Netzgeflüster: Serien, die IT können … „Person of Interest“

Zu oft, wenn es in einer Serie ohne große Geschütze nicht weiter geht, kommt entweder einer mit viel Waffen vorbei, irgendwas explodiert oder plötzlich hat einer der Hauptcharaktere das hacken gelernt und rettet den Tag. Oder er ruft seinen Cousin an, der zufällig der weltbeste Hacker ist. Pausiert man dann und schaut sich an, was er da schreibt, stehen da Farb-Codes oder der Inhalt irgendeiner Oldschool-Webseite. Informatik ist in Filmen leider selten realweltlich dargestellt, weil oftmals zu komplex und rein visuell zu unspektakulär für die breite Masse. Leider. Aber ab und zu gibt es sie, die Lichtschweife am Horizont, die es schaffen Informatik nicht zu einem TV-Trope zu machen. Und da ich Serien und IT liebe, warum nicht vereinen? In dieser Rubrik des Blogs stelle ich ab und zu Serien vor, die „IT können“. Und Filme. Heute mit dabei: Person of Interest.

„Person of Interest“

Als Harold Finch (Michael Emerson, u.a. „Ben Linus“ aus Lost) den augenscheinlich Obdachlosen John Reese (Jim Caviezel) von der Straße holt, ist das nicht nur aus gutem Willen. Finch hat einen Plan und Reese soll sein ausführendes Organ werden. Beide sind Männer, die offiziell als tot gelten. Niemand sucht sie, niemand rechnet mit ihnen – sie fliegen unter dem Radar. Eine wichtige Eigenschaft für das, was kommt. Während der hochbegabte Informatiker Harold Finch einst an der Entwicklung eines intelligenten Überwachungssystem, nur „Die Maschine“ genannt, beteiligt war; handelt es sich bei Reese um einen Ex-Special-Forces-Agenten. Tragische Umstände warfen das Leben beider aus den Bahnen. Finch hat aber in die Maschine eine Hintertür eingebaut und offen gelassen. Die Maschine soll eigentlich Gefahren terroristischer Natur analysieren, die das Leben hunderter bedroht. Das hat den Seiteneffekt, dass sie auch Gefahren erkennt, die durch einzelne „person of interest“ verursacht werden oder sich gegen Einzelne richten. Ob Täter oder Opfer, kann Finch durch die Hintertür nicht erfahren. Aber so oder so: er kann mit dem Hinweis ein Verbrechen verhindern. Finch ist aber kein Prügelknabe für Ernstsituationen. Diesen Job soll Reese erledigen und er einwilligt ein.

„NEW“ JJ ABRAMS PERSON OF INTEREST: „EXTENDED PROMO“, via PERSONOFINTEREST2011 (Youtube)

Von 2011 bis 2016 hat sich Reese erfolgreich durchgeprügelt und viele Menschen in der Serie Person of Interest gerettet. Meistens hatte er dabei eine Standleitung zu Finch, der ihm den Weg im Rahmen seiner Möglichkeiten freigehackt hat. Sie bekamen tatkräftige Unterstützung, die Frauenpower neu definiert, legten sich mit korrupten Polizisten und der Unterwelt an. Der eine oder andere mag nun vermuten, dass das Konzept der Serie im Grunde zu gut und zu einfach klingt. Aber unsere Helden im Verborgenen müssen einige herbe Verluste einstecken und soviel darf verraten werden: sie bleiben nicht ewig unentdeckt und die Maschine nicht unantastbar oder unbesiegbar. Soviel dramatische Authentizität erlaubt sich die Serie. Was in Reeses und Finchs Vergangenheit geschah, weshalb sie offiziell als tot geflaggt sind und wie die Maschine entstand, wird in Rückblicken nach und nach aufgedeckt. Mit der fünften Staffel endete die Serie in einem ich möchte sagen epischen Finale.

Warum kann die Serie IT?

Der eine oder andere da draußen wird jetzt eventuell die Stirn runzeln. „Person of Interest soll eine Serie sein, die IT kann?“ Einer mag die Darstellung der allmächtigen Maschine nicht, der oder die andere ist kein Fan des Procedural-Charakters der Serie. Vielleicht ist es sogar das größere Problem von Person of Interest: dass es das in die Jahre gekommene Modell des „Case of the Week“ nutzt. Tatsächlich ist Person of Interest aber vielleicht die beste Serie, die Informatik verständlich in den Blickwinkel der Zuschauer holt und auf die Gefahren unserer vernetzten Zeit hinweist. Die Serie abstrahiert Informatik bis zu einem bestimmten Level. Sie bleibt insofern realistisch, dass Finch und andere Charaktere beispielsweise von einem Linux-Derivat heraus arbeiten und vor einer Konsole sitzen, ihre selbst gezimmerten Skripte durchlaufen lassen und nicht vor irgendwelchen bunten Windows-Interfaces. Um beispielsweise ihre Zielpersonen zu beschatten, reden sie von vielen Kniffen und Tricks aus der realen Welt. Sie haben fast einen aufklärerischen Charakter, in dem sie viele Schwächen der Menschen im Umgang mit IT-Security aufdecken: sei es nur mal das Standard-Passwort vom Internetprovider, das nie geändert wurde. Sie erwähnen nebenbei plain-simple social engineering, Reichweiten von Wifi mit Chipsdosen verbessern, es fallen Begriffe wie Honeypot und vieles mehr. Und dann gibt es die Maschine – das übermächtige Element. Viele Zweifler und Kritiker haben angegeben, dass die Maschine als viel zu mächtig dargestellt wird und die nötige Rechenleistung immens ist, weswegen man eher mit einer kitschigen Black-Box-Darstellung rechnete. Tatsächlich ist in der Serie die Maschine ein riesengroßes Rechenzentrum – alles andere wäre auch Unfug. Person of Interest zeigt nie den Hack so wie es in Mr Robot getan wird, aber es hat einen ähnlichen Realismus, der eben mit einer schwergewichtigen Prämisse umgehen und diese für eine breitere Masse verpacken muss. Und das gelingt. Es ist einfacher Person of Interest zu folgen. Und ja, manche Dinge sind hier „zu einfach“. Aber zu was Elliott in Mr Robot imstande ist auch. Viele Leute springen bei Mr Robot aufgrund von Elliots Dilemma oder der Drogen-Seitenstory aus Staffel 1 ab oder weil sie die Darstellung von IT dort sogar überfordert/langweilt. Person of Interest ist daher eventuell die bessere IT-Serie für eine breite Masse, die aber IT ausklammert oder als Märchen darstellt. Die Macher haben sich beispielsweise scheinbar mit maschinellem Lernen beschäftigt und wie man wohl eine KI trainieren würde und zeigen solche Konzepte auf etwas reduziertere und abstraktere Art und Weise. Die Maschine vereint zahlreiche Konzepte. Sie hat Interfaces in die Außenwelt, kann beispielsweise telefonieren. Sie ist ein Entscheidungssystem. Betreibt Data Mining aus zahlreichen Quellen und hat Zugriff auf geschützte Systeme und alle diese Aspekte werden auf die eine oder andere Weise in der Serie bedient. Fairerweise muss man sagen, dass Person of Interest in späteren Staffeln seinen erzieherischen Charakter hinsichtlich IT am Endverbraucher verliert, sondern sich des Themas Überwachung allgemein annimmt und deutlich dramatischer und actionlastiger wird, aber auch moralischer. Informatikfans freuen sich nebenbei über Episoden mit klingenden Titeln wie „If-Then-Else„. Aber reicht das um eine Serie zu sein, die „IT kann“?

Das Konzept der abstrakteren Darstellung von IT und Aufbereitung für die breite Masse ohne in Märchenerzählerei auszuarten ist eben nur der eine Faktor. Der andere ist, dass die Serie von der Realität eingeholt wurde. 2011 flimmerte Person of Interest das erste Mal über die Bildschirme und 2013 veröffentlichte Edward Snowden Fakten über globale Überwachungsprogramme namentlich PRISM . Ursprünglich als „Terrorist Surveillance Program“ gedacht, fließen die Daten zahlreicher Firmen durch NSA-Server. Sehr zur Empörung der Öffentlichkeit sind das Firmen, die Daten über Menschen wie du und ich halten und deren Produkte wir als Apps auf unseren Smartphones stets mit uns rumtragen. Und das klingt plötzlich der Maschine gar nicht mehr so unähnlich, oder? Nimmt man dann noch ECHELON dazu („A global network of electronic spy stations that can eavesdrop on telephones, faxes and computers. It can even track bank accounts. This information is stored in Echelon computers, which can keep millions of records on individuals.“ Quelle, 11.11.2018), das je nachdem wen man fragt, existiert oder vielleicht auch nicht, dann wird deutlich, dass Person of Interest seiner Zeit deutlich voraus war.

„Person of Interest – Finch teaches the machine chess pt.1“, via Katherine Breed (Youtube)

Zu den bisherigen Artikeln der Reihe:

Halt and Catch Fire
Mr Robot

Wie ist eure Einstellung zu „Person of Interest“? Haltet ihr sie für eine „Serie, die IT kann“? Ist eine leichtgewichtige Serie, die weniger ins Detail geht, manchmal hilfreicher als Serien wie Mr Robot, die bis zur letzten Sekunde die Machbarkeit in den Fokus stellen? Welche Serien kennt ihr, die Informatik glaubhaft darstellen?

Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen rund um IT, Forschung, Netzwelt, Internet und eben auch Gerüchten widme. 🙂

4 Antworten

  1. Avatar von voidpointer
    voidpointer

    Oh, solche Serien haben einen schweren Stand bei mir. 😉 Da ich die Serie nicht kenne, kann ich es nur anhand der Trailer beurteilen. Mir gefällt nicht wie positiv die Maschine gesehen wird. Gleiches gilt für den Missbrauchs eines Überwachungssystems um die Schwachen und Unschuldigen zu retten. Das Thema der gehandicapten Protagonisten, die doch aber alle anderen haushoch übertrumpfen scheint mir zu einfach – erst recht wenn dabei noch Leute zusammengeschossen werden. Oh je, ich glaube ich werde alt…

  2. […] Serien, die IT können … „Person of Interest“ („Serien, die IT können“ – Reihe […]

  3. […] neben oben genanntem Darren Pettie als Orson LeRoux, tritt auch sehr früh der aus Lost und Person of Interest bekannte Michael Emerson als Dr. Leland Townsend auf, der große Gegenspieler der Staffel. Seine […]

  4. […] seine ambivalente Rolle gekonnt verkörpert. Ich sah Emmerson schon immer gern. Egal, ob in Lost, Person of Interest, Evil oder sonstwo. Ich mag wie früh mit dem Rätsel um die „Anderen“ aufgeräumt wird […]

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