Öllers (Devid Striesow) und Niederländer (Sebastian Blomberg) sind empört. Ihr Kollege Hellinger wurde zum Partner ernannt. Die beiden Wirtschafts-Consultants sind ständig in anderen Hotels derselben Kette in den Entwicklungsländern für deren Kultur, Herausforderungen und Menschen sie sich nicht interessieren. Sie verlassen selten das Umfeld ihres Designhotels mit Queensize-Bett und Regendusche. Aber sie wollen selber auch Partner werden wie Hellinger. Ihnen wird die junge und engagierte Bianca März (Katharina Schüttler) als neues Teammitglied vorgesetzt. Sie interessiert sich im Gegensatz zu ihnen für das was außerhalb des Hotelzimmers passiert und scheint auch wegen ihres vorhandenen Moralkompasses nicht zu ihnen zu passen. Eskaliert die Situation eher außerhalb oder innerhalb des Hotelzimmers?
„ZEIT DER KANNIBALEN | Trailer german deutsch [HD]“, via trailerspot (Youtube)
Johannes Naber inszenierte Zeit der Kannibalen nach einem Drehbuch von Stefan Weigl als bissige Kapitalismuskritik und in kammerspielartiger Manier. Genauso wie Öllers, Niederländer und März sehen auch wir die bereisten Länder nur durch die Fensterscheibe des Hotels. Die Umgebung draußen sieht für sie alle immer gleich aus – deswegen tut sie es auch für den Zuschauer. Klötze in unterschiedlichen Grauschattierungen und irgendwo eine Sonne. Oder soviel Smog, dass man gar nichts mehr sieht. Es sind kurze, abwechslungsreiche Episoden, die von den Dreien erzählen und teilweise so schwarzhumorig, bissig oder nachdenklich stimmend, dass keine Langeweile aufkommt. Kein Wunder, dass das Drehbuch bereits zahlreich auf deutschen Bühnen als Theaterstück aufgeführt wird. Entlarvend sind die Situationen, wenn März aufgeregt in das Zimmer läuft, wo Niederländer an sich gerade Maß für einen Anzug nehmen lässt und ihn fragt, ob er das auch hören würde!? Er sieht sich um. Was denn? Von draußen tönen Gewehrschüsse. Ach das!? Das hört er schon gar nicht mehr.
Die Borniertheit mit der die Consultants ihrer Umwelt begegnen reicht von Beleidigungen und Angriffen auf das Personal bis hin zu zwischenmenschlichen Grausamkeit und Gier auf Erfolg und Beförderung. Die Dialoge zwischen den Dreien sind bissig, bösartig und messerscharf – und machen ein Stück weit Spaß. Insbesondere am Anfang ist das Leben auf ständiger Dienstreise recht amüsant, wenn beispielsweise Niederländer demonstriert wie schnell er einschlafen, aufstehen und seinen Koffer packen kann, wenn er denn muss. Alles im Dunkeln und Öllers soll die Zeit messen. Aber die Stimmung spitzt sich zu und zeigt, dass in den Anzügen zum Einen nur noch wenig Mensch steckt es zum Anderen noch andere Kannibalen da draußen gibt. Und die haben vielleicht mehr Hunger. So hört der Film nicht auf zu schockieren und steigert sich zum Ende hin. Fraglich ist nur, ob Öllers, Niederländer und März auch irgendeine Lehre gezogen haben.
Zeit der Kannibalen, Deutschland, 2014, Johannes Naber, 93 min
Header image uses a Photo by Kilyan Sockalingum on Unsplash
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
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