Serienlandschaft: 3 Dinge, die „Good Omens“ besser kann als „Supernatural“

Böse Zungen könnten jetzt behaupten: es ist auch nicht schwer etwas besser zu machen als Supernatural. Autsch. Aber es ist wahr. AUTSCH! Ja natürlich sehe auch ich mich als Fan von Supernatural, obwohl es auch reichlich Dinge gibt, die mich daran aufregen. Wer hier schon eine Weile mitliest, hat das vielleicht bemerkt. Leider funktioniert dieser Beitrag nicht ohne Spoiler für Supernatural (komplett) als auch Good Omens (einschließlich Season 2).

Warum diese Serien?

Das drängt sich wegen ein paar Parallelen auf. Die erste: es sind beides Fantasy-Serien. Gut, Supernatural mag als Mystery/Horror-Serie angefangen haben. Ab der vierten Staffel führte die Serie das Konzept von Himmel und Hölle ein, die Gegenwart (oder auch eher Abwesenheit) eines Gottes und von Luzifer. Damit einher gehen nun neben den seit der ersten Staffel auftretenden Dämonen auch Engel. Dasselbe gilt für Good Omens von Beginn an. Beide Serien thematisieren auch mehrfach den Kampf zwischen Himmel und Hölle und die Rolle der Menschen darin. In beiden Serien werden Engel als bürokratisch, manchmal grausam und blind einem „großen Plan“ („ineffable plan“) folgend beschrieben.

Die Protagonisten von Good Omens sind der Engel Aziraphale (Michael Sheen) und der Dämon Crowley (David Tennant). Als der Antichrist geboren wird, beschließen sie in der ersten Staffel (und dem zugrunde liegenden Roman von Terry Pratchett und Neil Gaiman) das Ende aller Tage zu verhindern, weil sie so gern auf der Erde leben. Guter Wein, Sushi, schöne Landschaft, usw. Kann ich nachempfinden. 😉 Supernatural handelte anfangs von den beiden Brüdern Sam (Jared Padalecki) und Dean Winchester (Jensen Ackles), die allerlei Monster und Dämonen jagen – das family business. Ihre Probleme und Gegner werden mit den Staffeln größer. In Staffel 4 stößt zu ihnen der Engel Castiel (gespielt von Misha Collins), der anfangs ein ebenso blind folgender Soldat ist, aber sich bald menschlichen Belangen öffnet und irgendwann teil ihrer Familie wird. Während sich in Good Omens das ship Crowley/Aziraphale aufdrängt (shipname u.a. Ineffable Husbands), hat die Dynamik von Dean und Castiel in Supernatural unter dem Shipnamen Destiel einige Fans gefunden. Wie trotz einiger Parallelen damit umgegangen wird ist aber ein interessantes und vielleicht auch lehrreiches Stück Mediengeschichte. Was ist es also nun, das aus meiner Sicht Good Omens besser handhabt als Supernatural?

1. Die LGBTQ+-Community umarmen

Nun sind beide ships queer, vielleicht schwul, bisexuell – je nach Auslegung kommen andere Bezeichnungen in Frage. Wir können jetzt über „früher“ und „andere Zeiten“ reden, müssen das aber auch andererseits nicht. Supernatural flimmerte 2005 das erste Mal über Bildschirme und Good Omens startete 2019 im Streaming. Ist eines offener als das andere, weil moderner bzw. später produziert? Ist das überhaupt aussagekräftig? Vielleicht nicht, weil Pratchetts und Gaimans Roman schon 1990 erschien. Und überhaupt wissen wir schließlich alle, dass es die LGBTQ+ Community immer gab. ❤ Hier gibt es also nur insofern was zu argumentieren gemessen daran wie die Medienbranche die Community repräsentierte und ansprach. Vieles davon passierte früher gar nicht oder verhalten, mit vorsichtigen Queerbaits oder höchstens mal auf Nebencharakter-Ebene. Zu diesem früher zählt leider auch Supernatural.

Die Serie ist offenbar für ein heteronormativ denkendes Publikum konzipiert, wenn nicht sogar überwiegend männliches [1]. Die Realität sieht anders aus: Gizmodo spricht von 80% Frauenanteil auf Conventions [1], The Hollywood Reporter von einem 50/50-Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Zuschauenden [2]. Im Umkehrschluss mussten die Showrunner Zugeständnisse machen, um die Zuschauerschaft zu halten. Es reichte nicht Frauen lediglich als 1-Episoden-Gig auftreten zu lassen, sondern erforderte authentische Charaktere und Identifikationsfiguren. Um das zu realisieren brauchte die Serie fast zehn Jahre. Queere Charaktere entsorgte man mehrmals nach dem schädlichen und eigentlich sehr altem Trope Bury your gays. Mit der Vorstellung, dass die witzig-rührende Beziehung zwischen Castiel und Dean als „queer“ ausgelegt werden könnte, fremdelte man so sehr, dass man versuchte Castiel aus der Serie zu schreiben. Das kam schlecht an und führte letzten Endes zu Misha Collins Rückkehr. Im Serienfinale versuchte Supernatural Destiel zu adressieren und die Mehrheit zufrieden zu stellen ohne sich zu weit aus dem Fenster ihrer heteronormativen Vorstellungen zu lehnen. Was folgte, zog viel Diskussion nach sich wie auch Dementis mit sehr bemühten Formulierungen [5]. Bis auf Misha Collins will niemand so richtig sagen, dass oder ob Castiel schwul ist oder wie man seinen großen Moment mit Dean gegen Ende der letzten und 15. Staffel deuten soll.

Währenddessen ging Good Omens einen anderen Weg. In der ersten Staffel traten noch wenige queere Charaktere auf. Crowley und Aziraphale waren eher männlich geschrieben („male-coded“) und dargestellt, obwohl die Bücher vermitteln, dass sie als Engel und Dämonen wenig mit Konzepten wie Gender zutun haben [3,4]. Am ehesten bieten sie Raum für Spekulation. Wodurch? Zum Beispiel durch das harmonische Ende der ersten Staffel und das Geflirte. 😉 Das als Queerbaiting zu bezeichnen ist nicht abwegig, weswegen ich beispielsweise rein subjektiv auch bis dahin ein zweites Supernatural in Good Omens (TV) sah.

Die zweite Staffel hingegen wartet mit einer deutlichen Umarmung der LGBTQ+-Community auf, was die Storyline um Nina und Maggie betrifft – zwei lesbische Charaktere. Aber auch die trans, lesbischen, schwulen, bisexuellen, genderfluiden, sonstwie queeren Nebencharaktere oder allein die Geschichte Sohos bekommt Raum [3]! Und dann das Ende der Staffel. 💔 Wenn man Neil Gaimans starke Werte und Worte hört und sieht [3,4], dann hat das nicht allein mit dem Diversity and Inclusion Playbook der Amazon Studios zutun. Was Repräsentation betrifft, hat Good Omens nicht nur ein kleines Zugeständnis gemacht, sondern es zu einem Schlüsselelement der zweiten Staffel angehoben. Stark!

2. Queer Love statt Queerbaiting Bühne geben

Was ist nun aber mit dem Vorwurf des Queerbaitings? Wie gehen die Serien damit um und sind sie sich überhaupt der Relevanz bewusst? Supernatural gemessen an den Dementis [5] ganz klar nicht. Man spürt in jeder Faser, dass sich die Showrunner und teilweise auch die Stars nicht committen wollen (oder vertraglich nicht können) und alles so vage wie möglich halten. Lasst uns dabei bitte auch nicht vergessen, dass die Schauspieler beider Serien ausgesprochen gut darin waren oder sind diese ships auch zu befeuern (David Tennant and Michael Sheen being fans of each other (aka Michael being in love with David) auf Youtube, Jensen & Misha (Cockles) compilation – Sharing clothes auf Youtube). Thema ist aber, was auf dem Screen passiert. Good Omens hat im Staffelfinale der zweiten Season ein noch klareres Bekenntnis zu queeren Charakteren gemacht, indem es in dem Moment den ineffable husbands einen ganz klar romantischen Moment schenkt. Und uns danach direkt das Herz bricht. Aber sagen wir mal so: da sind die Bekenntnisse. ❤

Obwohl Good Omens einen Quantensprung für Repräsentation und gegen Queerbaiting macht, hat es nun ein mit Supernatural geteiltes Problem. Wenn es beispielsweise bei Engeln kein Gender gibt, sprechen wir dann hier also auch nicht von einer schwulen Beziehung bei den ineffable husbands [4]? Ein Argument, dass auch im Zusammenhang mit Castiel und Supernatural immer wieder vorgeholt wird. Das schwierige an der Debatte ist, dass ein Label Zuschauenden viel bedeutet, da es ihre Leben, Hoffnungen und Wunden adressiert. Verständlich. Aber: egal wie man das auslegt, schmälert es nicht wie unterschiedlich Repräsentation in beiden Serien gehandhabt wird. Weiterhin wie frontal und offen sich Good Omens für Diversität, Inklusion und speziell die LGBTQ+ Community geöffnet und bekannt hat.

Good Omens 2×06 | Michael Sheen and David Tennant React to THAT Finale Twist, TVLIne, Youtube

3. Fan-Fiction und Fankultur feiern

Cast und Crew von Supernatural haben etwas gemacht, womit ansonsten eher Talkmaster (Link führt zu Youtube) Darsteller:innen konfrontieren: Fanart und Fan-Fiction, gerne auch Smut. Nicht selten adressieren das Interviews mit den Stars von Supernatural. Sie erzählen dann Anekdoten über Fanart oder Fan-Fiction und legen dabei durchaus Positivität an den Tag (Misha on reading fanfiction (Vegas Con) via Youtube), manchmal aber auch nicht. Ein Trend, der sich (leider) hält ist, dass Fanart und Fan-Fiction durchaus als obskur dargestellt wird (Girl ask Jensen Ackles about fanfictions & Tumblr, Fan Fiction and Destiel via Youtube).

Was wir dabei nicht außer Acht lassen sollten ist wie unangenehm sehr sexuelles, gewalttätiges oder morbides Fanart, Fics usw. für dargestellte Personen sein kann. Offen gestanden: ich weiß nicht, ob ich besser reagieren würde als sie. Letzten Endes kommt der Cast von Supernatural offenbar gern mit dem Fandom zusammen. Ansonsten gäbe es nicht so viele Conventions, selbst jetzt noch. Und in der Tat geben manche Begebenheiten eine gute Geschichte (Jus in Bello 2016 – What was the weirdest Fanart Misha Collins saw of Castiel via Youtube). Es kann einem aber schon sauer aufstoßen wie vehement einige der Darsteller außerdem verneinen, dass beispielsweise Dean bisexuell sein könnte [5,6]. Ganz anders was Good Omens betrifft: Michael Sheen spricht offen darüber Fan-Fiction sogar als Quelle für den Charakter Aziraphales genutzt zu haben [7].

Hierbei sind vielleicht einige Fakten rund um die Entstehung der Serien zu betrachten. Fandoms, Shipping, Cosplay, Fanart und Fan-Fiction waren offenbar für Cast und Crew von Supernatural neu. All diese Ausprägungen von Fankultur entstanden parallel zur Produktion der Serie. Währenddessen existierte all das bereits vor dem Beginn der Dreharbeiten zu Good Omens, da der Roman 1990 erschien. Dass also Michael Sheen angibt sich von Fan-Fiction inspirieren zu lassen, ist quasi der Türöffner für die zwei anderen großen Befunde da oben. Drei Aspekte, in denen sich wie ich finde der Kreis schließt.

Ihr liebt Quellen, oder?

[1] Why Does Supernatural Have So Many Female Fans?, Gizmodo, 05.05.2014

[2] ‘Supernatural’ by the Numbers: A 15-Year Ratings History, The Hollywood Reporter, 19.11.2020

[3] In Good Omens, diversity is divine, The Verge, 20.08.2023

[4] Why Good Omens boss Neil Gaiman won’t label Aziraphale and Crowley as gay, Digital Spy, 15.01.2020

[5] How was that Convention Answer a Problem?, Bob Wess via Youtube, 18.10.2021

[6] The Supernatural fandom is questioning if Jensen Ackles is homophobic, The Brag, 20.06.2022

[7] „Good Omens“: Michael Sheen ließ sich von Fanfiction inspirieren, Serienfuchs, 15.06.2019

Das war mein Take – jetzt ist eurer gefragt. Was denkt ihr über Parallelen wie auch Unterschiede der Serien? Mit welchen Gefühlen habt ihr die Beiden geschaut? Übrigens sind sich der Parallelen noch andere (früh) bewusst geworden. Engel-Darsteller Michael Sheen & Misha Collins haben schon mal gemeinsam einen Charity Event durchgeführt: #SuperGood Live with Michael Sheen & Misha Collins via Youtube.

Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei.

2 Antworten

  1. Definitiv macht Good Omens vor allem den Umgang mit LGBTQIA+ und Repräsentation DEUTLICH besser als Supernatural. Und zwar nicht nur in Sachen queere Repräsentation, sondern auch, was die Repräsentation verschiedener ethnischer Herkunft und von Menschen mit Behinderung angeht. Das fand ich ganz große Klasse. Und Frauen! Da hat Supernatural ewig gebraucht, um ein paar gute weibliche Figuren zu entwickeln (und nicht gleich wieder anzumurksen) oder mit weiblichen Figuren besser umzugehen. Ich liebe Supernatural ja, aber da musste ich schon oft ganz schön schlucken.

    Vielleicht muss man Supernatural zugestehen, dass die vielen verschiedenen Autor*innen der Serie mehr von oben geknebelt wurden, und das gilt vielleicht auch für die Schauspieler*innen. Neil Gaiman hatte da deutlich mehr Freiheiten und war z.B. durch American Gods auch schon geübt.

    Bei Supernatural ist es trotzdem besonders weird, denn gerade da gibt es ja eine riesige Fan Community, die äußerst divers ist, und TPTB von CW haben aus verkrusteten heteronormativen Gründen gerade die immer wieder verprellt. Begreife ich nicht wirklich. Hier wurde in der letzten Staffel 2020 eine große Chance vertan.

    Die hat Neil Gaiman mit Amazon jetzt genutzt, und – egal was man von Amazon sonst hält – davon bin ich begeistert! Ich hoffe sehr, der Mut aller Beteiligten wird jetzt mit einer dritten Staffel belohnt.

    Und ich gehe jetzt Spn Staffel 11 zu Ende gucken, wo Dean Castiel mal wieder so anguckt, dass man das in alle möglichen Richtungen interpretieren kann, während das Skript auf seiner Chemie mit Amara besteht…

    Schöner Artikel, Steffi!

  2. Vielen Dank, das war seeeehr interessant. (Ja, ich liebe Quellen. )

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert