruierten Handlung der Serie weiß der Zuschauer anfangs mehr als Robin: nämlich, dass es nur eine Frage der Zeit ist bis sich beide Fäden überkreuzen werden.

„Top of the Lake: China Girl Trailer – BBC Two“, via BBC (Youtube)

Aber es wäre nicht Top of the Lake, wenn die Staffel nicht gleich noch mehr Motive einstreuen würde wie beispielsweise Frauen, die in Männerdomänen arbeiten. Was sich Robin und ihre Kollegin Miranda (herrlich neurotisch und liebenswert gespielt von Gwendoline Christie) antun müssen ist nicht witzig, sie nehmen es aber mit einer Gelassenheit, von der man sich eine Scheibe abschneiden möchte. Aber auch ungesunde Beziehungen sind ein schwer anzuschauender Teil der zweiten Staffel. Insbesondere Alexander (David Dencik), Marys älterer Freund, wirft Kontroversen auf. Ist er ein verkanntes, missverstandenes Genie, das in Wirklichkeit offener als wir alle ist oder ein ruchloses Schwein? Die Antwort bekommen wir. Eine andere dysfunktionale Beziehung ist die, die eine Gruppe Männer zu Frauen hegt. Sie treffen sich tagsüber in einem Café mit ihren Laptops, sie schreiben eine Bewertungsseite für Sex-Arbeiterinnen und pflegen keine normalen Dates. Sie geben vor ausschließlich zu Prostituierten zu gehen. Einer von ihnen hat sich aber in eine Prostituierte ernsthaft verliebt und wird dafür nicht ernst genommen. Und in all diesen Motiven und Kontroversen liegt die Stärke der Staffel – sie bringt uns zum nachdenken, zum darüber reden. Sie beleuchtet nicht nur Frauen, sondern v.A. auch Beziehungen. Wie diese von falschen Freunden, der Gesellschaft und ausbeuterischen „Wohltätern“ krankhaft gefärbt wird, sich Weltbilder verzerren. Was für den Zuschauer aber am schwersten anzuschauen ist, wie die Konsequenzen, Happy-Ends und Enthüllungen der ersten Staffeln demontiert werden. Auch Robins persönliches Glück. Vielleicht ebnet die zweite Staffel aber einen anderen, versöhnlicheren Weg.

(8/10)

Sternchen-8

„Top of the Lake“ war noch nie eine Serie, die man schaut, weil sie einem ein so hygge-liges Gefühl gibt. Stattdessen muss man hier aus seiner comfort zone raus. Teilweise fragt man sich, was das für eine Parallelwelt ist, in der „Top of the Lake“ spielt? Aber die grausame Wahrheit ist wohl, dass es keine Paralleldimension ist. Es zeigt Wahrheiten, die uns verborgen bleiben, wenn wir einigermaßen behütet leben. Jane Campions Serie legt in der zweiten Staffel aber noch mehr den Fokus auf Krimielemente, schließlich gab es hier eine Tote. Damit ist die Staffel vielleicht sogar etwas einfacher zu verfolgen als die erste, die sehr schwer zu verkraften ist. Dafür wartet die zweite mit etwas comic relief und Fremdschäm-Momenten Alexanders auf … man darf sich überraschen lassen. Kennt ihr Top of the lake? Wie hat euch die aktuelle oder auch die erste Staffel gefallen?

Eine Antwort

  1. Habe mich schon auf die zweite Staffel gefreut, denn die erste war großartig. Muss gleich mal gucken wo sie läuft 🙂

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