Disney tut es. HBO plötzlich auch. Ende letzten Jahres wurde Schlag auf Schlag bekannt, dass einige Großkonzerne ihre eigenen Streamingplattformen starten und damit die Verfügbarkeit ihrer Filme und Serienformate bei bisherigen Streaming-Anbietern über kurz oder lang verschwinden werden. Mit den Neuigkeiten um Disney Plus (man ist sich noch nicht einig, ob Disney Plus oder Disney+) bibbern die Einen v.A. angesichts des Verschwindens von Star Wars und Marvel-Produktionen aus Netflix. Das erschüttert mich mäßig – vielleicht am ehesten noch wegen Star Wars. Aber trotzdem schaue ich dem Launch der Dienste nicht unbedingt mit Freude entgegen. Meine Befürchtung ist, dass der einstige Streaming-Fortschritt ein Rückschritt wird.
Schöne neue Welt?
Kurz zum Stand der Dinge: Disney Plus wird nach neueren Meldungen bereits am 24. März in Deutschland starten, während es in den USA bereits seit November verfügbar ist. Der Preis beläuft sich auf 6,99€ pro Monat oder 69,99€ pro Jahr nach unten angegebener Quelle (1). Es ist zu erwarten, dass damit die bisher auf Netflix (Star Wars-Filme, MCU-Filme) und Amazon Instant Video verstreuten Formate (The Mandalorian, diverse Disney-Antimationen, …) dort nicht mehr verfügbar sein werden. Der Maus-Konzern ist groß und hat weit mehr als Disney-Prinzessinnenfilme und Marvel-Superhelden-Clash – man findet recht beachtliche Listen der auf Disney Plus verfügbaren Formate (2). Dass es eine große Nummer ist, wenn Disney eine eigene Plattform startet, war auch der Social Media Gemeinde anzuhören. Geheim gehalten haben sie es aber ganz gut. Und der gewählte Zeitpunkt könnte kaum besser, wenn dann auch offizielle MCU-Serien wie Wanda Vision starten und das abhängen, was Netflix einst gar nicht mal so zaghaft mit den Defenders probiert hat.
Umso heikler wurde es, als auch HBO ankündigte mit HBO max eine eigene Streamingplattform an den Start zu bringen (5). Wobei man sich das bei HBO noch direkt wünschen könnte, schließlich sind ihre Top-Formate nicht ganz so breit auf andere Plattformen gestreut. Es wäre nur noch einfacher, wenn alles in den bisher vorhanden Plattformen verfügbar wäre. Aber wo bleibt denn da der Profit … . Man mag den bisherigen Streaming-Giganten Monopolismus vorwerfen. Das Modell der Channels auf Amazon hat das Bestreben der Sender bereits angedeutet und den Versuch des Riesen Amazon die Formate der Anbieter zu halten. Wer beispielsweise den STARZ Channel abonniert um Killing Eve oder Counterpart zu schauen (die halt leider wirklich richtig gut sind), zahlt monatlich 4,99€ drauf. Geschäftsmodell, ich hör dir trapsen. Die Abhängigkeiten von der durch Amazon bereitgestellten Technologie schmeckt sicherlich nicht jedem. Eigenes ist immer besser? Wenn jetzt jedes Medienunternehmen seine eigene Streamingplattform gründet, gibt es dann auf Amazon und Netflix bald nur noch ihre Eigenproduktionen und wir bezahlen zehn Abos? Fühlt sich an wie Fernsehen. Nur teurer.
Was man nicht vergessen darf …
Wieviel teuer hat Screenrant (3) mal für das amerikanische Publikum zusammengefasst und kommt auf eine stattliche Summe von rund 100$. Die beinhaltet aber auch werbefreie Premium-Zugänge und Angebote spezifischer Fernsehsender. Also für diejenigen, die alles sehen müssen und an FOMO leiden. Auch hierzulande ist man von einer stattlichen Anzahl an Streamingplattformen umzingelt. Das Fernsehen versucht schließlich kräftig mitzuziehen. Als Nutzer setzt man eben so seine Prioritäten. Zähneknirschend verzichte ich auf TV NOW, obwohl dort demnächst die Neuauflage der Twilight Zone läuft (4); auf Magenta TV, obwohl dort stets zuerst die neuen Staffeln von The Handmaid’s Tale landen oder auf Sky. Etwas zerpflügt ist es also auch jetzt schon bei uns. Kommen halt nur ein paar mehr dazu … ?
Schöne alte Welt
Es ist klar, dass das für die Konzerne mehr Sinn macht. Man ist nicht von den technischen Gegebenheiten und dem Marketing eines Streaminganbieters abhängig. Die Gewinnausschüttung dürfte größer sein, da plötzlich statt Lizenzvereinbarungen ein Abosystem Kunden lockt. Man kann werben und vermarkten wie man will und vor Allem auch selber Daten erheben und auswerten. Es gibt keinen Filter durch einen Dritten, der sich sicherlich einiges an Kleingedrucktem vorbehält. Das kostet einmal Unsummen für die Bereitstellung der IT-Infrastruktur und Streaming-Anwendung plus kontinuierliches Weiterentwickeln und Warten, aber das mit der eigenen Streamingplattformen wird sich schon lohnen (hofft man). Tatsächlich habe ich da so meine Zweifel, wenn auch nicht bei Disney Plus. Das wird sicherlich eine ganze Weile sehr gut laufen dank starker, massentauglicher Zugpferde. Sollten noch mehr Plattformen aus dem Boden sprießen, könnte das eine Kostenfalle für die Konzerne werden. Kunden, die nach einem Monat alles für sie Interessante gesehen haben und wieder kündigen holen vielleicht nicht die Kosten für die IT-Infrastruktur und technische Omnipräsenz rein, wenn man halt nur „ein kleines Network“ ist und ansonsten keine großen Lizenzen anbietet. Und IT ist teuer.
Aber vielleicht leiden ja doch mal plötzlich alle Menschen an FOMO? Weil sie es nicht mehr ertragen irgendeine neue Serie nicht sofort zu sehen – Ups, da sind wir schon, oder? Dann gelingt das Wuchern der Streamingplattformen jedes noch so kleinen Networks vielleicht am Ende doch. Was daran sehr ärgerlich ist, sind sicherlich die Abokosten. Die Verträge mit wechselnden Anbietern, die Bequeme vielleicht mehr kostet („Was jetzt kündigen und dann in 6 Monaten neu registrieren? Och … .“), ist eventuell der neue Passierschein A38. Nicht weil das so schwierig ist – die meisten machen das schon so, dass man wieder rauskommt aus den Abos und dafür weniger als dreißig Klicks braucht. Usability, Ehre und so. Aber die Masse macht’s. Was mich aber persönlich am meisten stört ist die Aussicht auf einen Dschungel an Apps, Datenmüll und unübersichtlichem Programm. Denn obwohl das schöne Prinzips des Streamings ja ist, dass man im Gegensatz zum Fernsehen sehen kann, was man will, wann man es will. Aber ein altes Leid bleibt: was war nochmal wo? Dienste wie werstreamt.es haben wir dann wahrscheinlich alle auf der Kurzwahl. Auf den Dschungel habe ich trotzdem keine Lust. Vielleicht findet sich dann ein Dienst, der die alle bündelt. Moment … ist das dann nicht wie bei diesem äh … früher … wie hieß das noch gleich … Fernsehen?
Quellen
(1) film.tv vom 25.01.20
(2) collider vom 10.01.20
(3) screenrant vom vom 19.01.20
(4) serienjunkies.de vom 10.01.20
(5) heise.de vom 30.10.19
Offenbar freue ich mich also nicht über den Launch diverser weiterer Streamingplattformen. Wie geht es euch da? Habt ihr schon den Start von Disney Plus im Kalender stehen? Denkt ihr, dass sich der Trend lange halten wird oder die Blase in absehbarer Zeit platzt? Ich vermute wirklich, dass wir in einigen Jahren wieder da sitzen und die einzigen, die sich gehalten haben sind Netflix, Amazon Instant Video (das dann endlich mal vernünftiges Streaming anbietet und eine bedienbarere Oberfläche hat) und Sky sind. Welchen der hier nicht erwähnten Dienste nutzt ihr eigentlich und was bietet der, das die anderen nicht bieten? Und: schaut ihr noch fernsehen?
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