In der Bibel heißt es, dass die Babylonier versuchten einen Turm zu bauen, der so hoch ist, dass sie so groß wären wie Gott. Um sie davon abzuhalten, verwirrte Gott die Menschen, indem er ihnen allen eine andere Sprache gab, auf dass sie sich nicht ohne weiteres verständigen konnten. Sprache, unterschiedliche Kulturen, vorprogrammierte Missverständnisse? Als ich neulich im Urlaub war und Straßenkünstler dort große Seifenblasen erzeugt haben, die in das Publikum wehten, waren alle gleich begeistert. Egal wie alt, egal woher. Alle haben gelacht, alle fanden es wunderbar. Bei tragischen Szenen im Kino, mögen die einen vielleicht eher weinen als die anderen, aber doch geht es den meisten nah. Sind wir also nicht eben doch alle gleich? Im Herzen ja, aber im täglichen Miteinander ist nicht alles so einfach, v.A. wenn man sich nicht verständigen kann. So gesehen am Beispiel der miteinander verwobenen Schicksale, die durch Globalisierung gezeichnet sind und vielleicht anders ausgegangen wären, wenn wir alle dieselbe Sprache sprechen würden. Alejandro González Iñárritus Babel erzählt nach einem Drehbuch von Guillermo Arriaga von diesem Dilemma anhand der amerikanischen Urlauber Richard und Susan (Brad Pitt und Cate Blanchett), der japanischen, taubstummen Schülerin Chieko (Rinko Kikuchi), der marokkanischen Hirtenjungen Ahmed und Yussef (Said Tarchani und Boubker Ait El Caid) und des mexikanischen Haus- und Kindermädchens Amelia (Adriana Barraza).
„Babel – Trailer“, via YouTube-Filme (Youtube)
Alejandro González Iñárritu ist es gelungen so viele verschiedene Kulturen in einem Film zu vereinen und einen Art globalen Schmetterlingseffekt zu versinnbildlichen. Alles fängt mit einem Gewehr an und endet mit Schuld. Der Film gehört zu einer Trilogie Iñárritus über menschliche Abgründe und dem Umgang mit Extremsituationen. Man kann nachlesen, dass sowohl Amores Perros als auch 21 Gramm zu dieser Reihe gehören, die insgesamt also wahrlich nicht leicht zu verdauen ist und deren Ähnlichkeiten nicht sofort auf der Hand liegen. Neben dem gekonnt inszenierten Grundthema finde ich die Vereinigung so vieler Kulturen in einem Film stark und wie mit diesen umgegangen wird. Zudem macht Iñárritu etwas richtig, woran viele Filmmacher scheitern. Er besetzt japanische Rollen mit Japanern und mexikanische mit Mexikanern und bleibt damit authentisch, auch wenn ein bewusst anders gewählter Ansatz vielleicht auch mal ganz reizvoll im Sinne eines Kunstfilms wäre. Der Regisseur engagierte tatsächlich auch sehr viele Laiendarsteller und ging das eine oder andere Risiko ein. So wurde beispielsweise lange auf eine Drehgenehmigung für eine in Japan spielende Szene gewartet und letzten Endes ohne gedreht, weswegen das Filmteam wohl kurzzeitig mal auf einer Fahndungsliste landete.
Die moralischen Ausnahmesituationen, in denen sich die Charaktere des Films wiederfinden, stellen den Zuschauer vor Fragen ohne einfache Antworten. Wie hättest du gehandelt? Wie würdest du damit umgehen? Manches Dilemma der Charaktere wirkt künstlich, weit hergeholt, die Reaktionen verzweifelt und manchmal nicht wie die klügste Entscheidung. Das gipfelt darin, dass die Kritik den Film teilweise zerrissen hat. Oftmals bietet einem aber die Situation und das Leben nicht die beste Chance, den klügsten Einfall oder den günstigen Zufall an. Und gerade deswegen macht der Film so klar, dass wir alle Menschen mit demselben Repertoire an Gefühlen und Problemen sind und doch so schwer unter einen Hut bekommen wie wir miteinander umgehen und einander respektieren, sobald wir in eine Lage gebracht werden, in der wir uns bedroht fühlen, Angst haben, isoliert sind und alle um uns herum fremd scheinen. Damit hält der Film uns allen den Spiegel vor und mahnt uns auf unsere Taten zu achten. Sehr sehr sehenswert.
Babel, Frankreich/USA/Mexiko, 2006, Alejandro González Iñárritu, 142 min
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
Schreibe einen Kommentar