ausgelesen: Terry Pratchett & Neil Gaiman „Good Omens“ (engl. Ausgabe)

Ist das zu fassen? Das ist mein erster Terry Pratchett. Aber nicht mein erster Neil Gaiman (American Gods, Niemalsland). Und ist es zu fassen: da habe ich mich mit dem Lesen, im Glauben, dass die Adaption als Miniserie Ende 2018 kommt, so beeilt und dann wird sie auf 2019 verschoben. Aber wer wird sich beschweren. Good Omens war ein herrlicher Ritt aus Humor und Wortwitz. Das Buch handelt von dem Ende. Unser aller Ende. Dem Ende aller Tage. Dem finalen Kampf zwischen Himmel und Hölle, Gut und Böse. Von nichts geringerem als der Apokalypse. Und zwar so wie es der große Plan vorsieht. Nämlich so, dass der Antichrist die vier apokalyptischen Reiter anführt und Krieg, Hunger, Tod und Pestilenz über die Menschheit bringt, während auf dem Aschehaufen Engel und Dämonen im finalen Showdown bestimmen wessen Reich weiterbesteht. Dass des Himmels oder dass der Hölle. Als der Engel Aziraphale und der Dämon Crowley mitbekommen, dass es soweit ist und der Antichrist auf der Erde „platziert“ werden soll, sind sie wenig begeistert, dass das große Ereignis nun absehbar sein soll. Denn eigentlich gefällt es ihnen ganz gut auf der Erde. Da gibt es Sushi-Bars, nette Buchläden und Annehmlichkeit aller Art. Also denken sie sich: da lässt sich doch bestimmt was machen um das Ganze naja, vielleicht etwas aufzuschieben?

Pratchett und Gaiman schildern auf köstlich satirische bis schwarzhumorige Art ihre Version der Ereignisse und verpassen dem großen Plan einen modernen Anstrich. Der Antichrist wird im Krankenhaus einer Familie untergejubelt und sagen wir mal: es kommt vielleicht zu einer Vertauschung. (Und Vertuschung.) Aziraphale und Crowley versuchen der DNA des Kleinen entgegen zu wirken und beobachten das Aufwachsen des Sprosses der Hölle (zumindest denken sie das) um im eigenen Interesse vielleicht irgendwie die Apokalypse zu verhindern. Währenddessen rüsten sich Tod, Krieg, Hunger und Umweltverschmutzung (Pestilenz ist out) so langsam aber sicher für das Ende und ihren großen Auftritt. Die Nachfahrin einer Hexe versucht deren Prophezeiungen („The Nice and Accurate Prophecies of Agnes Nutter, Witch“ – auch der Beititel des Buches) zu entschlüsseln und stößt dabei auf eine unbequeme Wahrheit: die Apokalypse kommt am Samstag. (Und jetzt alle so: „Och nö, doch bitte nicht am Wochenende!“)

Und da habe ich noch nicht mal annähernd alle Charaktere erwähnt, die bei diesem großen finalen Kampf mitmischen. Zum Beispiel den Orden der Witchfinder, oder den Höllenhund und diverse Fürsten der Hölle. Der Auftakt des Buches und das Einführen all dieser Charaktere wirkt mal abgesehen von der herrlichen Vertauschung des Antichrists manchmal etwas zu sehr gezogen. Für den großen Showdown und wie alle Charaktere mit unterschiedlichen Intentionen zum Austragungsort pilgern, haben sich die Autoren aber wirklich genug Zeit genommen. Das nimmt so etwa die Hälfte des Buches ein. Wo Pratchett aufhört und Gaiman anfängt, kann man dem Buch nicht entnehmen. In einem (geniale lebhaften) Vor- und Nachwort kann man herauslesen, dass Gaiman mit der Idee um die Ecke kam und beide sie parallel zueinander weiterentwickelten und sich scheinbar viel am Telefon angeschrien haben. Und es wurden Disketten rumgeschickt. Davon mal abgesehen könnte ich nicht zuordnen, wer an welchem Absatz dran war. Allerdings bin ich dafür auch nicht qualifiziert (ist eben mein erster Pratchett). In jedem Fall lebt das Buch von seinem Wortwitz, Ideen und herrlich schrägen (und menschlichen) Figuren. Es gibt Autoren, die schreiben bierernste Stoffe in wunderschöner Sprache. Es gibt Autoren die schreiben goldene Zeilen verpackt in wunderbare leichtfüßige Geschichten, die trotzdem Bedeutung haben. Es gibt Autoren, die schreiben die 12.568. Young-Adult-Dystopie. Es gibt Autoren, die schreiben eventuell nicht die global und weltpolitisch bedeutungsvollste oder lebensverändernste Geschichte der Welt, aber sie geben uns eine zauberhafte Botschaft mit und bringen uns nicht nur einmal zum Lachen – und das ist auch eine Kunst. Gerade Humor ist ziemlich subtil. Und das beherrschen die beiden exzellent. Und als ob das nicht schon genug wäre, hinterfragen sie den finalen Kampf zwischen Gut und Böse auf eine wunderbar kindlich-entlarvende Art.

Obwohl das nach einem Fazit klingt, kann ich an der Stelle noch nicht schließen. Im Vor- und Nachwort erwähnen sowohl Pratchett als auch Gaiman wieviele Ausgaben sie signiert haben und in welchen interessanten Zuständen sich diese befanden. Neben von Klebeband zusammengehaltenen und schiefen, gelblich abgegrabbelten Exemplaren, die sich unter dem Zahn der Zeit in alle Richtungen wölben, waren v.A. die am beliebtesten, die scheinbar schon das eine oder andere Mal in eine Badewanne oder Pfütze gefallen sind. „Wer geht denn so mit Büchern um? Ich würde das nie passieren lassen.“ dachte ich. Und nur kurze Zeit später landete dank meiner von Erkältung, Nasentropfen und Naseputzen strapazierten Sommergrippe-Nase ein Tropfen Blut in die aufgeschlagenen Seiten während des Lesens. (Und jetzt alle so „Iiiiieh“) Ich hatte es nicht kommen sehen, dass ich Nasenbluten bekam. Und das obwohl ich ansonsten keine Eselsecken, geknickte Einbände, kaputte Umschläge oder Gott bewahre Krümel in den Büchern zulasse. Hier geht es mit dem Teufel zu.

Fazit

Höllischer Spaß.

„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂

13 Antworten

  1. Ein sehr guter Einstieg zu Pratchett. Witzigerweise hat der wohl laut Gaiman den Großteil des Schreibens übernommen. Die beiden hatten sich einfach mal irgendwo getroffen und ein bisschen herumgeschnackt über die Idee und das man die ganze Nummer ja mal zusammen schreiben könnte. Und ein paar Tage später schickte Pratchett wohl schon einen fast fertigen ersten Entwurf zu Gaiman rüber. Pratchett war halt einfach eine „Schreibmaschine“. Danach haben die zwei dann wohl gemeinsam die ganze Sache in die richtigen Bahnen gelenkt, denn wie jeder weiß, ist der erste Entwurf immer Müll und das Enedergebnis ist herrlich.

    Nebenbei inspirierte mich das Buch zu dem Manuskript, das ich gerade schreibe, in dem die apokalyptischen Reiter selbst versuchen, die Apokalypse zu verhindern, weil sie Angst vor Arbeitslosigkeit haben, wenn die Menschheit nicht mehr ist.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja, das stand so in etwa auch im Vor- und im Nachwort des Buches 😉 Sie haben da (wofür ich sehr dankbar bin) einiges an Platz für Anekdoten der Autoren gelassen. Aber da hieß es, dass sich nicht mehr wirklich sagen lässt, wer wieviel geschrieben hat. U.a. weil wie du schon sagst, es mehrere Versionen gab und sie es umständlich hin und hergeschickt haben. Sehr witzig :’D

      Wow, krass 🙂 klingt nach einer coolen Idee – bin gespannt sie zu lesen 😉 In Lebingen dann?

  2. Hach, du hast nun auch deine Pratchett-Premiere hinter dir! 😀 Schön!

    „Good Omens“ ist ja einer dieser Titel, die seit Jahren auf der Merkliste stehen und die Ausgabe, die du hast, hielt ich in UK schon mehrfach in meinen Händen. Aber da ich mit Gaimans Geschichten ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht habe und Pratchetts Stil mir bis vor Kurzem auch fremd war, habe ich mich nie so recht an „Good Omens“ rangetraut. Was du hier schilderst, klingt aber herrlich genial, schräg und witzig. Dein kurzes, prägnantes Fazit spricht ja auch Bände dafür, wie sehr du die Lektüre genossen hast!

    Köstlich amüsiert habe ich mich gerade auch über die Anekdoten zur Entstehung des Buches. Ich stell mir die beiden gerade brüllend und fluchend am Telefon vor – vor lauter Zickerei kippt einem vielleicht noch der Kaffee oder Tee über die Tastatur .. XD Und: Disketten? Ist die Geschichte echt schon so alt? :-O

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja, genauer gesagt war die Premiere Ende Juli, kurz nachdem ich Fahrenheit zu Ende gelesen habe und du wieder Richtung Zuhause aufgebrochen bist 😀 Aber einen Solo-Pratchett geschweigedenn was aus der Scheibenwelt habe ich eben immer noch nicht gelesen. Aber das kommt bestimmt noch.

      Witzig finde ich, dass du das Buch schon so oft in der Hand hattest! 😀
      Meine Begegnungen mit Gaiman waren auch sehr unterschiedlicher Natur. American Gods wurde quasi sofort mein Lieblingsbuch während Neverwhere mich kaum angesprochen hat. Leider. Aber das hier ist wirklich ein schöner Humor. V.A. das Spiel mit Dialekten macht hier in der englischen Ausgabe auch nochmal viel Spaß. Ich glaube nicht, dass sich das mit dem selben Witz ins Deutsche übertragen lässt. (Was würde wohl Anette von nettebuecherkiste dazu sagen? 🙂 )

      Ja tatsächlich! Die Geschichte hat einige Jahre auf dem Buckel.1990 ist sie veröffentlicht worden und das sind so überraschend es klingt fast 30 Jahre. Man .. wie die Zeit vergeht. Aber das mit den Disketten ist vllt auch dem Umstand geschuldet, dass beide technisch jetzt nicht so wahnsinnig versiert waren, würde ich mal vermuten…. Aber das mit dem anschreien am Telefon steht so in etwa im Nachwort 😉 Wer würde da nicht gern in die Vergangenheit reisen und Zaungast spielen?

      1. Hach, ich liebe ja Dialekte in englischsprachigen Büchern! (In Werken aus Deutschland merkwürdigerweise dagegen nicht …) Wenn ich auf Englisch lese und dabei auf Dialekte stoße, frage ich mich auch immer, ob und wie das übersetzt wird. Meiner Erfahrung nach, lässt sich so etwas schwer in eine andere Sprache übertragen. Mir ist bisher noch kein Buch untergekommen (zumindest keines, an das ich mich erinnere), dem dieses Kunststück gelang. Wobei ich es grundsätzlich schon zu schätzen weiß, wenn zumindest versucht wurde, in der Übersetzung zu verdeutlichen, dass hier jemand in Dialekt/ Slang spricht. Katastrophal finde ich es, wenn eine Figur im Original einen so starken Dialekt hat, dass scheinbar sämtliche grammatikalischen Regeln über Bord geworfen wurden – und diese Figur in der Übersetzung dann tadelloses Hochdeutsch spricht. Wie sich jemand ausdrückt, hat ja auch immer mit seiner Sozialisation zu tun und dadurch auch damit, wie man diese (fiktive) Person wahrnimmt und da empfinde ich solche Stilbrüche bei einer Übersetzung als absolutes No-Go.

        Soweit ich mich erinnere, hat Anette sogar zur Scheibenwelt eine Arbeit geschrieben. Mich würde ja ein detaillierter Beitrag von ihr nun umso mehr interessieren. 🙂

  3. Ich muss das Buch auch endlich mal lesen 🙂

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Oh das wäre klasse, v.A. weil ich gern wüsste ob du die krassen Dialekte die sie sprechen für ins Deutsche übertragbar hälst 😉 Ich weiß ja noch, dass du u.a. über das Thema Humor(?) und Übersetzung mal eine Abschlussarbeit geschrieben hast, oder? Das wäre hier bestimmt auch mega interessant, denn es ist so witzig, auch im Sinne von Wortwitz und ich frage mich an vielen Stellen echt wie sie das in der Übersetzung gelöst haben.

      1. Ich habe festgestellt, dass ich keine Benachrichtigung mehr bekomme, wenn du einen Kommentar von mir beantwortet hast… Sorry, falls ich Antworten verpasst habe! Ja, in meiner Diplomarbeit ging es um die Übersetzung von Humor. Ich nehme mir das Buch dann definitiv mal bald vor 🙂

  4. Hab ich mir letztens gekauft, nachdem ich den Trailer zur Serie gesehen habe. Muss ich dringend lesen.

    Und was ganz anderes: Diese tolle Sanduhr in deinem Bild hatte ich letztens auch schon in der Hand und habe überlegt, sie mir auch zu kaufen 😀

  5. Wundervoll! Ich bin schon überzeugt 🙂 Ich habe von beiden Autoren schon etwas gelesen (American Gods und 2 Bücher von Pratchett, an deren Namen ich mich nicht erinnere) und obwohl ich alle mochte, bin ich nicht so der Riesenfan von den Autoren – aber Pratchetts Witz verbunden mit Gaimans mythischer Erzählkunst? Da bin ich auf jeden Fall am Start! Und deine Rezension macht mir total Lust auf das Buch 🙂

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