Ein, zwei, drei Mal quer durch Tokyo hieß es für uns an einem Montag am Juni. In der Reiseplanung fiel alles, bei dem wir nicht so recht wussten, wann wir es besuchen sollen auf diesen Nachmittag. Hauptsächlich weil der Vormittag durch einen nicht änderbaren Fixtermin ausgebucht war und keine andere Sehenswürdigkeit in der Nähe lag: wir würden morgens das Museum des legendären Studio Ghibli besuchen! Dafür muss man im Voraus Karten bestellen – wie erfährt man u.a. bei dem Wanderweib in einer ausführlichen Anleitung. Keine Frage – als großer Fan des Studio Ghibli habe mich unendlich auf den Tag gefreut 😀
Ghibli Museum in Mitaka … so many feels
Dieser Montag war nun der letzte Tag an dem unser JR Pass gültig wäre. Mitaka liegt westlich von Tokyo und gilt als eigene Stadt, die im Verwaltungsbezirk (Präfektur) Tokyo liegt. Hierher fahren auch mal andere Linien als die von JR, beispielsweise die Züge der Gesellschaft Keiō, bei denen man dann beispielsweise mit Suica bezahlen kann. Das Ghibli Museum liegt nahe der Bahnhöfe Mitaka, Kichijoji und Inokashira. Schon als wir vor die Türen des Bahnhofs gingen, fühlte sich Mitaka ganz anders als das was wir bisher gesehen hatten. Kleinstädtischer, ruhiger, grüner. Wir marschierten durch das (auf angenehme Art) verschlafen wirkende Mitaka und sagten mehrmals „ich wette hier lässt es sich gut leben“. Unser Weg führte uns auch durch einen Ausläufer des Inokashira-Parks, in dem auch das Museum liegt. Dort wurden wir von Totoro am „Schalter“ begrüßt. 🙂 Und wir waren so gespannt auf das Museum! 😀 Was ich bis heute nicht ganz verstehe ist warum soviele Leute vor dem Museum campierten ohne hereinzugehen. Nur bei vereinzelten habe ich mitbekommen, dass sie wohl dachten man könnte dort Tickets kaufen. Wie oben bereits gesagt – man muss die Tickets (in Form von Vouchern) vorher kaufen, die Anleitung ist verlinkt. Wie viele deutsche Kunden habe ich beim Frankfurter Reisebüro gebucht, die sehr nett waren. Die ganze Abwicklung war quasi mit zwei Mails und einem Anruf erledigt.
Das 2001 eröffnete Ghibli Museum ist vom ersten bis auf den letzten Blick mit dem Geiste der Ghibli-Filme errichtet worden. Der Look ist ein wilder Mix verschiedener Bauweisen und Stile, darunter europäisch anmutende mit viel Holz, tunesische mit Lehm(?) und leuchtet in allen erdenklichen Farben. Außerdem gibt es eine Bepflanzung auf dem Dach, wo man sich wie in der sagenumwobenen fliegenden Stadt Laputa fühlt – dementsprechend steht dort auch der sanfte Roboter-Riese. Kein Wunder – das Museum wurde im Stile Friedensreich Hundertwassers erbaut. Man denkt aber auch stets, das irgendwo Kiki durch das Fenster geflogen kommt. Selbstredend ist es hier eine regelrechte Challenge durch kleine Gänge zu kriechen, geheime Treppen auszuprobieren und nebenbei zu spielen „erkenne ich, aus welchem Film das stammt?“
Neben dem einzigartigen Stil gibt es allerhand anzuschauen. Stills, Skizzen und „Influence Maps“ sowie Aufbauten mit allerlei Interieur und Gegenständen, die wohl in Vorbereitung für einzelne Filme gesammelt wurden. Aber auch Räume in denen Animation, Tontechnik und Farbauftrag erklärt wird. Außerdem gibt es eine wechselnde Ausstellung, die sich in unserem Fall beispielsweise Oberflächenbeschaffenheiten und speziellen Animationstechnologien widmete. Man bekommt bei Eintritt außerdem den Voucher in eine Eintrittskarte umgetauscht, die einen kleinen Filmabschnitt mit ca. 3 Frames beinhaltet. Meins war aus Das wandelnde Schloss 😀 Das ist gleichzeitig die Eintrittskarte zum Kino – man darf sich dort exklusive Kurzfilme anschauen 😉 Und jetzt der Wermutstropfen: alles auf Japanisch. Meine Kenntnisse haben eher für das Verstehen einzelner Worte ausgereicht und zum Lesen von Überschriften. D.h. die erklärenden Inhalte der ganzen Ausstellungen und Räume sind uns leider verborgen geblieben, auch wenn wir es uns vorstellen konnten was die Aussage ist.
Was ich dank des Artikels vom Wanderweib schon vorher wusste, waren zwei weitere Wermutstropfen. Man darf im Inneren nicht fotografieren und der Katzenbus aus Mein Nachbar Totoro darf nur von Kindern betreten werden. Also … für die kleine Stefanie und ihren Liebsten gab es demzufolge kein Foto mit dem flauschigen Katzenbus. Das hat mich vorher regelrecht erschüttert. Tröstlich war, dass es im Museum gegen mittags sowieso so voll wurde, dass man kaum treten kann und sich vor dem Katzenbus Besuchermassen mit ihren kleinen Besuchern an der Patschehand dicht drängten. Auch im Imbiss und Café wurde es uns zu voll. Wir statteten dem Souvenirladen und Buchladen einen Besuch ab und bekamen die wahnwitzige Idee, dass wir es mit japanischen Büchern probieren würden. ^^‘ Jetzt einige Wochen später kann ich bestätigen, was wir uns damals schon dachten: dass das eine längere Auseinandersetzung wird und wir dafür noch viel Geduld brauchen. XD Außerdem schauten wir den Kurzfilm パン種とタマゴ姫 „Pandane to Tamago Hime“ (Mr. Dough and the Egg Princess) über ein kleines Ei, das bösartig von einer Hexe geknechtet wird bis es Hilfe von einem lebendig gewordenen Teig-Wesen bekommt. Klingt abgedreht, war aber ein rührender Kurzfilm in bester Ghibli-Manier. Dann neigte sich unser Besuch schon dem Ende entgegen. Mir wird direkt etwas das Herz schwer. Es war traurig diesen wunderbaren Ort zu verlassen.
Mittagspause am Inokashira Park
Schweren Herzens gingen wir weiter, da wir alles gesehen hatten und es im Museum sehr voll wurde, sodass man die Ausstellung weniger genießen konnte. Ich gebe zu, dass ich da empfindlich bin. Wir wählten dieses Mal einen anderen Weg als den, den wir gekommen waren um mehr vom Inokashira-Park zu sehen und dachten uns wieder, dass es sich in Mitaka bestimmt gut leben lässt. Wir sahen da soviele Familien, Kinder und alte Herrschaften, die sich zum Sport machen treffen. Klasse! Der Park selber ist sehr pitoresk, eine wirkliche grüne Lunge, der frische Luft entströmt. Es gibt auch einen großen Teich, auf dem man mit Schwanenbooten rumschippern kann. Man sollte aber als Pärchen vorsichtig sein heißt es. Einer der Schreine im Park ist der Göttin Benzaiten gewidmet, die glücklich verliebten Frauen ihre Partner neidet und sie eventuell stiehlt. Obacht liebe Damen. 😉
Benzaiten hat uns aber in Frieden gelassen. Inzwischen gingen wir fast auf dem Zahnfleisch und hatten nicht genug Ausdauer uns etwas „japanischeres“ als Burger zu essen zu suchen. Wir tankten also erstmal im Crown House Energie bevor es weiter gehen sollte nach Setagaya, das lag nämlich quasi auf dem Weg Richtung Tokyo Innenstadt. Und bevor ihr fragt: der Burger war gut. 😉
Gōtokuji Tempel in Setagaya
Setagaya war dann nur mit den „Nicht-JR-Linien“ zu erreichen und die waren an diesem Werktag schon voller. Wir fühlten uns in Setagaya ein wenig wie in einem Dorf. Es waren wenig Menschen unterwegs und es gab quasi keine Geschäfte. „Sind wir ganz sicher noch in Tokyo??“ Das Netz war auch weniger dicht ausgebaut, wir irrten relativ lang durch kleine Straßen Richtung Tempel und hatten ständig das Gefühl, dass er geschlossen wäre, wenn wir dort ankommen würden. Durch die vielen kleinen Gassen, Wohnungen, die Wäsche die auf den Balkonen aufgespannt war erinnerte es mich an zig japanische Filme. Wer weiß – vielleicht sieht man in Mitaka und Setagaya ja das „authentischere“ Leben abseits der flirrenden Neonreklamen. Ganz sicher sogar. Irgendwo hier hatte wohl Haruki Murakami mal eine seiner Jazz-Bars. Um ehrlich zu sein fiel es mir schwer mir das vorzustellen – geht hier einer abends in eine Jazz-Bar? Dann sah ich Murakami vor meinem inneren Auge dort zu melancholischer Musik die Theke einer dezent besuchten Bar polieren und plötzlich passte das Bild doch. Uns verschlug es nach Setagaya aber nicht um melancholische Gedanken an melancholische Haruki Murakamis zu träumen, sondern um den Gōtokuji Tempel zu besuchen. 🙂
Bei Gōtokuji handelt es sich um einen buddhistischen Tempel, wo einer Legende zufolge die Geschichte der Maneki Neko („Winkekatzen“) ihren Anfang nahm. Noch heute kann man dort kleine Tonfiguren kaufen und entweder mit nach Hause nehmen oder zu den anderen zahlreichen Winkekatzen stellen. Die Erlöse fließen vermutlich in die Instandhaltung des Tempels. Und das Gelände war wirklich wunderschön und gepflegt. Einem riesigen „Weihrauch-Fass“ entströmte der typische Geruch und der Tempel ließ uns sofort in andächtige Stimmung versinken. Zumal es dort auch herrlich leer war. Das Meer aus Maneki Neko wiederum war super anzuschauen. Es gab auch winzig kleine 😀 Leider hatte der Tempel-Laden schon zu, sodass wir keine spenden konnten.
Tokyo Skytree
Der letzte Tagespunkt war der Tokyo Skytree. Eigentlich hätten wir ihn gern noch bei Tageslicht erreicht, da man von dort aus wohl sogar bei klarem Wetter den Fuji sehen könne. Außerdem war unser Plan dort den Sonnenuntergang zu sehen und bis etwa zur blauen Stunde zu bleiben. Allerdings lag Setagaya nicht um die Ecke. Wir müsste ein paar Mal umsteigen und waren zwischendurch in Setagaya in einer kleinen Straßenbahn(!) unterwegs, die sehr langsam und voll war und an allen möglichen kleinen Haltestellen halten musste. Und schwups waren fast zwei Stunden rum. Auch so kann Nahverkehr in Tokyo sein. Wenn man einmal von ganz westlich nach ganz östlich muss, wird einem erstmal richtig bewusst wie groß die Stadt eigentlichist. Wir erreichten den Skytree dann immerhin zu Sonnenuntergang. Dort angekommen tauschten wir unsere zuvor gekauften Tickets gegen richtige Eintrittskarten, was gar nicht lange dauerte. Schwierig war es dann aber zur Aussichtsplattform zu kommen, da mehrere(?) Schulklassen auch hoch wollten und die Fahrstühle dementsprechend schnell voll waren. Du kannst mit allem rechnen, aber nicht mit Schulklassen auf Ausflug. Das krasseste war aber ihre Lautstärke. Man hätte meinen können, dass irgendwo eine Boyband aufgetaucht wäre … . 😐
So entging uns die Möglichkeit den Fuji zu sehen, dafür aber ein weiteres Mal Tokyo bei Nacht, was wir aber kaum bereuen konnten. Man sieht so unglaublich weit vom Skytree! Atemberaubend! Der Tokyo Skytree ist mit seinen 634 Metern das zweithöchste Gebäude der Welt und wurde von 2008 an errichtet. Ebenso wie der Tokyo Tower ist er ein Fernsehturm und verfügt über mehrere Aussichtsplattformen für die man jeweils Eintritt bezahlen muss – oder wie wir ein Ticket für alles im Voraus. Der Turm wird verschiedenfarbig beleuchtet, wobei die Farbe je nach Tag zwischen Lila, Orange und Blau wechselt. Als wir da waren, war gerade Blau dran. 🙂 Der Turm wird scheinbar aber auch andersfarbig beleuchtet, wenn eine Feierlichkeit ansteht oder um Solidarität zu zeigen wie beispielsweise nach dem grauenerregenden Anschlag in Paris im November 2015.
Falls ihr euch über die „Hello Kitty“-Fotos wundert … Hello Kitty feiert dieses Jahr Jubiläum, weswegen es im Skytree eine „Hello Kitty“-Ausstellung gab. Einerseits finde ich es ja cool, dass auch an bekannten Sehenswürdigkeiten solche Ausstellungen auftauchen wie schon bereits im Mori Tower, aber andererseits wird man eben auch schnell mit Dingen beschallt, die einem kaum egaler sein könnten. ^^‘ Ihr hört richtig heraus, dass ich kein „Hello Kitty“-Fan bin. Aber es war doch auch witzig zu sehen wie beispielsweise „Kitty Whites“ Proportionen bemessen werden, was also ihr typischer Augenabstand etc. ist. ^^‘ Nun ja. Es ist eben ein typischer Teil der „Kawaii-Kultur“. Was mich mehr gefangen hat, war der Blick am höchsten Punkt zu dem Besucher im Skytree kommen können. Auf 451 Metern kann man bis über die Buch von Tokyo hinaus sehen. Wir haben an einem Aussichtspunkt gleichzeitig sieben Flugzeuge am Himmel gezählt. Und waren einfach beeindruckt von den Lichtern und Spuren des Lebens da draußen. Falls ihr mal dort seid: bleibt noch ein bisschen am Sorakara Point, das ist der höchste Punkt (Skorakara ist der Name des Skytree-Maskottchens). Wenn man Geduld hat, werden an die Scheiben Datum und Höhe „in die Aussicht“ projiziert.
Noch lange nachdem es dunkel war (es wurde übrigens schon 18 Uhr dunkel, was für uns Mitteleuropäer zur Sommerzeit etwas ungewöhnlich war) wollten wir nicht gehen und die Bilder des nächtlichen Tokyos in uns konservieren. So gingen wir noch in die Bar oben im Skytree, obwohl wir normalerweise solche teuren tourist traps meiden. Von hier aus kann man aber doch sehr angenehm verweilen, was nettes trinken und mit dem Blick auf Tokyo entspannen. Der Plüsch-Totoro, den ich mir im Ghibli Museum gekauft habe, durfte auch die Aussicht genießen. Perfekter Ausklang für einen bewegten, aber wundervollen Tag. 🙂
„My Neighbor Totoro – Opening Titles – Japanese“, via Mark Jones (Youtube)
Bisherige Artikel zur Japanreise: Reisevorbereitung | Reiseführer-Reviews | Essen in Japan | Manga-Tourismus | 5 Must-Do’s und 5 (halb)offene Fragen | Tag 1 (Anreise, Minato) | Tag 2 (Shibuya & Harajuku) | Tag 3 (Miyajima) | Tag 4 (Hiroshima) | Tag 5 (Kyoto) | Tag 6 (Roppongi, Shinjuku) | Tag 8 (Kanda, Akihabara und Odaiba) | Tag 9 (Ikebukuro, Sunshine City) | Tag 10 (Sensō-ji, Asakusa, Sumida, Hachikō)
Fuji sehen oder nicht sehen war für uns übrigens eine stetige Frage. Wir beobachteten täglich den Wetterbericht in der Gegend um den Fuji. Einer der bekannteren Aussichtspunkte von dem aus man den Fuji sehen können sollte, war aufgrund einer Vulkanwarnung gesperrt. Bei einem anderen schien es ständig bewölkt zu sein. Würden wir aber wirklich einen halben Tag verschenken wollen um am Ende dann den Fuji gar nicht zu sehen? Und das naheliegendste (den Fuji vom Skytree aus zu sehen) hatte nun nicht geklappt. Wir entschieden schweren Herzens den Ausflug zum Fuji sein zu lassen und uns in den kommenden Tage weiter Tokyo anzuschauen. Denn anzuschauen gibt es wirklich genug. Allerdings mit einem weinenden Auge. Angesichts all dessen was wir an dem Tag erlebt hatten, wurden wir aber gut von der schweren Entscheidung abgelenkt. Hattet ihr vielleicht bei einer Japanreise mehr Glück den Fuji zu sehen? Auf welche große Sehenswürdigkeit musstet ihr schon mal verzichten? Wart ihr schon mal bei einer Ausstellung des Studio Ghibli oder dem Ghibli Museum? Falls euch das für eine künftige Japanreise interessiert, dann habt im Blick, dass in ein paar Jahren ein ganzer Ghibli Themenpark eröffnet 😉
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