Anders als in der Mehrzahl der Alienfilme ist der Besucher von außerhalb hier ein gigantischer Roboter statt eines schleimigen, mordenden Etwas. Wie aber eben doch sehr viele Alienfilme ist auch Der Gigant aus dem All die perfekte Metapher auf die Angst vor dem Unbekannten und die Frage, was eigentlich Menschlichkeit angesichts von Bedrohung bedeutet. Dass da etwas vom Himmel fällt, löst im Amerika der 50er Jahre des Films Misstrauen und Panik aus. Die Sowjetunion schickte gerade mit Sputnik den ersten erdumkreisenden Satelliten ins All – hat das, was da vom Himmel fiel etwas damit zutun? Das Militär ermittelt bereits. Mehr durch Zufall findet der junge Hogarth den stählernen Riesen, hilft ihm aus einer Misere und wird von da an sein Freund. Ein Problem ist nur, dass sich Riesenroboter so schwer verstecken lassen … .
Der Gigant aus dem All ist heute als Geheimtipp und verborgenes Juwel unter den Animationsfilmen bekannt, der initial an den Kinokassen floppte. Schuld daran ist wohl u.a. das spärliche Marketing und Misstrauen gegenüber Animationsfilmen, weswegen er anfangs in der öffentlichen Wahrnehmung unterging. Wie so oft in solchen Fällen verschaffte das Heimvideo-Release dem Film seinen späten, aber mehr als verdienten Ruhm. Inzwischen wird Brad Birds Regie-Langfilm-Debut als Kultfilm gehandelt und brachte ihm infolge größere „Gigs“ ein. Und der Kultstatus kommt nicht von ungefähr. Wie Hogarth, sein Freund Dean McCoppin und Hogarths Mutter versuchen den Roboter zu verstecken, mit ihm zu kommunizieren und ihr Leben mit einem Riesenroboter im „Garten“ bestreiten, hat schon einiges an Comic Relief und Herz. Die Gags sind golden – ich liebe die Szene mit dem See! Aber auch die ernste Note verfehlt nicht seine Wirkung, geht sie doch auf den kalten Krieg, die Angst vor dem nuklearen Holocaust und den Sputnik-Schock ein ohne aber zu schwermütig zu sein.
„The Iron Giant Official Re-Release Trailer – Signature Edition (2015) – Jennifer Aniston Movie HD“, via Movieclips Trailers (Youtube)
Das Charakterdesign im Allgemeinen und v.A. das des Riesen ist enorm sympathisch. Denn obwohl der mechanische Riese wenig Voraussetzungen für eine exaltierte Mimik hat, gelingt es ganz wunderbar ihm einen teils hilflosen, kindlichen, neugierigen Ausdruck durch seine Taten zu verleihen. Um das fließende, metallische ansprechend darzustellen, ist der Gigant selber ein CGI-Produkt, während der Rest des Films traditionell animiert wurde. Das geht überraschend gut zusammen und funktioniert auch heute noch, selbst wenn sich beide Animationsstile nicht nahtlos oder ohne dass es auffällt ineinander fügen. Ein heimlicher Star des Films ist für mich die Umgebung, die den Eindruck eines ländlichen, amerikanischen Idylls erweckt, angelehnt an das Artwork Norman Rockwells und Edward Hoppers.
Wie der Gigant aus dem All zunehmend Charakter entwickelt und moralischen Kompass beweist ist das perfekte Motiv, um es der Xenophobie und existenzieller Angst im Kalten Krieg entgegen zu setzen. Zwar ist damit Der Gigant aus dem All vielleicht kein Animationfilm, der sich auch für die ganz kleinen Zuschauer*innen eignet, aber jedenfalls einer, der auf dramatische und gleichermaßen rührende Art die Frage danach stellt, was Menschlichkeit ist und dass die nicht erfordert Mensch zu sein. Der Animationsfilm ist ein rundum gelungenes Gesamtpaket, das traditionelle und digitale Animation vortrefflich vereint und eine sehr sympathische Geschichte erzählt, vermutlich sogar treffsicherer als die literarische Vorlage. Stand heute kann man den Film auf Netflix bewundern.
Der Gigant aus dem All (OT: The Iron Giant), USA, 1999, Brad Bird, 86 min
Header image uses a Photo by Kilyan Sockalingum on Unsplash
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
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